aus bma 05/97

von Uwe Niemeyer

Über die Richtung, in welche die Honda-Leute bei der Entwicklung der VTR geschielt haben müssen, gibt es keinen Zweifel, besonders da die Kunststoffteile und der Tank auch noch rot lackiert sind (gibt es außerdem noch in Schwarz-Metallic und Gelb). Na und!? Auffällig sind die beiden Kühler, die auf jeder SeiteHonda VTR 1000 F Firestorm in die Verkleidung eingelassen sind. Der kühlende Luftzug strömt von innen nach außen durch die Rippen. Tank und Sitzbank sind recht schmal ausgefallen, sodaß auch kleinere Leute ohne ballettähnliche Showeinlagen mit den Füßen bis auf den Boden reichen. Der Soziusplatz ist durch einen Höcker abgedeckt, der bei Bedarf abgenommen werden kann. Im Cockpit befinden sich die üblichen Instrumente: Tacho, Drehzahlmesser und Thermometer mit weißen Zifferblättern sowie die Kontrolleuchten. Im Tacho gibt es einen digitalen Kilometerzähler, der per Knopfdruck auf Tageskilometerzähler umgeschaltet werden kann. Ebenfalls guter Standard sind die Schalter und Hebel an den Lenkerenden der „Firestorm”. Eine Ausnahme macht hier der Choke, denn der wurde blödsinnigerweise links unten am Motor angebracht. Auch die Spiegel lassen keinen Grund zur Freude aufkommen, denn außer den eigenen Oberarmen sieht man nicht viel von dem, was sich hinter dem Fahrer abspielt.
Die Honda wiegt vollgetankt lediglich 216 kg – und mit leerem Tank kaum weniger, denn eben dieser Tank faßt nur 16 Liter inklusive 2,5 Liter Reserve. Diese Tatsache ist umso bedenklicher, da die VTR mit dem bleifreien Normalbenzin wirklich nicht sparsam umgeht. Bei einem Durchschnittsverbrauch, der bei knapp über 8 Liter auf 100 km liegt, hört der Spaß auf. Ein so hoher Verbrauch ist absolut nicht mehr zeitgemäß und zwingt schon nach relativ kurzen Etappen zu einer Tankpause.

 

Honda VTR 1000 F FirestormDer Motor der VTR ist ein absolutes Sahnestück. Die in einem Winkel von 90° angeordneten flüssigkeitsgekühlten Zylinder haben zusammen einen Hubraum von 996 ccm, Bohrung x Hub: 98 x 66 mm. Je Zylinder betätigen zwei kettengetriebene, obenliegende Nockenwellen über Tassenstößel vier Ventile. Für das richtige Gemisch sorgen zwei 48er Keihin-Flachschiebervergaser. Um lästiges Konstantfahrruckeln zu eliminieren, sind erstens die beiden Lufttrichter unterschiedlich lang und zweitens wurden für die beiden Zylinder unterschiedliche Steuerzeiten gewählt. In der gedrosselten Version leistet der Motor 98 PS bei 8500/min und erreicht sein maximales Drehmoment von 90 Nm bei 6500/min. Die offene Variante leistet 110 PS bei 9000/min (96 Nm bei 7000/min).
Zündung an, Choke rausziehen, ein leichter Daumendruck auf den Startknopf und der V2 brabbelt los. Schon nach wenigen Sekunden kann der Choke wieder zurückgeschoben werden. Der Motor nimmt sauber Gas an ohne sich zu verschlucken. Knapp oberhalb der Standgasdrehzahl ist in jedem der sechs Gänge genug Leistung vorhanden um sauber aus dem Drehzahlkeller hochzuziehen. Die dabei frei werdenden Vibration halten sich in Grenzen und wirken keineswegs störend. Im Gegenteil! Zusammen mit dem (wenn auch stark gedämpften) V2-typischen Klang unterstreichen sie den eigenständigen Charakter dieses Triebwerkes. Ansonsten ist der Motor nahezu frei von irgendwelchen mechanischen Geräuschen.
Honda VTR 1000 F FirestormDie Motorleistung des V2 wird über eine Mehrscheiben-Ölbadkupplung, das leicht und exakt zu schaltende Getriebe und einer O-Ring-Kette auf das Hinterrad übertragen. Das Hinterrad hängt in einer Alu-Schwinge, die im Motorgehäuse gelagert ist. Dadurch konnte der Rahmen sehr kurz gehalten werden. Die Federung übernimmt ein Zentralfederbein mit verstellbarer Federbasis und Zugstufendämpfung. Das Vorderrad wird von einer Telegabel mit einem Standrohrdurchmesser von 41 mm geführt, ebenfalls mit verstellbarer Federbasis und Zugstufendämpfung. Der Motor selbst hängt in einem Brückenrahmen aus Aluprofilen und ist mittragendes Teil. Für excellente Verzögerung der „Firestorm” sorgt im Vorderrad eine Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Sätteln. Die Scheiben mit einem Durchmesser von 296 mm sind schwimmend gelagert. Die Bremse ist, wie man es von Honda gewohnt ist, gut zu dosieren und erfordert auch keinen großen Kraftaufwand. Die hintere einfache Scheibe (Ø 220 mm) wird von einem Einkolbensattel in die Zange genommen.
Das Fahrwerk wird im normalen Alltagsbetrieb mit allen Situation spielend fertig. Ob auf winkeligen Landstraßen oder auf der Autobahn, das Fahrwerk der VTR leistet sich keine Schwachpunkte. Bodenwellen bringen die Maschine ebensowenig aus der Ruhe wie Längsrillen. Auch das Aufstellmoment beim Bremsen in Kurven ist kaum vorhanden. Die eigens für die VTR entwickelten Dunlop D 204 K in den Dimensionen 120/70 ZR 17 vorn und 180/55 ZR 17 hinten behalten immer den notwendigen Kontakt zu jeder Art von Straßenbelag. Allerdings sollte man in den unteren Gängen etwas vorsichtig mit dem Gasgriff umgehen. Denn bei einer Radlastverteilung von 47 % vorn und 53 % auf dem Hinterrad ist leicht mal ein ungewollter Wheelie die Folge einer zu energisch am Gasgriff drehenden rechten Hand.
Honda VTR 1000 F FirestormAndererseits geht das Beschleunigen der VTR subjektiv betrachtet eher sachte vor sich. Nur der Blick auf Tacho- und Drehzahlmessernadel überzeugt vom Gegenteil. Der Motor dreht bei 100 km/h im sechsten Gang mal gerade 3400 U/min, zieht aber sauber hoch, ohne sich zu verschlucken. Dieses niedrige Drehzahlniveau trägt wohl dazu bei, daß man anfänglich den Tacho in Verdacht hat schamlos zu übertreiben. Das Fahren mit der VTR auf Landstraßen geht mit spielerischer Leichtigkeit vonstatten, artet auch nicht in Streß oder Arbeit aus.
Lediglich auf der Autobahn, wenn sich die Tachonadel jenseits der 200 km/h-Marke befindet, wird es ziemlich unangenehm, da der Fahrer dann hinter der flachen, schmalen Verkleidung voll im Wind hängt.
Obwohl die Sitzposition nicht extrem sportlich ist, schmerzen schon nach relativ kurzer Fahrzeit die Handgelenke. Dies macht sich besonders im Stadtverkehr bemerkbar, denn auf freier Strecke werden die Handgelenke durch den Druck des Fahrtwindes auf den Oberkörper entlastet.
Die VTR 1000 kann man zum Listenpreis von 17.990 DM inkl. MWSt. plus 330 DM Nebenkosten beim freundlichen Honda-Händler um die nächste Ecke erwerben. Im Hinblick auf die eher einfachen technischen Zutaten sicher kein Dumpingpreis. Aber in dieser Zusammensetzung kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Der Motor der VTR würde sicher auch in anderen Fahrwerken, die eher tourermäßig ausgelegt sind, eine gute Figur machen. Viel wichtiger ist aber erstmal, daß die Honda-Ingenieure dem Motor seinen übermäßigen Durst abgewöhnen.