aus bma 04/07

von Manfred Sikorski

Honda NT 650 V Deauville Noch einmal ein neues Motorrad, das war irgendwann die Frage. Im Grunde genommen hatten wir ein Motorrad und für die Fahrleistung von jährlich circa 7000 Kilometern reichte die Maschine, die jetzt da war, aus. Aber wie das Leben so spielt.
Viele Ideen, Wünsche und Träume gingen mir vor dem Kauf eines neuen Motorrades durch den Kopf. Aber diesmal war die Entscheidung eher von Vernunft geprägt. Die Wünsche meiner Frau, die realistischen Einsatzmöglichkeiten, und auch „was kostet mich der Spaß”, waren kaufentscheidend. Der Sozia-Platz sollte auf jeden Fall ausreichend sein, Stauraum brauchten wir, eine Verkleidung als Wetterschutz und keinen Kettenantrieb. Um circa 7000-10000 Kilometer im Jahr zu fahren, sollte die Ausgabe für’s Motorrad samt Anbauteilen im Rahmen bleiben. Das waren also die Vorgaben für das neue Motorrad.
Dann kam die lange Suche, und alle Motorräder, die erfüllten, was wir wollten, scheiterten am Preis. Und so kamen wir zur Überlegung, eine Honda Deauville NT 650 V Probe zu fahren.
Bei der Probefahrt waren mir nur einige wenige Sachen unangenehm aufgefallen. Schwache Motorleistung, laute Fahrgeräusche bei Geschwindigkeiten über 90 km/h und eine recht harte Federung bei kurzen Bodenwellen. Aber dafür angenehme Sitzposition, gute Bedienung der Hebelei und eine Schräglagenfreiheit, die nur durch das Ende der Lauffläche am Hinterrad begrenzt ist. Was einfach super ist: Die Staufächer und die festen Koffer, ein schöner breiter Gepäckträger – eben alles Dinge, um eine Menge Sachen mit dem Motorrad durch die Gegend zu fahren. Eben das, was ich so brauche.

 

Handel hin – Handel her,  irgendwann war auch der Preis für das Motorrad und Zubehör ausgelotet. Zubehör waren breitere Kofferschalen, Koffertaschen, Gepäckträger, hohe Scheibe sowie Hand- und Fußschutz. Ende 2002 war die Deauville da, und ab 2003 bei mir im Einsatz.
Honda NT 650 V Deauville Die  Deauville ist ein Motorrad für die Landstraße. Dafür ist das Motorrad ausgelegt. Allerdings gibt es auch einen unangenehmen Nebeneffekt beim Überholen: Da ist im Vorfeld Schwung holen angesagt, sonst geht es nicht. Es fehlt bei zwei Personen und Gepäck eine Menge „Dampf”. Aber so zum Bummeln ist die Maschine ideal. Auch Kurven lassen sich sehr sicher durchfahren. Durch den recht breiten Lenker ist auch im Grenzbereich das Motorrad sicher zu händeln. Selbst längere Fahrten sind möglich, ohne daß Fahrer oder Beifahrerin nach der Tour einen Tag Erholung brauchen. Be- und Entladen des Gepäcks ist allerdings so eine Sache. Da die Koffer am Motorrad bleiben, geht es am Ziel der Reise mit Taschen und Rucksack ins Hotel. Kleiner Vorteil bei den fest montierten Koffern: Wenn die breiten Deckel montiert sind, und das Halteband nicht montiert ist, dann kann man den Deckel so weit öffnen, daß sich ein Integralhelm darin verstauen läßt. Der Wetterschutz ist mit der hohen Scheibe gut, aber so ab etwa 20 Grad Plus fehlt einfach kühle Luft. Der warme Luftstrom vom Motor ist an den Beinen zu spüren, und die fest verbaute Scheibe läßt keinen Luftzug zum Fahrer durch – es ist einfach irre heiß.
Bei Geschwindigkeiten bis 120 km/h bleibt der Kraftstoffverbrauch überschaubar. Durchschnittlich 4,8 Liter sind ok, wenn man dabei berücksichtigt, daß rund 40% mit zwei Personen und Gepäck zurückgelegt wurden. Schnellere Fahrten (max. 170 km/h) saugen den Tank schnell leer. Dann liegt der Verbrauch locker bei rund 7,0 Litern auf 100 Kilometer. Der Ölverbrauch hält sich in Grenzen.
An das CBS-Bremssystem gewöhnt man sich recht schnell. Die Integration einer Vorderradbremsscheibe beim Betätigen der Fußbremse ist sehr angenehm. Besonders wenn bei Regenfahrten die Hände frieren oder schon vor Kälte schmerzen. Dann läßt sich das Motorrad sicher anhalten. Das ist auf jeden Fall ein Bonus in Sachen Sicherheit im Alltagsbetrieb. Eine schöne Sache ist auch der Kardanantrieb, der ohne Wartung seinen Dienst versieht.
Honda NT 650 V Deauville Reinigen läßt sich die Deauville bis auf einige Punkte gut. Knackpunkt Nummer 1 ist aber der Rost. Wer da luschig arbeitet, hat das Nachsehen. Schrauben, Chromteile, alles setzt schnell Rost an.
Die Felgen lassen sich nicht besonders gut reinigen. Wer keinen Streifen aus Teer und Dreck am Motorblock sehen möchte, sollte den vorderen Kotflügel verlängern. Sonst ist es eine schnelle Sache, etwas Glanz ans Motorrad zu bringen. Bin halt kein Putzteufel.
Bisher habe ich alle anfallenden Arbeiten selbst durchgeführt. Der Ausbau der Räder ist durch die Doppelscheibenbremse am Vorderrad recht aufwendig, aber machbar. Einstellen und Wechseln von Luftfilter, Kerzen und Ventilen fällt in den Bereich „Große Schrauberaktion”. Der Ölwechsel ist normal durchführbar. Knackpunkt ist jedoch das Auffüllen und Nachfüllen von Motoröl. Das läßt sich nur sauber mit einem Trichter oder mit einem Ölbehälter mit Teleskop-Ausgießer lösen.
Es gibt zwei Schwachtpunkte, die mir bekannt sind, und die irgendwann auftreten. Einmal das Lenkkopflager: Es fängt an zu „rasten”. Dann muß es ausgewechselt werden.
Der andere Schwachpunkt ist die Benzinpumpe. Diese ist mit einem Unterbrecherkontakt ausgerüstet. Durch den ständigen Abrißfunken schmelzen die Kontakte, und dann ist die Benzinpumpe in den ewigen Jagdgründen der Fehlkonstruktionen. Es gibt aber Abhilfe um das zu verzögern. Nachlesen kann man das unter www.goes-to.com
Eine schöne Sache ist das Schließsystem. Alle Schlösser von Zündschloß, Sitzbank, Kofferdeckeln und dem kleinen Fach in der Verkleidung lassen sich mit einem Schlüssel bedienen. Aber Achtung, der Schlüssel ist der Hammer. Obwohl er einen Chip besitzt, ist die Konstruktion und die Stabilität das Letzte. Er bricht schnell ab, und wenn das passiert,  gibt es einen neuen Schlüssel für circa 80 Euro! Und jetzt kommt der Hammer an der Sache: Wer Schlüsselabbrecher ist, hat nach dem vierten Schlüssel ein Problem, aber ein Echtes. Laut Händler geht dann mit dem Schließsystem nichts mehr, weil es nur vier Schlüssel anerkennt.
Honda NT 650 V Deauville Die Einstellung von Hauptscheinwerfer und Federbein ist möglich, aber beides nur schlecht erreichbar. Das Wechseln der Kofferdeckel ist ein echter Schrauberakt, macht aber Sinn, denn die schmalen Deckel sind im Normalbetrieb angenehmer, weil sie besser zur Optik passen und beim Rangieren nicht stören. Bei schmalen Durchfahrten ist es das Gleiche, man bleibt nicht „hängen”.
Dagegen bieten die breiten Deckel für die Koffer in Verbindung mit dem großen Topcase so viel Stauraum, daß sich von zwei Personen die Motorradkleidung samt Stiefel verstauen läßt. Ist eine schöne Sache im Sommer. Dann kann man in kurzer Kleidung und Strandschlappen rumlaufen, wenn andere gerade die Schwitz-Kur in ihren dicken Motorradklamotten abziehen.
Die Reifen der Deauville halten etwa 17000 Kilometer. Dann waren sie bei mir fällig. Sonst macht das Motorrad einen guten Eindruck. Anspringen ist bei jeder Wetterlage kein Problem. Im Warmlaufbereich ist der Motor etwas ruckelig, aber das gibt sich recht schnell. Dann läuft der Motor rund und läßt sich ab rund 2500 U/min fahren. Alles andere wie betanken oder aufbocken (ob Seitenständer oder Hauptständer) ist einfach. Die Befestigung vom Tankrucksack ist durch den glatten Tank einfach und schnell. Das Schieben und Rangieren geht für ein Motorrad mit einem Gewicht von rund 250 kg recht gut.
Ob lange oder kurze Strecke, selbst 1600 km an einem Stück haben der Maschine nichts ausgemacht. Wer ein anspruchsloses Motorrad zum Fahren und nicht zum Putzen braucht, halt einen Gebrauchsgegenstand, der ist aus meiner Sicht mit der Deauville gut bedient.