aus bma 06/05

Text: Jens Riedel
Fotos: Riedel, Rudolph

Honda FMX 650 Sie war eine der wenigen echten Überraschungen auf der Intermot 2004. Pünktlich zum Saisonstart rollte sie nun in die Schaufenster der Händler: die Honda FMX 650. Die Neue ist gleichzeitig auch die Rückkehr der Japaner zum großvolumigen Einzylinder, der mit der Dominator bzw. der glücklosen Nachfolgerin SLR verschwand. Die Werbestrategen hatten auf der Münchener Messe viel versprochen und die Erwartungen beim Publikum hoch gesteckt. Die Konstrukteure der FMX haben sie aber mehr als erfüllt. Beim Honda-Pressetag im Bergischen Land stieg niemand von der Maschine ab, der der 650er nicht einen immensen Spaßfaktor bescheinigte. Selbst Anhänger der Vierzylinder-Fraktion kamen mit einem breiten Grinsen unter dem Helm von der Ausfahrt zurück.
Mit der FMX beugt sich Honda – sonst ja eigentlich eher dafür bekannt, selbst Trends zu setzen – dem grassierenden Supermoto-Fieber. Doch die Marke ist und bleibt ein Massenhersteller und zielt auf eine möglichst breite Kundschaft. Daher nennen die Marketingstrategen die FMX lieber „Funmoto”. Und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Selten war eine Motorradbezeichnung so sehr Programm. Hondas Neuling weist einen extrem hohen Funfaktor nicht nur für die Spaßgeneration auf.
Die FMX soll und will sich nicht mit den SM-Ballermännern von KTM und Co. messen und hält sich auch optisch etwas zurück. Dennoch nickt der 640er-KTM-SM-Pilot an der Ampel in Siegburg freundlich herüber. Gemeinsam wird dann bei Grün das Gas aufgerissen und zumindest auf den ersten 30 Metern hält die Honda locker mit. Es macht einfach eine Heidenlaune: Gas auf, Gas zu, Gang rein; Gas auf, Gas zu, Gang rein; Gas auf, Gas zu usw. usf.. Die Schaltwege sind sportlich kurz, und die Zahnräder rasten jederzeit präzise und klaglos ein. Zum satten Schub gesellt sich ein herrlich kerniger Einzylindersound aus zwei vorne kunstvoll geschwungenen Schalldämpfern. Die dicken, mit U-Kats bestückten Edelstahl-Endrohre, täuschen jedoch. Dort, wo gemeinhin zum Halali geblasen wird, sind sie mit einer schwarzen Kappe verschlossen. Die Honda atmet aus zwei kleinen, seitlich angebrachten Löchern aus, die auf den ersten Blick gar nicht ins Auge fallen.

 

Honda FMX 650 Der FMX-Pilot muß ohne Drehzahlmesser auskommen – und kann es auch getrost. Der 644-Kubik-Motor zeigt sich dank Ausgleichswelle sehr gnädig. Kettenschlagen, Absaufen oder Schüttelfrost sind dem Triebwerk bei zu knapp bemessener Drehzahl fremd. Der Kolben klopft lediglich etwas kräftiger an um zum Hochschalten zu ermahnen, ohne daß die mechanischen Geräusche gleich Gefahr signalisieren. Umgekehrt spielt das Triebwerk nach oben ebenfalls klaglos mit. Auch bei 100 km/h im Dritten stimmt der Motor mit seinem gut nutzbaren Leistungsband noch kein Klagelied an. Natürlich klingen 38 PS nicht gerade berauschend, aber sie werden gut umgesetzt. Bekanntermaßen ist reine Leistung ja nicht alles. Mit zum erfreulichen Temperament der Honda trägt zum Beispiel das niedrige Trockengewicht von nur 163 Kilogramm bei. Das Leergewicht liegt sieben Kilo darüber und verteilt sich nahezu ideal auf Front- und Heckbereich. Satte 52,3 Newtonmeter Drehmoment stemmt die Honda bei 4500 Umdrehungen. Die Höchstleistung des luftgekühlten Vierventilers mit Gleichdruckvergaser liegt dann bei 5750 U/min an. Selbst im fünften und letzten Gang schiebt die FMX ab Tempo 80 bis an 120 km/h noch spürbar voran. Erst jenseits dieser Geschwindigkeit beginnt dann der Bereich, in dem man sich auf der FMX untermotorisiert fühlt.
Doch für Dauertempo auf der Autobahn ist die Honda ja auch nicht konzipiert. Auf kurviger Landstraße läßt sie dafür so manches großvolumiges Modell stehen. Zielgenau fegt die FMX ums Eck. Die Ruhe, die sie dabei an den Tag legt, ist beeindruckend. Das Fahrwerk zeichnet sich durch eine traumhafte Spurstabilität und kinderleichtes Handling aus. Wer sich trotzdem verschätzt, bringt die Fuhre blitzschnell wieder auf Korrekturkurs. Selbst bei mutwillig herbeigeführtem leichtem Lenkerschlagen ist die Spaßmaschine auch bei Tempo 100 kein Wackelkandidat. Ein kleines Stück Eigenleben spürt der Fahrer nur beim Aufrichten aus Schräglage, wenn die FMX leicht Richtung Kurvenäußeres drängt. Aber das kann einem ja nur Recht sein, wenn man grade dicht Mittelstrich entlang gezogen ist.
Honda FMX 650 Die serienmäßig aufgezogenen 17-Zoll-Niederquerschnittpneus vom Typ Pirelli MTR geben keinen Anlaß zu Kritik. Gleiches gilt für die Stopper. Vor allem die vordere Zweikolben-Einscheiben-Anlage vermittelt stets ein sicheres Gefühl. Honda hat mit Blick auf die angepeilte jüngere und etwas unerfahrenere Kaufklientel am Hinterrad bremstechnisch etwas Milde walten lassen. Die 220er-Scheibe könnte für erfahrenere Reiter durchaus ein deutlicheren Druckpunkt und mehr Biss vertragen.
Die Sitzposition ist auf Anhieb angenehm. Wer nicht ganz in Supermotohaltung auf den Tank rutschen möchte, findet in der Mitte des Polsters eine angenehm entspannte Haltung. Die dort angebrachte Halteschlaufe stört dabei nicht. Sie wird nach dem Absitzen dankbar für das Abstellen und Rangieren zur Hand genommen, da die schlanke und glatt gestylte Maschine ansonsten keine geeigneten Griffmöglichkeiten bietet. Für den Soziusbetrieb hat der Gurt ohnehin nur eine Alibifunktion, denn für die traute Zweisamkeit ist die FMX nicht unbedingt erste Wahl.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die etwas zu hart abgestimmte Federung. Vor allem auf Feldwegen mit Bodenwellen wünscht man sich eine etwas weichere Abstimmung, um bei schnellerer Gangart nicht ständig auf den Fußrasten stehend über die Piste brettern zu müßen. 216 Millimeter Bodenfreiheit sowie 218 Millimeter Federweg vorn und 186 mm hinten sind durchaus ein Argument für den Abstecher abseits des Asphalts. Die Sitzhöhe von 87,5 Zentimeter ist eine Menge Holz, zumal das Polster angenehm breit ausfällt. Als Originalzubehör wird aber eine um zwei Zentimeter niedrigere Sitzbank angeboten. Handprotektoren, ein peppig beschrifteter Sitzbezug und ein passender Gepäckträger werden ebenfalls zusätzlich offeriert.
Honda FMX 650 Verlockende 5790 Euro verlangt Honda laut Preisliste für die FMX 650. Da kann die direkte Konkurrenz bei weitem nicht mithalten, für die mindestens ein paar Hundert-Euro-Scheine mehr fällig werden. Dabei gibt es an der Ausstattung nichts zu mäkeln. Mit an Bord sind schwarz eloxierte Alu-Felgen, ein Lenker aus gleichem Material vom britischen Spezialisten Renthal, und vorne hält eine Upside-Downgabel mit üppigen 45 Millimetern Gleitrohrdurchmesser den Kontakt zur Fahrbahn. LED-Rückleuchte und Klarglasblinker gehören ebenfalls zum modernen Erscheinungsbild. Die Verarbeitung der FMX ist auf gewohntem Honda-Niveau. Lediglich das Schaumstoffpolster für den Lampenschirm paßt da nicht so recht zum gehobenen Anspruch.
Der Choke liegt praxisgerecht am linken Lenkerende, wo sich für den Fall des Falls auch ein Schalter für die serienmäßige Warnblinkanlage findet. Das Instrumentarium ist extrem übersichtlich: Ein farblich passend abgestimmter Analogtacho und Kontrolleuchten für Fernlicht, Blinker und Leerlauf – das war’s. Braucht jemand wirklich mehr? Mit elf Litern ist das Spritfaß nicht gerade üppig, aber für den Einsatzzweck ausreichend groß. Der schwere Tankdeckel ohne zusätzliche Befestigung gehört hingegen zu den wenigen kleinen Details für die Rubrik „verbesserunsgwürdig”. Auch die Ausleger für die Rückspiegel könnten ein par Millimeter mehr vertragen.
Honda zielt mit der FMX nicht nur preislich, sondern auch konzeptionell, klar auf eine jüngere Kundschaft. So manche Funmoto dürfte aber wegen ihres verlockenden Preises mit Sicherheit auch an ältere Biker gehen, die einfach einmal wieder die pure Lust am Motorradfahren ohne unnötigen Ballast erleben wollen. Harz und Weserbergland laden in unseren Breitengraden jedenfalls geradezu zum euphorischen Ritt auf Hondas neuer Funmoto ein.