aus bma 03/04

von Eckhard Scherff

Honda NX 650 Dominator Der 1. März 1996 war sonnig aber saukalt. Daran kann ich mich noch so genau erinnern, weil ich an dem Tag meine Dominator abgeholt und mir dabei fast die Arme abgefroren habe. Meine „Dommi“ ist Baujahr 95, der letzte Jahrgang vor einem umfassenden Facelifting, das Honda den späteren Modellen angedeihen ließ. Als Herkunftsland weist das Typenschild tatsächlich Italien aus, wohin die Produktion von Japan verlegt wurde. Darum bekam die Dominator auch eine neue Typenbezeichnung (RD08), was beim Besorgen von Zubehör und Verschleißteilen sogar bei Hondahändlern manchmal für Verwirrung sorgt. Manche Teile für die RD08 passen einfach nicht, weil damit meistens das erst ab 1996 erhältliche Modell gemeint ist. In einigen Details sieht man die italienische Herkunft leider etwas, z.B. an schlecht passenden Übergängen der Seitenverkleidung zum Tank.
Zum Kauf der Honda haben mich vor allem das supereinfache Handling, die bekannte Honda-Qualität und eine günstige Finanzierung bewogen. Dass sie mit ihrer roten Farbe und den goldenen DID-Felgen zudem noch schick aussieht hat mich auch nicht gestört, genauso wenig wie die vielen Testsiege in zahlreichen Fachzeitschriften.
Da ich meinen Führerschein noch nicht so lange hatte, war der 644 ccm große Single zunächst auf 25 kW gedrosselt. Dank ausreichend Drehmoment und einem Gewicht von nur 183 kg ging es aber trotzdem flott voran. Überhaupt stellte sich die „Dommi” als sehr einsteigerfreundlich heraus. Mit einer Sitzhöhe von 88 cm ist sie aber wohl nichts für jedermann. Ich komme mit meinen 1,76 m jedenfalls gut klar. Etwas gemildert wird der Hochsitz durch die schmale Sitzbank, die dafür auf langen Strecken dem Sitzfleisch einiges abverlangt. Die Vibrationen, die der mit einer Ausgleichswelle versehene, quirlige Motor von sich gibt, sind zwar immer spürbar, aber durchaus für den Fahrer erträglich. Die Birne des Scheinwerfers hat allerdings nicht mal 500 km ausgehalten, dann war der Glühfaden durchgerüttelt. Ich habe sie durch eine Heavy-Duty-Birne ersetzt, die Lichtausbeute ist damit jedoch ziemlich bescheiden. Die Sicht in den Rückspiegeln auch. Der rechte Spiegel liefert noch die besseren Infos, daran merkt man, dass in Japan Linksverkehr herrscht.

 

Honda NX 650 Dominator Ausgerechnet auf der ersten längeren Ausfahrt (Pfingsten 1997 an die Schlei) unterliefen der „Dommi” zwei kleine Patzer. Nach einer Nacht im Regen war der Unterbrecherschalter des Seitenständers wohl etwas verschnupft, das Motorrad ließ sich nicht mehr starten. Nachdem ich den Seitenständer ein paar mal ein- und ausgeklappt hatte, war dann wieder alles in Ordnung. Auf dem Rückweg von der Schlei vibrierte dann noch der Hitzeschutz vom Krümmer ab. Leider ging dabei eine der Halteschrauben für immer verloren, so dass ich mir bei Honda eine neue besorgen musste. Da Honda so eigenartige Gewinde verwendet, ist man auf Originalteile angewiesen. Und die Preise für Schrauben von Honda sind schlicht eine Frechheit. Das sind bis heute die einzigen Pannen geblieben.
Als ich endlich den nervigen Stufenführerschein los war, wurde die Dominator natürlich sofort entdrosselt. Das ist keine ganz billige Angelegenheit, weil nicht nur der Ansaugstutzen ausgetauscht werden muss, sondern auch die Endübersetzung geändert wird. Man braucht also einen neuen Kettensatz. Den alten habe ich zum Schluss auch nicht mehr gepflegt, so dass er völlig am Ende war. Der Single ist aber ohnehin ein ziemlicher Kettenfresser, mehr als 12.000 km sind kaum drin. Die erste Fahrt mit der offenen Maschine (jetzt 32 kW) war etwas enttäuschend, soviel mehr Dampf hatte sie nicht, was eben an der verlängerten Übersetzung liegt. Aber wer ein Krad zum Rekorde aufstellen sucht, sollte sich sowieso nach was anderem umsehen.
Für einen Urlaub in den Alpen habe ich die vordere Bremsscheibenabdeckung demontiert (und danach auch nie wieder angebaut), um die Bremse besser zu kühlen. Um den Kotflügel wieder befestigen zu können brauchte ich dann nochmal zwei spezielle Schrauben aus der Honda-Apotheke. Für den Preis hätte ich in Italien schön essen gehen können.
Zum Gepäcktransport habe ich mir bei Touratech ein Set aus zwei 35-Liter Alukoffern und Hepco & Becker-Gepäckträger gekauft. Der Träger ist sehr passgenau und lässt sich spannungfrei montieren. Die hinteren Blinker mussten an mitgelieferten Auslegern etwas nach hinten versetzt werden. Da ich die Teile schon mal in der Hand hatte, habe ich sie durch ein paar kleinere, formschönere Blinker von Polo ersetzt. Ich hatte keinerlei Erfahrungswerte, wie hoch ich die Koffer montieren sollte, also ging dieses auch prompt schief. Bei der ersten Probefahrt setzten die Koffer schon im unbeladenen Zustand heftig auf. Na klasse. Also alle Löcher in den Koffern mit Hylomix-Alu zugeschmiert und die Halter neu montiert.
Das Federbein der Dominator könnte man mittels Hakenschlüssel eigentlich in der Vorspannung verstellen, dank der ungeschickten Einbaulage aber wohl nur nach Ausbau des Motors. Was sich die Konstrukteure dabei gedacht haben weiss ich nicht.
Honda NX 650 Dominator Die Wartung der NX 650 gestaltet sich recht einfach. Nach einer etwas fummeligen Demontage von Seitenverkleidung, Sitzbank, Cockpitverkleidung und Tank sind die vier Ventile unter vier einzelnen kleinen Deckeln gut zu erreichen. Eingestellt wird ganz einfach mittels Einstellschrauben. Die Zündkerze lässt sich ohne Entfernen von Verkleidungssteilen erreichen, der Ölstand wird mit Peilstab kontrolliert. Der Luftfilter liegt nach Abbau der linken Seitenverkleidung und Lösen von sieben Schrauben frei. Ich verwende inzwischen einen K&N-Luftfilter, den man reinigen kann. Wegen des fehlenden Haupständers ist einzig das Pflegen und Spannen der Kette etwas mühsam. Einen Haupständer aus dem Zubehörhandel habe ich wegen schlechter Qualität zurückgegeben.
Und wie fährt sich meine „Dommi“ nun eigendlich? Total einfach und super lässig. Dank geringem Gewicht, breitem Lenker und schmalen Reifen ist sie extrem handlich. Dazu kommen eine bequeme, aufrechte Sitzposition, eine leichtgängige, gut dosierbare Kupplung und ein präzises Getriebe. Die Bremsen sind ausreichend, neigen bei Passabfahrten aber zu Fading. Genial ist die große Schräglagenfreiheit und die Bereifung, die rechtzeitig den Grenzbereich signalisiert. Es macht einfach riesigen Spaß, die Honda ordentlich ums Eck zu winkeln und mit kräftigem Bumms aus dem Drehzahlkeller und einem breiten Grinsen unter dem Helm wieder zu beschleunigen. Dabei gibt der Doppelauspuff ein kerniges, aber nicht zu lautes Bollern von sich. Der Verbrauch liegt bei ungefähr 5,3 Liter Normalbenzin auf 100 km, dabei ist man dann auch richtig flott unterwegs. Lässt man es gemütlich angehen, geht es auch mit knapp unter fünf Litern. Auf der Autobahn hat die Dominator natürlich nichts zu suchen, ihr Revier sind Landstraßen jeder Art und natürlich Alpenpässe, gerne auch mit Schotter. Wenn doch die Alpen von Norddeutschland nur nicht so weit entfernt wären.
Ich habe den Kauf der Dominator nie bereut. Sie ist ein zuverlässiger Kumpel für Alltag und Reise, den ich am liebsten nie mehr hergeben möchte. Honda hat die Dominator leider aus dem Programm genommen, anstatt sie weiter zu entwickeln und sich ein Stück vom BMW F650-Kuchen abzuschneiden.