aus bma 8/99

von Jens Rother

Schon immer spielte ich mit dem Gedanken (als ansonsten überzeugter Endurofahrer), einmal einen Kardantourer auszuprobieren. Wie der Zufall es so wollte, wurde mir eines Tages genau ein solches Fahrzeug angeboten. Diese Honda CBX 650 E hatte zwar einen angeblichen Motorschaden, aber mit meinen bis dahin gesammelten Schrauberkenntnissen an Einzylindern dachte ich, so schwer kann ein Vierzylinder auch nicht zu reparieren sein – na ja. Honda CBX 650Bei der Besichtigung hörte sich der Motor dann auch an wie ein Betonmischer, und ich erstand die ’84er CBX mit 47.000 km Laufleistung für wenig Geld. Nachdem ich sie in heimischen Gefilden nochmal genauestens in Augenschein genommen hatte, fand sich, versteckt auf dem Motorblock liegend, eine kleine Gemischregulierungsschraube mit Feder. Was für ein Glück, nachdem diese gereinigt und wieder in den geschwächten der vier Keihin-Vergaser eingesetzt war, lief der Motor einwandfrei. Die Kompressionsprüfung ergab durchschnittlich 10 bar Druck auf allen Zylindern und auch die Zündkerzen zeigten ein gutes Verbrennungsbild. Von wegen Motorschaden! Ich wechselte das Öl mit -filter, tauschte ein paar Kleinteile aus und fixierte das im aufgeweiteten Sitz lockere Hinterradlager mit Kaltmetall. Das alles geschah durch die fast einjährige Abmeldezeit etwas unter Zeitdruck, und ich schaffte es gerade so am letzten Tag bevor der Brief ablief zum TÜV (war natürlich längst fällig). Nach der mängelfreien Abnahme meldete ich den unverkleideten Tourer an, und viel schneller als erwartet kam der Fahrgenuß auf mich zu.

 

Die CBX wurde von Honda 1983 als Gegenmittel zur enorm erfolgreichen Yamaha XJ 650 auf den Markt gebracht. Allerdings funktionierte das nicht so recht. Obwohl technisch ausgereift, kam das auf den amerikanischen Geschmack ausgerichtete Styling hier offensichtlich nicht so gut an. Die Honda wirkt recht langgestreckt und das 19 Zoll-Vorderrad in Verbindung mit dem hinteren Sechzehnzöller verstärken den Choppereffekt. Die Reifengrößen wirken im Vergleich zu den heutigen breiten „Puschen” zierlich (100/90 H 19, 130/90 H 16), verleihen der CBX in Verbindung mit der Fahrwerksgeometrie aber auch eine relativ gute Handlichkeit. Allerdings ist hierbei ein leichtes Hochgeschwindigkeitspendeln zu bemängeln. Die nachträglich eingetragenen Metzeler ME 33/77 fuhren sich in allen Situationen überzeugend (aber hoher Verschleiß) und übertrugen auch die enormen Brems-kräfte der vorderen zwei Scheiben mit Doppelkolbenbremszangen hervorragend, die hintere Trommel unterstützte hierbei mit akzeptablen Werten. Die 39 mm starke Telegabel mit 160 mm Federweg sprach – im Gegensatz zu den bockharten Federbeinen hinten (110 mm Federweg) – sehr sensibel an. Völlig wirkungslos blieb das vorhandene vierfach einstellbare Anti Dive-System (TRAC-Ausführung), welche das Eintauchen der Gabel beim Bremsen verringern sollte. Die Sitzposition für den Fahrer ist recht entspannt – aufrecht, mit ausreichend großem Beinwinkel und relativ breitem Lenker. Beifahrer müssen dagegen eine eher sportlich verkrampfte Haltung ertragen.
Honda CBX 650Ein schönes Stück ist der luftgekühlte, mit einem Ölkühler versehene, naßsumpfgeschmierte 656 ccm-Reihenvierzylinder (BxH, 60×58 mm). Als direkter Vorgänger der CBX 750 F und CB 750 Seven-fifty verfügte er schon damals über den im Motorradbau viel zu selten eingesetzten hydraulischen Ventilspielausgleich. Der DOHC-Motor produziert 75 PS bei 9500 U/min und ein Drehmoment von 59 Nm bei 8000 U/min und fällt durch die hinter den Zylindern angeordnete Lichtmaschine sehr schmal und kurz aus. Leider waren die ersten Baujahre mit einem zu schwachen Lichtmaschinenkettenspanner ausgerüstet, so daß bei einem eventuellem Wechsel desselben der komplette Motor auseinandergebaut werden muß. Dies ist bei einer Werkstattreparatur natürlich sehr kostspielig. Durch die Gummilagerung des Sechzehnventilers treten nur geringe Vibrationen auf und auch die mechanischen Geräusche halten sich in leisen Grenzen. Die vorhandenen sechs Gänge werden über eine hydraulische Kupplung betätigt und sind sehr gut abgestuft. Um schnell zu überholen, müssen zwar ein oder zwei Gänge zurückgeschaltet werden, der dadurch entstehende Sound entschädigte mich aber immer für diese Durchzugsschwäche. Wobei ich hier nur von der bei meiner CBX montierten BSM 4in1-Anlage sprechen kann (original: 4in2). Diese hat einen schön dumpfen Klang und ist nicht zu laut bzw. aufdringlich. Der sechste Gang ist als Overdrive ausgelegt und ermöglicht ein Dahingleiten bei niedrigen Drehzahlen. Allerdings läuft sie dann nur maximal 150 km/h; für die Höchstgeschwindigkeit von knapp 190 km/h muß schon der fünfte Gang rein. Doch aufgrund der fehlenden Verkleidung und des damit vorhandenen Winddrucks pendelt sich die Dauergeschwindigkeit sowieso weit darunter ein.
Die 217 kg schwere Honda verbrauchte bei ruhiger Fahrweise mit gemischtem Betrieb circa 4,5 Liter Normalbenzin, wobei schnellere Fahrer wohl von zwei Liter mehr ausgehen können. Ein Ölverbrauch war über die gesamte Distanz nicht meßbar. Die geringen 16,5 Liter Tankinhalt reichten bei mir für gute 350 km Reichweite. Die digitale Balken-Anzeige im eckigen „Millimeter-Papier”-Cockpit zeigte dabei alles mögliche an, nur nicht den korrekten Benzinstand. Weiterhin enthält das Kombi-Instrument alle gängigen Funktionen sowie eine Ganganzeige und eine Rücklichtkontrolleuchte. Begeistert war ich auch von dem erstklassigen H4-Licht und den geringen Kardanreaktionen – endlich kein Schmieren und Spannen der Kette mehr. Weniger begeistert war ich von der geringen Bodenfreiheit, welche sich mir durch ein häßliches Kratzen und Krachen der Auspuffanlage beim Runterfahren von einem schnöden Bordstein sofort ins Gedächtnis rief.
Ich fuhr die CBX nur eine Saison über ein paar tausend Kilometer, da mir bei allen Vorzügen ein Straßenmotorrad nicht so recht zusagte und natürlich auch der erzielbare Verkaufspreis lockte. Wer aber einen wartungsarmen Kardantourer mit dem etwas anderen Aussehen sucht, kann auch heute noch fündig werden. Die ungefähr fünf Jahre in weiß, schwarz und rot (jeweils mit farbigem Dekor) verkaufte CBX wird relativ häufig auf dem Gebrauchtmarkt angeboten und kostet je nach Zustand, Laufleistung und Zubehör-Ausstattung zwischen 2.500 und 4.000 DM. Diesen teilweise hohen Preis ist die Honda zweifelsfrei wert und damit immer noch eine günstige Alternative zu den heutigen „Neo-Klassikern” Zephyr, Bandit, Seven-Fifty und Co.