aus Kradblatt 8/14
von Volker FahrLässig

 

Ganz schön runter gekommen…

Honda CRF 250 LSage und schreibe 33 Jahre sind vergangen, seit auf dem Ciao Mofa meines Vaters meine motorisierte Zweiradkarriere startete. Diese Konfrontation mit der unbändigen Kraft eines 1,1 PS Automatikmofas sollte sich stetig in Richtung mehr Fahrdynamik steigern und gipfelte in der ebenso geilen wie unvernünftigen Investition in eine Tuono und letztlich in eine Duke, die ich auf unseren vielen kleinen und kleinsten Bergstrecken an der Mosel immer noch allzu gerne an mein Limit treibe.

Meiner zweiten Leidenschaft, dem schotterorientierten Motorradreisen und dem Wissen, das hinter jeder engen Kurve gewisse Restbestände des Ungewissen lauern, ist es zu verdanken, dass ich zunehmend Gefallen an der Leichtigkeit des Seins unterhalb der 100 kW und 150 kg Grenze finde. Wer schon mal bei 35°C++ im nicht vorhandenen Schatten eine südeuropäische Stadt, eingepfercht zwischen Tankrucksack und Gepäckrolle lustig vor sich hin dehydrierend, queren musste, wird nachvollziehen können, warum ich mir für diesen Zweck einst eine luftig leichte Honda 650 SLR umgebaut hatte.

Honda-CRF250L-offroadUnd nun steht dieses rot-weiße Plaste Ding hier gleich zweimal in der Garage und die Frage im Raum, wie es dazu kommen konnte. Schuld ist wie immer meine Göttergattin, die noch lange vor mir realisiert hat, dass es irgendwo im kroatischen Wald oder auf diversen Grenzkammstraßen viel lustiger und entspannender ist, wenn man das Gewicht seines Motorrades gut beherrschen kann und nicht gleich bei jedem Gasstoß eine Schlammfontaine auslöst oder einen das Hinterrad überholen möchte.

Die Entscheidung für eine der wenigen Maschinen im dank „Großenduro-Wahn“ sehr überschaubar gewordenen Marktsegment ist nicht ganz leicht gefallen. Eine Sportenduro kam schon wegen der kurzen Serviceinter­val­­le und dem Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten für Gepäck nicht in Betracht. Für die Beta 4.0 spricht ihre geringe Höhe, Baubreite und der bewährte 350 Motor. Die Yamaha WR 250 R wirft neben der höchsten Leistung noch ihr geringes Gewicht in die Waagschale und die Kawasaki KLR 250 punktet durch die ihr eigene Ausgewogenheit. Letztlich wurde es die Honda, da die kleine CRF neben dem besten Gesamtkonzept, der weltweiten Verbreitung und der modernsten Konstruktion auch noch den freundlichsten Einstandspreis in bewährter Qualität zu bieten hat.

Honda-CRF250L-MotorschutzNatürlich sollte man, wenn man ernsthaft im Dreck damit toben will oder vor der Eisdiele ernst genommen werden soll, noch die üblichen Anbauteile wie Handprotektoren, Motorschutz, klappbaren Schalthebel usw. nachrüsten. Das ein oder andere Gadget wie z.B. die breiten Fußrasten, auf denen es sich vortrefflich stehend reiten lässt, bringt die CRF für schlappe 4000 Euronen bereits mit. Das Angebot an Anbauteilen ist zumindest in den USA schon recht breit aufgestellt und untermauert den Stellenwert, den solche Motorräder außerhalb Europas mittlerweile genießen.

Ich hatte mich für eine CNC-gefräste Alu-Gepäckbrücke aus den USA/Thailand, einen starken Motorschutz aus Aluminium und die bewährten Integral Handprotektoren entschieden. Dazu wurden für den Winterbetrieb noch Oxford Heizgriffe montiert. Diese und alle weiteren Modifikationen sind in meinem Blog http://feldweg-streuner.blogspot.de/ genau beschrieben.

Honda-CRF250L-Gepaecktraeger

Kaum in der Garage fertig, ging es ab auf den Hänger und nach Sardinien, um die neue Leichtigkeit ausgiebig zu genießen. Und wie man die genießen kann. Die großen Räder und das spielerische Handling lassen einen fast über Bodenunebenheiten und Schotter fliegen. Die Maschine vermittelt einem vom ersten Moment an das sichere Gefühl, jederzeit Herr der Lage zu sein. Die schmal bauende Sitzbank-Rahmen Konstruktion ermöglicht auch nicht so groß gewachsenen Fahrern sicher den Boden zu erreichen. Leute bis knapp 180 können ohne Anheben des Lenkers direkt im Stehen fahren. Die Sitz- als auch Standposition sind fast perfekt. Der Motor läuft zuverlässig in allen Lagen ohne Mucken und Aussetzer. Er zerrt für einen 250er von unten kräftig aber ohne Spitzen bestens kontrollierbar an der Kette. Das ganze Paket bietet so auf losem Untergrund viel Traktion und wird auch den Enduroanfänger sicherlich weder überfordern noch im Stich lassen.

Die für meine Begriffe im Straßenbetrieb etwas zu zahnlose Vorderradbremse wird im Gegenzug dem ungeübten im Gelände so manche Schrecksekunde ersparen. Dafür ist die Lichtausbeute für eine Enduro geradezu Spitzenklasse und absolut auch für Nachtfahrten geeignet.
Das Fahrwerk geht mit seiner eher noch ungewöhnlichen Vorderradführung (ein Gabelholm trägt die Feder, der andere den Dämpfer) recht komfortabel mit seinem Piloten um. Kritik verdient nur das Setup der Hinterhand unserer ersten CRF, da dieses Modell hinten überdämpft wirkt und sich die Feder sehr schnell setzte. Uns kam das entgegen, da wir das etwas durchhängende Heck mit durchstecken der Gabelholme kompensieren konnten und somit die Sitzhöhe etwas absank. Lustigerweise zeigt das Federbein der später ergänzten CRF dieses Verhalten nicht. Das Rahmenheck fällt recht stabil aus, was dem Reisenden sehr entgegen kommt. Das Rahmenlayout ist so üppig geraten, dass man eher eine 650er erwartet und im Rahmen stecken sicher Reserven für mehr Leistung und mehr Zuladung.

Honda-CRF250L-rechtsFür meinen Geschmack ist die Maschine insgesamt zu lange übersetzt, was sich mit einem Zahn weniger auf dem Ritzel wunderbar abfangen lässt. Kürzer übersetzt erreicht sie dann auch zuverlässig Geschwindigkeiten über 130 km/h (Tacho). Reisegeschwindigkeiten um die 120 km/h sind kein Problem. Objektiv betrachtet ist man also kaum langsamer als mit einer luftgekühlten 650er, die bei längeren Passagen auf der Autostrada gerne mal etwas zu heiß wird. Das Fahrwerk bleibt auch jenseits der 100 km/h stabil, wobei eine leichte, hochbeinige Maschine auf äußere Einflüsse natürlich stärker reagiert als ein 6 Zentner Tourer.

Die Verarbeitung ist in diesem Preissegment mustergültig. Alles passt, ohne zu klappern und zu rasseln. Die Anbauteile sind guter japanesischer Standard und nach zwei Wochen in der Gischt einer der Naturbesalz- ungsanlage Sardiniens, zeigte sich an den Rändern der Bremsscheibe und an einigen Schraubenköpfen nur leichter Rostansatz.

Ärgerlich ist jedoch die linke Lenkerarmatur, bei der die Positionen von Blinkerschalter und Hupe vertauscht sind. Diesen Nonsens hatte ich schon an der Tuono und nach einigen Feldversuchen in diversen Innenstädten hat sich herauskristallisiert, dass mehr als 98 % aller Passanten es nicht lustig finden, an Kreuzungen von Motorradfahreren, die ihren Blinkerschalter mit der Hupe verwechseln, zu Tode erschreckt zu werden.

aufgewickelter ZweigNun was fehlt? Was ich am schmerzlichsten vermisse, ist der dumpfe Sound meiner 650er, denn was da hinten serienmäßig aus der CRF säuselt, reicht nicht, um in schweren Geländepassagen zu erkennen, ob der Motor noch läuft oder nicht. Aber auch hier gibt es Abhilfe und der von mir gewählte Arrow Dämpfer bläst dem Auditorium an der Eisdiele zwar nicht gerade die Schokostreusel vom Bananasplit. Dennoch nimmt man die Lebensäußerungen des Triebwerks recht ordentlich wahr, ohne dass der Oberförster im Gemeindeforst schon aus 5 km hört, dass es Zeit ist, die Flinte durchzuladen.

Den kleinen 7,7 Liter fassenden Tank hielt ich anfangs für einen schlechten Witz. Im Normalbetrieb hat er sich dennoch als dicke ausreichend gezeigt, denn mit Verbräuchen von maximal 3,6 Litern (Autobahn annähernd Dauervollgas) bis deutlich unter 3 Litern (Landstraße im Urlaubsmodus) bewegt sich der Spritkonsum auf einem geradezu lächerlich niedrigen Niveau. Verlässlich 240 km schafften wir auf dem Rumänientrip, bevor wir wieder an die Säule mussten.

Der serienmäßige Reifen (IRC) ist ein Knüller und überzeugt mit ausreichend Laufleistung und Nassgrip. Dummerweise gibt es ihn in Europa nicht käuflich zu erwerben und so folgte ihm ein Heidenau K60. Der Reifen macht die Maschine noch einen Tick agiler und geht auch im Gelände recht ordentlich. Im Schlamm sind beide nicht zu gebrauchen, was man im Profilvergleich mit einem K 69 gut erkennen kann.

Honda-CRF250L-am-MeerTechnische Daten? Langweilig! Wenn du dir so eine Maschine anschaffen willst, dann spielt es eine untergeordnete Rolle, ob sie 10 kg schwerer oder leichter, 3 PS stärker oder schwächer ist. Du musst dich draufsetzen und das Motorrad muss Papa zu dir sagen. Kniewinkel, Abstand zum Lenker usw. müssen passen. Die Sitzbank muss erstmal nicht bequem wirken. Gut ist wenn du komfortabel mit leicht angewinkelten Knien drauf stehen kannst und dabei deinen ******* (zensiert) bis fast an den Lenkkopf schieben kannst und mit dem Popo bis an den Gepäckträger kommst. So meistert man die LGK (Ligurische Grenzkammstraße) oder den Sommeiller.

Die Frage, ob man mit der Maschine auf große Fahrt gehen kann, lässt sich nicht so pauschal beantworten und hängt davon ab, was man denn erleben möchte. Will ich eben mal in die Dolomiten, um dort komfortbefreit ordentlich die Sau raus zu lassen, dann würde ich eher die Duke empfehlen. Steht das Endurowandern mit Gepäck, vielleicht sogar in der Gruppe, im Vordergrund, gibt es zur Zeit kaum ein geeigneteres Fahrzeug, das sich mit drei Worten beschreiben lässt

Fahr-spaß!!!
Ja, kaum zu glauben, es macht irre Spaß, mit dem Mopped über enge Straßen zu bügeln. Schnell verinnerlicht man es, da wo die Kumpels mit ihren 180ger Schlappen raus und runter müssen, einfach innen an der weißen Linie lang völlig tiefenentspannt durchzufegen und freundlich zu winken. Ja, es ist ein klasse Gefühl, wenn du nach einer hart umkämpften Freundschaftstour absteigst und unter den fassungslosen, von den Gedanken an die Badewanne geprägten, Blicken der Mitstreiter den Hotelier nach den Öffnungszeiten der Dorfdisco fragst.

Er-fahren!
Ein leicht zu beherrschendes Motorrad macht mutig. Man wird sich damit Regionen erfahren, die man früher maximal im Geländewagen oder zu Fuß besucht hätte. Und ihr könnt mir glauben, da gibt es viel Lohnendes zu entdecken, das man auf anderen Motorrädern einfach am Straßen- oder Wegesrand übersieht.

Geh-lassenheit!
Du interessierst dich auf diesem Motorrad keine Sekunde dafür ob, wer und wie man dich überholt und sagst dir nur „Geh lass ihn halt“.

So schließt sich der Kreis. 33 Jahre sollte es dauern, so weit runterzukommen, um dasselbe unbeschwerte Gefühl zu genießen, wie bei meiner ersten Fahrt ohne Führerschein und Helm mit der Nase im Wind… damals im Sommer 1980.