aus bma 08/07

von Winni Scheibe

Honda GoldWIng Die Sensation bei der IFMA 1972 war zweifellos die Kawasaki 900 Super 4, kurz „Z1”. Zwei Jahre später sorgte die Honda GL 1000 „Gold Wing” für mächtig Aufregung. Die Supertourenmaschine mit Kardanantrieb war ein weiterer Meilenstein, den Honda in die Motorradgeschichte setzte.
Hondas sensationelle Zweiradkarriere begann 1946 als kleiner Moped-Fabrikant. Mitte der sechziger Jahre war das Werk bereits weltgrößter Motorradhersteller. Mit der CB 72, CB 450 und CB 750 Four stellte Honda alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Bikes gingen als „Meilensteine” in die Motorradgeschichte ein. Als 1972 Kawasaki jedoch die Z1 präsentierte, hatte Honda nichts entgegen zu setzen. Die Antwort ließ aber nicht lange auf sich warten. Zwei Jahre später hieß sie GL 1000 Gold Wing. Im damaligen Wettrüsten innerhalb der japanischen Marken war sie zweifellos ein Bike der Superlative, eine Maschine, wie sie die Welt zuvor noch nicht gesehen hatte. Das 82 PS starke 1000 ccm flüssigkeitsgekühlte Vierzylinder-Boxer-Triebwerk mit OHC-Zahnriemensteuerung war ein wahres Laufruhenwunder, eine Kardanwelle übernahm den Antrieb zum breiten 4.50-H-17 Hinterrad. Dieser mächtige Reifen war zwingend erforderlich, damit man das zulässige Gesamtgewicht von 571 kg (Leergewicht 295 kg) realisieren konnte. Um die über 200 km/h schnelle Maschine sicher zu verzögern, hatten die Techniker dem Über-Bike vorne zwei Scheibenbremsen und hinten eine Scheibenbremse spendiert. Hondas „King of the Motorcycles” sollte in jeglicher Hinsicht die sportliche Kawasaki Z1 übertreffen, aber auch über jenen exzellenten Tourenkomfort verfügen, der bisher nur den BMWs nachgesagt wurde. Das war ein Wort.

 

Honda GoldWIngBis der Supertourer auf den Markt kam, wurde es aber Sommer 1975. Nach der Euphorie kam jedoch schnell die Ernüchterung. Gab es gegen den Motor nichts zu sagen, mußte sich das Fahrwerk massive Kritik gefallen lassen. Ob in langgezogenen Autobahnkurven, über Quer-oder Längsrillen, oder auf schnellen Bundesstraßen, je nach Lust und Laune, begann das Gefährt furchterregend zu wackeln. Schnelles Kurvenfahren und die hiermit verbundene Schräglage mochte das Topmodell überhaupt nicht. Schon bei „ziviler” Neigung setzten Schalldämpfer und Fußraste funkensprühend auf dem Asphalt auf. Daß die GL 1000 nichts für Heizer war, sprach sich blitzschnell herum. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. Zwischen September 1977 und Juli 1978 ereigneten sich mit der GL 1000 drei schwere Unfälle, einer davon mit tödlichem Ausgang, langjährige Gerichtsverfahren waren die Folge. Danach war die Maschine mächtig in Verruf geraten. Kein Mensch sprach mehr vom sportlichen Supertourer, die Honda-Leute am allerwenigsten. Und so wurde 1980 aus der agilen GL 1000 der Luxus-Tourer GL 1100 Gold Wing. Nachdem sie nun ganz klar als Touren-Motorrad hingestellt wurde, regte sich plötzlich niemand mehr über zu wenig Schräglagenfreiheit oder gar über das zu hohe Gewicht auf. Wer sich nun für den Reisedampfer entschied, wusste, auf was er sich einließ. Die Fangemeinde wurde immer größer, und es sollte nicht mehr lange dauern, bis die Gold Wing einen ähnlichen Kultstatus eingenommen hatte, wie man es nur von den Harleys kannte. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine regelrechte GL-Szene, Clubs wurden gegründet, Gold Wing-Treffen veranstaltet. Bald gab es unendlich viel Zubehör, Sinnvolles wie Gimmicks.
Honda GoldWIng Der GL 1100 folgte 1984 die GL 1200 und 1988 kam die vollkommen neu entwickelte GL 1500-6 auf den Markt. Rund 15 Jahre nachdem Honda Anfang der siebziger Jahre die 1470 ccm „AOK” mit wassergekühlten Sechszylinder-Motor als Prototyp gebaut hatte, rollte nun tatsächlich die neue Gold Wing mit solch einem Triebwerk vom Montageband. Schwer und mächtig war der Luxusliner inzwischen geworden, mit allem erdenklichen Zubehör ausgestattet, brachte er stolze 393 Kilogramm Leergewicht auf die Waage. Und da man solch ein Motorrad kaum noch rückwärts schieben konnte, bekam das rollende Appartement sogar, wie nicht anders zu erwarten, einen Rückwärtsgang verpasst…
Eigentlich wäre die Reisemobil-Story hier zu Ende. 2001 hat Honda nun aber den Gold Wing Überhammer mit 1800 ccm und 119 PS auf den Markt gebracht, Motorrad-Urlauber was willst noch mehr…?.

Technische Daten Honda GL 1000 Gold Wing Baujahr 1975
Wassergekühlter Vierzylinder-Boxermotor
1000 ccm, 82 PS bei 7500 U/min,
Doppelrohrrahmen, vorn Doppelscheibenbremse, hinten Scheibenbremse,
295 kg, 200 km/h.