aus bma 09/04

von Michael Essler

Honda XL 500Nachdem ich nach Bestehen der Führerscheinprüfung mit einer Yamaha XS 400 DOHC meine ersten Fahrversuche hinter mir hatte, suchte ich langsam aber sicher nach einem Ersatz für mein „häßliches Entlein”, denn hübsch war dieses Modell der Yamaha Designer sicher nicht, aber ich war jung (und brauchte das Geld anderweitig).
Einzylinder fand ich von Anfang an klasse, aber zu den Zeiten waren XT 600 und Co. zu teuer, eine SR 500 zu klein und von der XL hatte ich nie was gehört, denn die war zu diesem Zeitpunkt im Schnitt zehn Jahre alt und natürlich nicht so verbreitet wie die diversen XTs. Damit geriet das Thema XL erst mal in Vergessenheit, ich kurvte weiter mit meiner Yamaha um die Ecken und fand diese Maschine mit jedem Tag eklatant langweiliger.
Der Zufall wollte es, daß an einem schönen Samstagnachmittag eine XL, Baujahr 1982 mit 16.000 km Laufleistung, in der Zeitung stand. Der Preis stimmte auch für Studentenverhältnisse, so daß ich mich ganz spontan zu einer Besichtigung entschloß. Da stand sie nun: Ein bißchen oldfashioned, mit ihrer ollen Biluxfunzel, aber schon ProLink-Federbein und paßte von der Größe mit 90 cm Sitzhöhe wunderbar zu meinen 1,92 m und war technisch offensichtlich tip-top. Da kam aber auch eine Hürde auf mich zu: Kickstarter!

 

Jetzt bloß keine Blöße geben und einen auf hart machen: zweimal getreten, und sie lief! Yes, das machte sie mir schon sympathisch. Auf ging es zur Probefahrt: Auweia, so einen (Einzylindertypischen-) Druck aus dem Keller war ich ja nun mit 27 Yamaha-PS nicht gewohnt, und das sollte die gleiche Leistung sein? Um es kurz zu machen: ich war infiziert. Kurz noch einige Details gecheckt, Preis verhandelt, gekauft.
Und damit begann die Lernphase von vorn: Trommel statt Scheibenbremsen: wo kommt dieser Sch… Laster her? Wie bremse ich das Ding mit Sozia oder Gepäck? Wie, nur 12 Liter Sprit? Kick- statt E-Starter: wie war das doch gleich mit einer leeren Batterie im Winter oder zum Saisonstart? Teile wechseln, Rad ausbauen, im Verhältnis zu Straßenmotorrädern: Rekordzeiten. Und dann dieser Bumms, den Einzylinder verbreiten, das ist immer wieder klasse.
Honda XL 500Doch eines Tages zog das Böse in Gestalt einer Yamaha XT 600 Typ 2KF an mir vorbei: Scheibenbremsen, besseres Fahrwerk, jünger, mehr Hubraum…
Irgendwie schweren Herzens (wohl der berühmte sechste Sinn) verkaufte ich die XL nach 20.000 schönen Kilometern und stellte mir diese XT in die Garage. Das ging genau zwei Wochen gut, da war die Lichtmaschine der XT das erste Mal total verbruzelt. Dieses Dilemma wiederholte sich noch vier (!!) Mal, natürlich nicht ohne den Gleichrichter und andere Teile mit ins „Elektrik-Nirwana” zu nehmen. Und der liebe Vorbesitzer hatte sich nicht nur an der Elektrik erfreut, sondern auch ganz wunderbar sämtliche Gewinde im Magnesium Gehäuse zergnaddelt. Wer XT fährt, weiß wovon ich rede. Hier bekommt der Spruch: „Nach fest kommt ab!” eine ganz eigene Bedeutung. Die Yamaha machte mir also überhaupt keine Freude, es sei denn, man steht gern jeden Tag in der Werkstatt.
Aber jeder zahlt angeblich in seinem Motorradfahrerleben einmal Lehrgeld (und das war in diesem Fall reichlich). Das Maß war relativ schnell voll, so daß diese Maschine so schnell aus meiner Garage verschwand wie sie Einzug gehalten hatte. Es verging wirklich kein einziger Tag, an dem ich nicht meiner guten alten Honda hinterher geweint habe, obwohl sie so Ihre Schwächen gehabt hat.
So blieb die Garage aus beruflichen Gründen lange leer. Es folgten diverse Umzüge, und plötzlich stand er da: ein komischer grauer Plastikhaufen im Carport unseres neuen Vermieters. Die grobe Form erinnerte an ein Motorrad und neugierig wie ich dann so war, sah ich ganz vorsichtig nach. Und was ich dort zu Tage förderte, ließ mir fast den Atem stocken: Eine originallackierte, fast neuwertige XL, zwar sehr dreckig und mit diversen Modifikationen, aber sonst irgendwie vielversprechend.
Ganz aufgeregt saß ich an diesem Abend im November auf dem Sofa. Der Virus und die Erinnerung an all die schönen Kilometer mit meiner XL war wieder da. Und das blieb auch meiner Süßen nicht verborgen. Letztendlich hab ich alles erzählt, damit war die Sache erst mal raus und deshalb auch für mich erledigt.
Dann kam Weihnachten, einschließlich Geschenke auspacken: eins davon hatte ungefähr DIN A4 Format. Also schnell ausgepackt, und was fällt mir entgegen? Ein paar wohlbekannte Schlüssel mit Honda Logo. Und das DIN A4 Format kannte ich auch: Reparaturanleitung Honda XL 500R!
Honda XL 500Da hatte doch meine Liebste unserem Vermieter die Maschine nebst allem noch vorhandenen Zubehör abgeluchst. An dieser Stelle noch-mals heißesten Dank, Süße, obwohl Du genau wusstest, wie viele Werkstattstunden das bedeutet. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße: „Er hat gesagt, sie läuft nicht mehr.” Na egal, sie gehörte mir. In den nächsten Wochen stand Schrauben ganz oben auf der Liste: Motorrad freilegen, Heu und Mäuseköttel entfernen, Staub abwischen, staunen, daß der Lack noch taufrisch ist, Ölwechsel, Luftfilter, Vergaser, gewechselt oder gereinigt, Auspuff gewechselt, weil er keine ABE hatte.
Die eigentlichen Schwachstellen wie z.B die chronisch undichte Zylinderkopfdichtung waren bei diesem Modell erstaunlicherweise dicht, und die zu dünn gepolsterte Sitzbank mußte ich sowieso ändern, denn der Vorbesitzer war offensichtlich ein Sitzriese. Die Gabelholme fünf Zentimeter durchgeschoben, Sitzbank abgepolstert, anderes Federbein verbaut, Enduro-Kotflügel gegen eine Straßenversion getauscht. Ich fragte mich doch, warum sich solche Menschen ausgerechnet eine Enduro mit 90 cm Sitzhöhe kaufen und nicht eine SR 500, wenn es denn unbedingt ein Einzylinder sein muß.
Irgendwann kam die Stunde der Wahrheit: Kicken, Satz mit X, nur ein leises Plop ließ sich entlocken. Schwere Stunden des Yamaha XT- Antretens kamen mir in Erinnerung. Doch das Schicksal meinte es diesmal gut mit mir, nach kurzer Internetrecherche trat die Website www.xl500r.de in mein Leben, und mit Ihr der XL „Vater” schlechthin: Volker! Nachdem ich ihm per E-Mail kurz mein Problem geschildert hatte, packte er kurzerhand seinen Sohn und Ersatzteile ins Auto und kam bei mir vorbei. Nach ein bisschen Schrauben und einer gründlichen Reinigung der Vergaserdüsen (Tja, hatte ich wohl was übersehen) lief der Bock wie eine Eins. Seither springt sie auch nach zwei Monaten Standzeit, nach zwei Kicks an. Danke Volker, und allen XL „Jüngern” die auf dieser Web Seite Ihre Freizeit opfern. Solch ein Engagement für andere vermisse ich doch immer mehr in der vielgerühmten „Motorradfahrergemeinschaft”.
Tja und seitdem fahre ich (nach einer TÜV Vollabnahme ohne Mängel) wieder XL. Mit ihren alten Macken: Trommelbremse etc., aber das hielt uns (im wahrsten Sinne des Wortes) nicht auf: durch das Allgäu, die Schweiz, Österreich und wenn die alte Dame es durchhält, auch noch mal nach Skandinavien zu fahren.
Den Fehler meine XL wegzugeben, mache ich kein zweites Mal, auch wenn ich mittlerweile an den einschlägigen Motorradtreffpunkten komisch angesehen werde. Und wer gern Aufsehen erregt: Fahrt mal mit so einem Hobel zum Beispiel in den Hoopepark oder ähnliche Spielkisten und parkt zwischen LC4, Huskys und Husabergs, die Augen kann man echt mit der Zaunlatte abschlagen…