aus Kradblatt 5/17
von Jörg van Senden, penta-media.de
Fotos: Tine & Jogi

Einfach fahren …

Honda NC750X DCT Modell 2017Schon immer war ich ein Faulpelz. Das betrifft insbesondere die Bedienbarkeit von Geräten und Fahrzeugen. Mit Interesse habe ich deshalb bereits 2008 die Yamaha FJR 1300 AS ausprobiert, die mit einer gar nicht so üblen Halbautomatik ausgestattet war. Auch der Honda SH125I Automatik-Roller, den ich seit Jahren nutze um morgens die Brötchen zu holen, begeistert mich durch seine Bedienungsfreundlichkeit und Zuverlässigkeit. Um zu fahren einfach nur Gas geben oder bei Bedarf zu bremsen, aber dafür den Kopf für alles andere um mich herum frei zu haben … wunderbar!

Fehlender Kupplungshebel + FeststellbremseSelber schalten kann Spaß machen, nimmt uns aber einen Teil unserer Konzentration für den Straßenverkehr und die Schönheit der Landschaft um uns herum. Gerade zum Ende längerer Fahrten, bei Regen, Kälte und Dunkelheit merken wir, wie unsere Aufmerksamkeit nachlässt, wie sich kleine Fehler einschleichen, die Schaltvorgänge mit klammen Fingern uneleganter werden. Andere Faktoren kommen hinzu, wenn das Motorrad für Arbeitswege genutzt wird, wenn man mit dem Kopf noch im Büro ist, aber sich doch schon mit dem Motorrad auf dem Heimweg befindet.

Ich möchte euch mit diesem Fahrbericht ermutigen altes Denken und Stammtischgehabe über Bord zu werfen und einfach mal selber auszuprobieren, was mich in den letzten Tagen ungemein begeistert hat.

Wahlschalter für den DCT-Modus S/D/NAuf der EICMA in Mailand wurde 2013 die Honda  NC750X vorgestellt. Sie ist die Nachfolgerin der NC700X, die 2012 als zweite Maschine nach der VFR1200 mit einem automatischen Doppelkupplungsgetriebe ausgestattet wurde.

Auf der NC-Plattform basierend, hat Honda mehrere Motorräder sowie die Roller/Motorrad-Mischwesen Integra und X-ADV im Sortiment.

Interessant ist bei den NC X- und S-Modellen der Stauraum, welcher sich in dem vermeintlichen Tank befindet. In ihm verschwindet locker ein Integralhelm und der übliche Kleinkram, den man sonst auf seine Jackentaschen verteilt, bis die Jacke zu eng wird. Der Tank liegt tiefer, unterhalb der Sitzbank. Das alles ist nicht nur sehr praktisch, es zen­triert auch die Massen und sorgt für einen niedrigeren Schwerpunkt. Der Deckel des Faches ist mit Ösen versehen, so dass bei Bedarf leicht ein Tankrucksack befestigt werden kann.

Befeuert wird die NC750X von einem Parallel-Twin mit 270 Grad Hubzapfenversatz und „nur“ 55 PS bei 6.250 ­U/min. Das klingt zunächst nicht gerade nach Übermotorisierung, aber wir wissen aus Erfahrung, dass Honda sich auf den Datenblättern gerne bescheiden gibt und bei Leistungsmessungen nicht enttäuscht. Die Kollegen des Magazins Reise Motorrad bescheinigten der Honda letztes Jahr auf dem Leistungsprüfstand 58 PS, gemessen an der Kupplung.

Honda NC750X DCT Modell 2017Bis 140 km/h zieht die Honda munter durch, danach wird es etwas zäher. Die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 163 km/h wird auf dem Tacho trotzdem zügig erreicht. Je nach Rückenwind und Gefälle ist deutlich mehr drin.

Bei Honda wurde immer viel Wert auf Fahrbarkeit gelegt. Bei der NC750X ist das sehr gut gelungen. Sie fährt sich trotz ihres hohen Gewichtes von 230 kg vorbildlich einfach. Das kompensiert zu einem gewissen Teil die gering erscheinende Motorleistung. Hinzu kommt, dass der Motor sehr auf Drehmoment im unteren und mittleren Drehzahlbereich getrimmt wurde. Die für seine maximal 68 Nm notwendigen 4.750 U/min müssen im normalen Fahrbetrieb so gut wie nie anliegen. Bei kernigem Auspuffsound schaltet das DCT-Getriebe (DCT = Dual Clutch Transmission) seine sechs Gänge so locker und zügig rauf und runter, dass kaum mehr als 3.000 U/min im Stadtverkehr und auf der Landstraße nötig sind. Das erklärt auch den sparsamen Umgang mit dem Kraftstoff. Ohne sich besonders Mühe geben zu müssen sind Verbräuche unter 4 Liter/100 km realisierbar. Daraus ergeben sich mit dem 14,1 Liter fassenden Tank Reichweiten um die 350 km. Das niedrige Drehzahlniveau bedeutet ca. 65 km/h bei 2.000 U/min und 100 km/h bei 3.000 U/min laut Tacho im sechsten Gang.

Moderne Front: Honda NC750X DCT Modell 2017Die Bedienung der NC750X mit DCT ist sehr einfach. Der Motor wird wie gewohnt gestartet. Das Getriebe steht dabei im Neutral-Modus, was auch mit einem grünen „N“ auf dem Tacho angezeigt wird. Per Schalter wird zum Fahren auf „D“ gewechselt. Zunächst tut sich nichts, außer dass man ein leises Klacken im Getriebe vernehmen kann. Wie beim Automatik-Roller muss nun nur noch gefühlvoll Gas gegeben werden. Der Kupplungshebel fehlt. Gebremst wird wie gewohnt mit Handhebel und Fußhebel auf der rechten Seite.

Alles verläuft weich und präzise. Gefühlvolles Rangieren macht keine Mühe. Die Beschleunigungslinie verläuft linear und berechenbar. Da die Automatik jedoch rote Ampeln, Kurven, Steigungen und Gefälle nicht wie der Fahrer im Voraus sehen kann, besteht bei Bedarf die Möglichkeit per Taster einzugreifen, um z.B. die Motorbremse bewusst zu nutzen. Die Automatik übernimmt danach von selbst wieder die Kontrolle. Ergänzend ist ein Fahrmodus zum rein manuellen Schalten wählbar.

Für die sportlichere Fortbewegung sind drei Fahrprogramme vorprogrammiert. Sie werden als S1 bis S3 angezeigt. Bei diesen Programmen wird das Drehzahlniveau angehoben. Da das Getriebe aber beim kräftigeren Gasgeben auch sonst schnell und willig wie bei einem Kickdown herunterschaltet, ergeben die S-Programme wirklich nur bei sportlichen Ambitionen einen Sinn. Ansonsten erhöhen sie nur unsinnig den Benzinkonsum.

Praktisches Helmfach / StauboxWelches Fahrprogramm gewählt wurde, welcher Gang gerade eingelegt ist, Drehzahl, Geschwindigkeit, Tankuhr und Beleuchtungszustände; alles wird gut ablesbar im LCD-Display des Tachos angezeigt. Dabei ändert sich die Farbe des Displays, abhängig davon wie man am Gasgriff dreht, von einem ökonomischen Grünton, über Beschleunigungs-Blau, bis zu Vollgas-Rot. Leider spiegelt der Tacho etwas. Die Hintergrundbeleuchtung kann farblich individualisiert und an die Umgebungshelligkeit angepasst werden. Da freut sich das Spielkind.

Die neue Showa-Teleskopgabel mit „Dual-Bending-Technologie“ vermindert effizient das Eintauchen bei härteren Bremsvorgängen und vermittelt eine gute Rückmeldung. Einzustellen gibt es am Fahrwerk nichts, nur hinten kann die Federvorspannung an den Beladungszustand angepasst werden.

Tankstutzen unter SoziusplatzFür 830 mm Sitzhöhe sollte die Beinlänge des Fahrers angemessen lang sein, sonst empfiehlt sich eher die nackte NC750S, die technisch nahezu identisch, aber 40 mm niedriger ist. Die Sitzhöhe lässt sich nicht verstellen.

Die Sitzposition ist bequem und reisefreundlich. Allerdings ist die Sitzfläche leicht nach vorne geneigt, so dass ich stets leicht in Richtung Tankattrappe gerutscht bin. Hinter dem inzwischen etwas erhöhten Windschild findet man ein wenig Schutz vor Wind und Regen, zu viel darf man jedoch nicht erwarten. Dafür gibt es mit Verwirbelungen und Windgeräuschen keinerlei Probleme.

Über Design lässt sich immer diskutieren. Die NC750X kommt mit Entenschnabel daher, wie auch die BMW GS oder Ducati Multistrada. Das mag man, oder eben nicht. Der Sinn erschließt sich mir nicht. Vielleicht soll es eine gewisse Geländefähigkeit, angelehnt an die BMW GS suggerieren, die bei dieser, entsprechend ausgerüstet, durchaus vorhanden ist.

Volldigitales Cockpit der NC-ModelleBei der Honda gibt es diese Fähigkeiten nicht wirklich. Dagegen sprechen schon die mit 153 mm vorne und 150 mm hinten zu kurzen Federwege, sowie die serienmäßig aufgezogene Bereifung. Die Dunlop Trialmax D 609 haben zwar kernig aussehende Querrillen, dafür aber bereits auf einer feuchten Wiese oder auf einem matschigem Feldweg kaum Grip. Bereits leichte Gasstöße lassen das Hinterrad mangels Traktion durchdrehen und wegrutschen. Eine Traktionskontrolle gibt es nicht. Da findet die Honda-eigene Einordnung in der Sparte Adventure schnell seine Grenzen.

Das DCT Getriebe hat allerdings das Potential um auch abseits der Straßen nützlich zu sein. Es schaltet und reagiert feinfühlig und vor allen Dingen ohne Kraftunterbrechung zwischen den Schaltvorgängen. Im richtigen Offroad-Motorrad, wie Hondas Africa Twin CRF1000L, sicherlich eine gute Wahl.

Besser On- als Offroad: Honda NC750X DCT Modell 2017Auf der Straße bieten die Dunlop Reifen ein agiles Handling. Mit einem 120er vorne und 160er hinten auf 17 Zoll Felgen lässt sich die NC750X gleichmäßig und willig in Kurven legen.

Wenn es nötig ist packen ihre Nissin ABS-Bremsen gut dosierbar kräftig zu. Obwohl am Vorderrad nur eine Bremsscheibe mit 320 mm die Energie aufnehmen muss, besteht kein Grund zur Klage. Hinten verrichtet eine 240 mm Scheibenbremse unspektakulär ihren Dienst.

Ist der Ausflug vorbei, schaltet man das DCT-Getriebe einfach wieder in Stellung „N“ und dreht den Schlüssel um – aus die Maus. Weil in dieser Stellung die Räder frei drehen, kann bei Bedarf (z.B. zum Parken am Hang) die Feststellbremse am linken Lenkerende angezogen werden. Sie wirkt auf einen separaten Bremssattel am Hinterrad.

Insgesamt hinterlässt die Honda NC750X ein positives Bild. Zu ihren Stärken gehören das innovative DCT Getriebe und die harmonische Abstimmung mit dem Motor. Der Stauraum, die Sitzposition und auch ihre Sparsamkeit mit dem Kraftstoff machen sie zu einem unkomplizierten Alltags-Motorrad mit Reiseambitionen. Ihr unkompliziertes Handling macht sie auch für Anfänger empfehlenswert, was nicht heißen soll, dass Fortgeschrittene nicht auf ihre Kosten kämen.

Echte Schwachpunkte leistet sich die Honda nicht. Natürlich könnte man den Wunsch nach mehr Leistung hegen, der dann auch aufwendigere Bremsen mit sich bringen würde.

Einige Komponenten, wie z.B. die stählerne Kastenschwinge, könnten gegen etwas Hochwertigeres getauscht werden, nicht nur um etwas Gewicht einzusparen, sondern auch um die Optik ein wenig aufzuwerten. Beim Integra geht das ja auch.

Die Folge wäre allerdings ein höherer Preis. Der aktuelle Listenpreis mit Überführung liegt bei 8.415 Euro und ist sicherlich ein guter Kompromiss zwischen Wunschdenken und Bezahlbarkeit.

Die wichtigsten Änderungen:

  • Neuer kompakter Auspuff mit kernigerem Sound
  • DCT mit drei Sport-Stufen
  • Neuer Tacho mit LCD-Display
  • Höheres Windschild
  • Größeres Staufach mit 22 Litern Volumen
  • Ösen für Tankrucksack auf dem Deckel
  • Neue Showa Teleskopgabel mit Dual-Bending-Technologie
  • Euro IV Norm erfüllt

Interessant:

Honda bietet 2017 für die meisten Motorräder aktuell eine ALL-IN-FLAT an. Dabei handelt es sich um ein modellabhängiges Leasingangebot mit Anzahlung, niedriger monatlicher Rate und einer Abschlusszahlung am Ende der Laufzeit, wenn man das Bike behalten und nicht wieder zurückgeben möchte. Die Laufzeit ist auf 3 Jahre kalkuliert. Inspektionen und Garantie für drei Jahre sind inklusive. Ein individuelles Angebot bekommt ihr bei eurem Honda-Dealer.