aus Kradblatt 10/16 von Phil Mühlberger
Fotos: Phil + Honda (Original-NC) • www.garagenhomepage.de
Umstyling einer Honda NC 700 X
Es hat sicherlich seinen Grund, dass man sagt, Honda mache gute Motorräder. Leichtbau und modernes Design war in der Honda Mittelklasse allerdings selten zu finden. Das machen sie nicht. Dabei ist es nicht so, dass sie es nicht könnten.
Wie viele andere, begann ich das Motorradfahren mit leichten Einzylindern der Enduro- und Supermotoecke, sowie mit Motorrollern, und bis heute mag ich solche Motorräder. Das beliebte Konzept „Vierzylindermotor im Motorrad“ war mir dagegen nicht vermittelbar. Das sind einige Gründe, warum Honda für mich lange Zeit als Motorradhersteller unter der Wahrnehmungsschwelle lag.
Aber man wird älter und entspannter. 2011 erweckte die Ankündigung des Integra 700 und der ganzen New Concept Geschichte meine Aufmerksamkeit.
Zum einen widersetze ich mich strikt der unsinnigen Dualität zwischen Rollern und Motorrädern, die um nichts weniger sinnlos ist, als die Unterscheidung zwischen Spaß und Ernst, Pflicht und Kür, Bürofahrt und Feierabendrunde. Das ist Schubladendenken, basierend auf irgendwelchen anachronistischen Merkmalen.
Zum anderen mag ich Motoren wie die der NC Reihe: funktionell, effektiv, wirtschaftlich, haltbar, angenehm zu fahren, mythen- und dogmenfrei. Der Integra 700 wurde von Honda sympathischerweise explizit als Brücke zwischen U(nterhaltung) und E(rnst) vermarktet. Dahinter steckt eine moderne Erkenntnis.
Man kann damit zur Arbeit fahren. Man kann damit Motorradfahren. Man hat Wetterschutz. Man hat ein motorradtypisches Fahrwerk. Er ist kein Einspurauto mit Einbauküche am Heck. Und vor allem: Er hat moderne effiziente Technologie, ein modernes Konzept, eine moderne eigenständige Optik, ist wirtschaftlich und ist gemessen an der Technik preisgünstig.
Jetzt musste man also doch mal genauer hinschauen. Wie fährt das? Macht das Spaß? Kann das was?
Es kam zu mehreren Probefahrten und schließlich zum Kauf … des Schwestermodells, der NC700X DCT.
1000 Euro billiger, 10 kg leichter, fahraktivere Sitzposition, längere Federwege und größerer Gepäckraum. Da wurde es schwierig mit Gegenargumenten. Und klar hätte man nochmal 1000 Euro und 10 kg sparen können mit der manuell gekuppelten Version ohne DCT.
Aber will man beim Straßefahren manuell Kuppeln und Gänge auswählen? Das läuft ohnehin meist reflexhaft ab. Wozu sich überhaupt noch darum kümmern, wenn es die Maschine selbst so effektiv wie bei Hondas DCT tut. Hallo, jeder technik-erfreute Fahrer muss das doch ausprobieren wollen. Wir spannen ja heute auch keine Hafervergaser mehr vor. Manuelle Kupplungsbetätigung ist bei motorsportlicher Fahrweise für Anbremsdrifts, zum Verhindern von Querstehern, bei Offroadbarrieren usw. sinnvoll. Dinge, die mit einer Supermoto oder Enduro ein Thema sind. Für das, was gemeinhin auf öffentlichen Straßen abgeht, sehe ich keine Notwendigkeit dafür und der reale Fahrspaß bestätigt mir das.
Jetzt hast du also endlich eine richtige Honda rumstehen, einen 230 kg Pracker, eine technisch sehr aktuelle Konstruktion mit einem genial zu fahrenden Motor und einem unglaublich praktischen Reisegepäckfach, deren ursprünglich superschöne Konzeptstudie leider vor der Serienproduktion hondatypisch künstlich gealtert wurde.
Herausgekommen ist ein für Honda-Verhältnisse immer noch bemerkenswertes, dankenswerterweise nostalgiefreies Fahrzeug, jedoch auch etwas unangenehmes Pseudo-Premium-Altherrendesign mit BMW Schnabel und Chrom-Ofenrohr. Kein Vergleich mehr zur ursprünglich genialen NC Konzeptstudie.
Dann wieder: Position passt wie angemessen, es fährt sich, trotz der nur 52 PS, selbst bei zügiger Fahrweise stets entspannt, kann gern auch ambitioniertes Fahren locker ab, erhöht die Ausdauer bei Mammut-Etappen, befährt dank des jederzeit gutartigen Fahrverhaltens von Friaul-Kleinststraßen über Landstraßen bis hin zu gewundenen Schotterstraßen alles, bringt das Gepäck für Kurztrips nach Italien ohne die üblichen ausufernden Gepäckschrott-Anbauten unter, und man hat stets diesen angenehmen Anfängerbonus als Fahrer eines „Automatikmopeds“, „Rollers“, „Wiedereinsteiger“, „unsicherer Fahrer“, „Honda macht es Anfängern leicht“, „Fahren ohne Führerschein“. Ideale Voraussetzungen für viel Spaß. Und immer schön den anderen zuwinken beim Anfahren.
Die NC ballert nicht aus Kehren raus wie ein fetter Einzylinder. Das geht damit nicht, und das vermisse ich. 230 kg sind nicht zu verheimlichen und für sich genommen ein No-Go, wenn das Motorrad nicht so geschickt konstruiert wäre. 30–50 kg weniger wären ein gewaltiges Statement, aber das macht Honda eben nicht, und der motorradfahrende Laie kriegt es als Umbau niemals hin ohne in Privatkonkurs gehen zu müssen. Hier schmerzt der Kaufkompromiss. Das Argument des günstigen Kaufpreises und der genialen Technik sticht in meinem Fall.
Jetzt ging es darum, dieses Fahrzeug mit dem tief und liegend eingebauten, dezent bollernden, nervfreien, fahrfreudigen Zweizylindermotor in die eigene Motorrad-Erlebenswelt optimal integrieren zu können, ohne selbst zum Pseudo-Premiumfahrer zu werden.
Nach einem langwierigen, schwierigen und teuren Komplettumbau einer XT660Z waren Mittel, Nerven und Zeit für technische Maßnahmen nicht vorhanden. Die üblichen Standard-Gewichtsersparnis-Kleinigkeiten (Endtopf, Lenkergewichte runter, leichter Kennzeichenhalter) sind drin, ein Navikabel muss dran, aber das ist es. Fahrzeug unverbastelt scheckheftgepflegt kein Tuning.
Das Thema Schnabel und der unangenehme BMW-artige Eindruck in der Vorderansicht vermittels dieser in den Schnabel mündenden schwarzen Seitenteile (immerhin: kein Karodesign) war ungelöst.
Als Laie begann ich, den Gimp (Anmerk. d. Red.: empfehlenwertes, plattformübergreifendes, kostenfreies Programm zur Bildbearbeitung, www.gimp.org) anzuwerfen und mir Gedanken zu machen, ob man dem Fahrzeug durch Umlackierung eine etwas andere Linie verpassen könnte. Statt nach vorne unten in den komischen Schnabel auszulaufen, würde man die aufstrebende Linie vom Motor über Gepäckfach in die rahmenfeste Frontverkleidung und Scheibe betonen, den Schnabel quasi optisch abschneiden.
Wegen der komplexen Segmentierung der Plastikteile war es nicht so einfach möglich, nur den Schnabel selbst irgendwie „wegzulackieren“. Und eine Lackierung der Scheibe kam wegen gelegentlicher Kameraposition am Gepäckfachdeckel nicht in Frage.
Der allererste Ideenspender war das geniale Lucasdesign-Foliendekor auf einer ganz weiß lackierten NC. Keine Pinstripes, kein Repsoldesign, keine Racingflaggen oder Sponsorenlogos, sondern individuell aus dem Grafik-Hut gezaubert, ohne erkennbares motorradspezifisches Statement. Spaß. Fahren. Ganz toll gemacht. Im Frontbereich allerdings der Abwärts-Linie dieser ungeliebten Seitenteile folgend, was ich nicht wollte.
Und so kam es, dass ich mit meinen eigenen Gimp Entwurfsideen zu einem lokalen namhaften Airbrusher ging, den ich Jahre zuvor auf dem Kunstmarkt in unserer Kleinstadt kennengelernt hatte. In Zusammenarbeit mit der besten Lackiererei im Ort entstand dann nach aufwendiger Demontage, Beschleifen und Remontage der Verkleidungsteile das gezeigte ziemlich polarisierende Styling, aufs Feinste gesprüht und dank der guten Arbeit der Lackiererei auch mit hochwertigem teurem Klarlack überzogen, so dass bis heute alles makellos geblieben ist, selbst an den unteren Seitenteilen. Plakativ, hell, technisch, dabei frei von Bikermystik, Romantik, Leichen, Horror sowie Softporno.
Den Motorschutz, die Hinterradabdeckung und die beiden Gepäckfachrippen habe ich aus Kostengründen selbst gesprüht bzw. gebrusht. Dies muss aufgrund der auf den Fotos sichtbaren Farb-Mängeln hinzugefügt werden.
In die Arbeiten zu dieser Lackierung war etwa der Kaufpreis eines Mittelklasse-50er-Rollers geflossen, das ist insofern nicht ganz schmerzfrei.
Ein Jahr nach Fertigstellung wurde nochmals der Gimp bemüht, um ein passendes Muster für den Sitz zu entwerfen, welches mir eine namhafte Sitzbezugsfirma dann in erstklassiger Qualität genau wie gewünscht anfertigte.
Drei beteiligte Firmen, die allesamt super gearbeitet haben: da ist auch Glück dabei.
Der Schnabel ist immer noch dran an der NC, aber es kommt optisch nun anders rüber und parkt sich leichter neben der Supermoto.
Dass die NC Spaß beim Fahren macht, ist dann wiederum Hondas Verdienst. Diesbezüglich sind wir modifikationsfrei. Und auch sonst wird es keine weiteren Modifikationen mehr geben. Mit dem Motorrad wird nur mehr gefahren. Umlackieren eines Neumotorrades gehört zu den sinnlosesten Sachen, die man damit machen kann. Face it.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Honda NC 700 X Design-Umbau”
Ein hervorragender Bericht, für mich nachvollziehbar. Ich werde mich wohl heute von der Pan European St 1300 trennen, was mir nicht leicht fällt. Mir gefällt die Vollverkleidung. Leider gibt es nichts Aktuelles, was auch nur annähernd in diese Richtung geht. Da ich DTC fahren möchte, mir die anderen Maschinen nicht gefallen und die Goldwing so teuer wie ein Auto ist, bleibt „nur“ die NC 750X.
Die Probefahrt war grausig, allerdings mit Schaltung. Wenn man von einem geschmeidigen 4-Zylinder kommt, fährt sich alles andere wie eine Nähmaschine. Was soll’s, man kann nicht alles haben und ich möchte DCT fahren. Also wird es wohl die NC 750X mit DCT. Dass ich der Optik an die Wäsche gehe, steht fest, vermutlich mit einem selbst gezeichneten Itansha.
Das, was ich hier gesehen habe, hat mir sehr gefallen. So hat ein Bike auszusehen und nicht so … gähn.
Ich bin ein optischer Mensch. Mein Ziel, vor der Maschine zu stehen und allein wegen der Optik draufzusteigen. Das wurde hier klar umgesetzt.