aus bma 10/07

von Jens Möller

Honda CBR 600 RRZack, einmal kurz an der Uhr gedreht und Vorhang auf zur IFMA in Köln. Der von 1986 wohlgemerkt. Da stand sie zum ersten Mal, die Honda CBR 600. Das Motorrad, das den Begriff „Joghurtbecher” ob seiner für damalige Verhältnisse opulenten Verkleidung geprägt hat. Der Joghurt- becher also, damals, als PC 19 207 Kilogramm leicht und 85 PS stark. Mehr als nur eine Hausnummer vor 20 Jahren.
Doch die Zeit ging weiter, und die Honda CBR 600 blieb. Von ihren damaligen Konkurrentinnen à la FZR und Co ist nichts mehr geblieben. Jetzt also, im Jahr 2007, gibt es wieder ein neues Modell der CBR, die seit nunmehr vier Jahren das Kürzel RR am Ende schmückt. Zwischenzeitlich wurde in der Modellgeschichte noch der Rahmen getauscht, nämlich von schnödem Stahl auf scheinbar leichteres Aluminium, konkret beim Übergang der PC 31 zur PC 35 (Modell 1999). Wobei das Gewicht nie ein großes Problem der CBR war. Zwar nahm sie im Laufe ihrer Modell-Historie auch mal das eine oder andere Kilogramm zu, von Fettleibigkeit zu sprechen wäre aber maßlos übertrieben. Und zumindest auf dem Papier nahm ja über die Jahre auch die Leistung zu.
Womit wir bei der aktuellen CBR 600 RR wären, die uns Motorrad Pabst (Tel. 040/2514805) aus Hamburg für den Test zu Verfügung gestellt hat. Die PC 40 hat nämlich richtig abgespeckt. Mußte Honda schon das 2005er Modell zu den Weight Watchers schicken, da sich um die Hüfte ein kleiner Ring gebildet hatte, stellt die aktuelle CBR jetzt sogar Kate Moss in den Schatten. 186 Kilogramm sagt der Zeiger der Waage. Das sind mal eben acht Kilogramm weniger als beim direkten Vorgänger. Besonders in Zeiten der gefürchteten Euro-3-Abgasnorm, die manch ein Dickerchen hervorgebracht hat, gebührt Honda damit fetter Applaus.

Honda CBR 600 RRDaß man diese Gewichtsreduktion, von der beispielsweise 2 kg auf den Motor entfallen und deren 4,5 kg auf den neuen Rahmen, auch spüren kann, verdeutlich schon der erste Anblick und das zaghafte Aufsitzen. Das Design wirkt kompakt, luftig leicht und dennoch aggressiv. Schließlich gewinnt man die ersten Duelle schon im Stand. „Ist das wirklich eine 600er?”, schießt es mir durch den Kopf, „und nicht die aktuelle CBR 125?” Denn auch der Radstand schrumpfte um 20 mm, obwohl die Schwinge für bessere Traktion 5 mm länger wurde. Und die nun noch versammeltere Sitzposition, der Fahrer hockt 15 mm weiter hinten, die Stummel kommen ihm einen guten Zentimeter weiter entgegen, trägt nicht unerheblich zu diesem Eindruck bei.
Wobei hier ruhig mal Kritik geäußert werden darf. Nichts gegen diese Abmessungen, die in der Wirkung das Fahren für bis zum 185 cm große Menschen auch einfacher macht, aber warum so eine flache Verkleidungsscheibe? Gute Aerodynamik bringt nichts, wenn der Fahrer den Tacho nur von außen durch die Scheibe ablesen kann. An allen Motorrädern in der Supersport-WM fahren die viel kleineren Fahrer mit höheren Scheiben. Diese scheibchenweise Anmerkung nur am Rande, auch wenn sie nicht Honda-typisch ist, sondern sich an alle Hersteller der Herbrenn-Klasse richtet. Und genug des Gewichts-Hypes. Was zählt, ist auf dem Platz, Zündung an, Starter gedrückt und Brennräume gefüllt.
Im zähen Stadtverkehr macht die CBR 600 RR dabei aus einer ganz besonderen Eigenschaft eine Tugend. Honda ist zwar mit seiner CBR-Ahnenreihe von Modellwechsel zu Modellwechsel immer sportlicher geworden, die Alltagstauglichkeit wurde aber nie aus dem Augenwinkel verloren. So läßt sich dieser Motor, der seine 120 PS bei 13500 U/min stemmt, auch ganz bequem untertourig im sechsten Gang durch die Gegend treiben ohne gleich zur kraftlosen Luftpumpe zu werden. In die gleiche Kerbe schlagen die Federelemente, die beim Spagat zwischen Brötchenholen und Rennstreckenblasen gutes, sensibles Ansprechverhalten und ein gewisses Maß an Bequemlichkeit bieten.
Dafür sollte aber die recht softe Grundabstimmung der Dämpfung an der voll einstellbaren Gabel wie auch dem Federbein ruhig etwas in Richtung straff justiert werden. Der Komfort leidet darunter nur marginal, während Rückmeldung und Zielgenauigkeit deutlich besser werden. Warum es Honda aber weiterhin fast unmöglich macht, die Federbasis hinten zu verstellen, bleibt unbeantwortet. Wer mit dem Hakenschlüssel an der Kette vorbei zum Einsteller gelangt, und diesen auch bewegt bekommt ohne sich die Hand zu zerschrammen, trägt keinesfalls Handschuhgröße elf wie der Autor und verfügt gleichsam über höchst flexible Fingerknochen. Beim nächsten Modellwechsel vielleicht eine hydraulische Federvorspannung, das wäre schon etwas.
Aber jetzt raus aus der Stadt, Richtung Autobahn und Lüneburg, gucken, was geht. Und erst mal geht nichts, denn wir sind nicht allein auf der Autobahn. Kollonnenfahren mit 100 km/h. Hat auch sein gutes, so schluckt der Vierzylinder wenigstens nicht allzuviel. Wobei ein Durchschnittsverbrauch von 6,25 Litern Super auf 100 Kilometern im zügigen Mischbetrieb als angemessen bewertet werden darf. Bei 18,5 Litern Tankvolumen ergibt das eine ordentliche Reichweite.
CBR 600 Mod. 2001 vs. Mod. 2007

Endlich wird die Bahn leerer, die Gashand zuckt einmal um 90 Grad nach unten, und ich versuche mich vor dem Orkan zu ducken. Klappt nicht, wie eingangs erwähnt, weshalb die Höchstgeschwindigkeit von 265 km/h die Herstellerangabe bleibt und das umfangreiche und informative Display im Cockpit mit weniger auskommen muß. Sollen sie dafür doch kleinwüchsige Japaner nehmen. Erfreulich dagegen der von der Fireblade bekannte elektronisch gesteuerte Lenkungsdämpfer, der nun auch bei der PC 40 für beruhigendes Ausbeschleunigen und eine zuckfreie Gashand sorgt.
So, theoretisch käme jetzt noch die schnelle Kurvenprobe in Lüneburg, und der Fahrbericht wäre im Rechner. Leider hat weiter oben jemand etwas dagegen, sodaß es ausnahmsweise mal wieder regnet. Wobei das in diesem Fall auch nicht schlecht ist, denn die Honda macht es einem einfach, flößt dir grundlegendes Vertrauen in deine Fahrkünste ein, verzeiht dir lässig Fahrfehler, gibt Sicherheit. Und langsam trocknet auch die Strecke weiter ab. Das Gas wird lastwechselfrei weiter aufgerissen, die Schräglage steigt bis die Knieschleifer über den Asphalt rubbeln. Locker und leicht, perfekt zu händeln, diese Honda. In die Kurve gucken, und schon flutscht die CBR samt Reiter dem Scheitelpunkt entgegen. Die Federelemente sprechen sanft aber verbindlich an, stemmen sich auch bei forciertem Tempo, einmal in Richtung straff justiert, wirkungsvoll den Kräften entgegen, bieten satte Rückmeldung. Fürs ganz harte Angasen könnten die Federn vielleicht noch etwas härter sein. Dafür bleiben sie aber plombenfreundlich und bügeln auch pockennarbige Teerbänder glatt.
Honda CBR 600 RRWobei die CBR noch ein As im Ärmel hat: Ihren Motor. Bei 600 ccm Hubraum darf man natürlich nicht zu viel erwarten, was Power und Drehmoment betrifft, dennoch hat Honda hier eine ordentliche Schippe nachgelegt. Normalerweise zieht sich die Leistungsabgabe einer 600er bis zum fünfstelligen Drehzahlbereich etwas unspektakulär hin, wobei dann meist die große Leistungsexplosion beginnt. Bei der CBR 600 RR gibt es diesen Kick schon vorher, nämlich bei etwa 7500 U/min. Die Drehmomentkurve strebt ab dieser Drehzahl zügig und nachhaltig ihrem Hoch bei 10900 U/min entgegen, und die PC 40 ungestümm nach vorne. Wer fröhlich im exakten und leichtgängigen Getriebe rührt und die Drehzahl oberhalb dieser Marke hält, macht aus dem Kalb einen Bullen.
Das sich dieser Vortrieb bedenkelos wieder einfangen läßt, dafür sorgen die formidabelen Bremsen. Auch Honda folgt dem Trend und setzt auf eine radiale Handbremspumpe, die die radial verschraubten 4-Kolben-Sättel an den 310 mm messenden Bremsscheiben unter Druck setzt. Und zwar äußerst präzise und mit einem klaren Druckpunkt, der Fading nur vom Hören-Sagen kennt. Besonders stich die Dosierbarkeit der Anlage heraus, die den Zwei-Finger-Stoppie-Fahrer genauso verwöhnt wie den gerade erst der Fahrschule entsprungenen Fahranfänger. Auch hinten wird verzögert, was bei Supersportlern gerne vergessen wird. Achtern kümmert sich eine Einkolben-Schwimmsattelbremse mitsamt 220er-Scheibe um unterstützende Hilfe bei der Verzögerung.
So schließt sich letztendlich ein rundum überzeugendes Bild, das die neue Honda CBR 600 RR PC 40 während des Fahrtests entworfen hat. Sie ist deutlich besser geworden, hat Gewicht verloren und Leistung gewonnen, aber nicht auf Kosten der Alltagstauglichkeit und nur mit kleinen Mäkeln in der B-Note. Sie ist eine Honda geblieben, nur eben eine richtig gute.
Der Autor hätte nichts dagegen, wenn diese Entwicklung so weiter gehen würde. Demnächst dann mit 170 Kilogramm vollgetankt, 130 PS und dem fulminanten Drehmomentanstieg schon bei 6500 U/min. Gerne schon zum 25. Geburtstag der CBR-Reihe. Und noch lieber zum gleichen Preis wie heute. Der beträgt übrigens 10790 Euro plus Nebenkosten. Zur Vorstellung 1987 waren es mal 10300 DM.