aus Kradblatt-Ausgabe 6/24, von Tine & Jogi, penta-media.de
… ohne E-Clutch
Eigentlich wollten wir die neue Honda CB 650 R mit auf den Heidbergring nehmen, aber da die Schifffahrtswege zurzeit nicht nach Länge, sondern nach Sicherheit ausgewählt werden, kam sie leider später als ursprünglich geplant bei unserem freundlichen Honda Händler in Kaltenkirchen an und konnte nicht auf die Schnelle angemeldet werden. Wir hatten nämlich vor, Hondas neue Elektro-Kupplung „E-Clutch“ auszuprobieren. Das holen wir natürlich nach. Die Firma Honda Motofun hat uns deshalb die Schlüssel einer CBR 650 R in die Hand gedrückt, die die verkleidete Schwester unseres Wunschmodelles darstellt.
Traurig war ich darüber nicht, denn ich hatte die Vorgängerin CBR 650 F aus dem Jahre 2015 mehrere Jahre mit Begeisterung gefahren und war neugierig, was sich inzwischen verändert hat. Japaner haben bekanntlich einen Hang zur permanenten Verbesserung und Perfektion.
Optisch hat sich das Gesicht der Neuen an das der aktuellen Honda Fireblade angeglichen und die Beleuchtung wurde voll auf LED umgestellt.
Der alte LED-Tacho wurde gegen ein 5 Zoll TFT Farbdisplay ausgetauscht, das deutlich besser abzulesen ist und auch keine Schwächen bei Sonneneinstrahlung zeigt. Mit dem Schalter am linken Lenkerstummel lässt sich quer durch ein überschaubares Menü navigieren.
Sitzposition und Lenkerhöhe sind praktisch unverändert. Mit 810 mm Sitzbankhöhe kommt der Durchschnitts-Teutone prima klar.
Die Bremsen, natürlich mit ABS, aus dem Hause Nissin verrichten gut dosierbare Arbeit mit vorderer 310 mm Doppelscheibenbremse und radial befestigten Vierkolbenbremszangen. Hinten findet sich eine Einscheibenbremse mit Einkolbenbremszange. Auf das modische Wave-Design der vorderen Bremsscheiben der Vorgängerin wurde verzichtet.
Der Motor ist das Sahnestück der Honda. Mit vier Zylindern läuft er turbinengleich und begeistert durch seine enorme Elastizität. Für Schaltfaule lässt er sich ohne Knurren ab 45 km/h im 6.Gang gefühlvoll bis zum Anschlag hochdrehen. Anschlag bedeutet laut Datenblatt 197 km/h. Da Honda erfahrungsgemäß immer gerne untertreibt, darf man von über 200 km/h auf dem Display ausgehen. Selbst im oberen Drehzahlbereich sind keine störenden Vibrationen zu spüren. Das ist auch gut so, denn der Motor braucht Drehzahl, wenn man Leistung abfordert. 63 Nm Drehmoment verspricht Honda bei 9.500 U/min. Unterhalb von 6.000 Touren brennt da kein Feuerwerk. Um gut im Verkehr mitschwimmen zu können ist es okay, aber wenn man Leistung fordert, dann ist es vorbei mit der Schaltfaulheit. Um die vollen 95,2 PS aus dem Motor herauszulocken, bedarf es 12.000 U/min. Die Vorgängerin lieferte 87 PS bei 11.000 U/m, drehte in der Praxis jedoch deutlich über 12.000 U/min hinaus und dürfte somit auf ähnlichem Niveau gelegen haben. Gefühlt hat sich in puncto Leistung also nichts Gravierendes getan. Die leichten Vibrationen im oberen Drehzahlbereich sind hingegen verschwunden.
Honda gibt den durchschnittlichen Verbrauch mit nach WMTC mit 4,9 Litern je 100 km an. Wir haben auf unserer Probefahrt nur 4,4 Ltr. gemessen. Das geht bestimmt noch niedriger. Für einen relativ hochdrehenden Vierzylinder mittleren Hubraumes ist das auf jeden Fall in Ordnung. Meine alte CBR 650 F lag im Schnitt bei 4,6–4,7 Litern auf 100 km. Entsprechend des gesunkenen Verbrauches wurde das Tankvolumen von 17,3 auf 15,4 Ltr. reduziert. Die Reichweite von 350 km blieb somit erhalten.
Mit geringerem Tankvolumen verringert sich natürlich auch das Gewicht der vollgetankten Maschine von 211 kg auf 208 kg. Mit der neuen, optional erhältlichen „E-clutch“ liegt das Gewicht dann aber wieder bei 211 kg.
Das 6-Gang Getriebe lässt sich japanisch-präzise schalten. Böse Geräusche sind ihm dabei völlig fremd. Die Ganganzeige im TFT-Display verhindert jetzt, dass man aus Versehen versucht in einen imaginären 7. Gang zu schalten. Da man nicht permanent auf das Display schaut, habe ich es natürlich trotzdem versucht.
Die Maschine rollt nach wie vor auf 17 Zoll Bereifung. Ein fetter 180er Dunlop Roadsport 2 hinten, ein 120er vorne. Das sieht gut aus und fährt sich auch so.
Die vordere Radaufhängung ist eine nicht einstellbare Showa 41 mm SFF-BP Upside-down-Gabel, die hintere eine Schwinge mit Monostoßdämpfer. Die Sache fühlt sich recht straff an und funktioniert auf Anhieb, ohne dass ich Änderungswünsche hatte. Messerscharf und präzise lässt sich die CBR um die Ecke führen.
Traktionskontrolle und Anti-Hopping-Kupplung sind serienmäßig an Bord. Serienmäßig klingt auch der Auspuff recht sportlich, insbesondere im oberen Drehzahlbereich. Im unteren Bereich gibt er sich angenehm unauffällig.
Fazit: Die neue Honda CBR 650 R hat auch ohne „E-clutch“ in vielen Punkten Verbesserungen und Veränderungen erfahren. Im Kern ist das Motorrad seinem gutmütigen Charakter treu geblieben und mit 10.390 Euro inkl. Überführung ein faires Angebot. Eine Drosselung auf 35 kW ist für Besitzer eines A2 Führerscheines möglich.
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