aus bma 02/05

Text Jens Riedel
Fotos: Riedel/Bartels

Honda CBF 500 ABSEs wird viel über das Anti-Blockier-System beim Motorrad geredet, aber wenig gehandelt. Mancher Hersteller hat damit in der Vergangenheit eine Bauchlandung erlebt und enttäuscht die ABS-Option für bestimmte Modelle wieder zurückgenommen, weil der Kunde das Plus an Sicherheit einfach nicht bezahlen wollte. Doch es tut sich wieder was. „Wir haben verstanden!” und „Wir machen den Weg frei!” lauten zwei bekannte Werbeslogans. Wären sie nicht schon von anderen Firmen belegt, so könnte sich Honda wohl kaum bessere PR-Sprüche für seine CBF 500 ABS ausdenken. Hondas Einstiegsmodell steht klar im Schatten des enormen Verkaufserfolges der größeren Schwester CBF 600. Da die CBF 500 aber zur Zeit die kleinste und vor allem günstigste Maschine mit ABS auf dem Markt ist, ist sie aber auf alle Fälle nicht nur eine nähere Betrachtung, sondern auch eine Kaufüberlegung wert.
Schon rein äußerlich hat Hondas neue 500er fast nichts mehr mit der zwar absolut soliden, aber doch auch etwas altbacken wirkenden Vorgängerin CB 500 zu tun. Dennoch ist die CBF kein Motorrad, das auf den ersten Blick begeistert oder polarisiert. Die Form folgt der Funktionalität und die Technik wird offenherzig zur Schau getragen. Einzige Ausnahme ist der nach altväterlicher Sitte unterhalb des Rahmens am Motor platzierte Choke.
Trotz des bekannten und mittlerweile elf Jahre alten Motors wirkt die CBF insgesamt deutlich erwachsener als ihre Vorgängerin. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, hat sie doch den gleichen Rahmen wie ihre größere Schwester, die CBF 600. Vorne sorgt die omega-förmige Rahmenaufhängung des Motors auch bei der kleineren Maschine für Breitenwirkung. Gegenüber der alten CB ist der Radstand außerdem um fünf Zentimeter gewachsen, das Gewicht allerdings auch um stolze 18 Kilo gestiegen. Dennoch ist Hondas neuer und in Italien gefertigter Einstieg in die Mittelklasse leicht zu händeln. Dazu tragen vor allem die um zwei Zentimeter niedrigere Sitzhöhe und die leicht nach vorn geneigte Haltung bei. Die Federung ist ausreichend straff, die Gabel mit 41 Millimetern Rohrdurchmesser standhaft.

Honda CBF 500 ABSDaß Honda vor allem Wert auf unkomplizierten Umgang gelegt und auf unnötigen Schnickschnack verzichtet hat, fällt nicht zuletzt beim Anblick des Instrumententrägers, des Lenkers und der Krümmer auf. Chrom sucht das Auge hier vergeblich. Alles ist in schlichtem Schwarz gehalten. Weitere Sparmaßnahmen: Statt einer Tankanzeige gibt es nur eine Warnlampe, die aufleuchtet, wenn der Spritvorrat auf 3,5 Liter gesunken ist; eine Zeituhr fehlt ebenso wie ein Hauptständer. Beides wird aber als Originalzubehör offeriert – ebenso übrigens wie eine Chromumrandung für Tacho und Drehzahlmesser. Etwas deplatziert und gewöhnungsbedürftig sind die Blinkkontrollleuchten, die nicht in der Anzeigentafel stecken, sondern separat unter den Rundinstrumenten angebracht sind. Da kann es schon mal passieren, daß der im Fahrtwind wehende Schlüsselanhänger das Lämpchen verdeckt und der Fahrer erschrickt, weil er keine Rückmeldung bekommt.
Doch was zählt das alles schon bei einem Motorrad, das als erste 500er überhaupt optional mit ABS geboten wird und damit die Klassenkonkurrenz allemal deklassiert. Lediglich 600 Euro Extra verlangt Honda für das unbestrittene Sicherheitsplus. Und wer es einmal ausprobiert hat, der weiß, daß jeder Euro davon gut angelegt ist. Wir machten mit freundlicher Unterstützung von Honda Ullmann in Wunstorf die Probe aufs Exempel.
So unspektakulär wie ihr Erscheinungsbild gibt sich die Honda zunächst nach dem Druck aufs Startknöpfchen. Unauffällig brummelt der Twin im Leerlauf vor sich hin und nimmt artig seine Arbeit auf. Zumindest in den unteren Gängen geht der Motor dann nach kurzer Warmlaufphase aber ordentlich zur Sache.
Natürlich lassen sich mit 57 PS keine Bäume ausreißen, für das flotte Vorankommen auf der Landstraße und den Überholsprint auf der Autobahn ist die CBF aber gut gewappnet. Im dritten und vierten Gang läßt sich das Antriebsaggregat spielend leicht in den roten Bereich scheuchen. Dabei entwickelt sich der bis dato sachlich-nüchterne Sound zu einem kernig-sportlichen Klang, wenn ab 6000 Umdrehungen die zweite Triebwerksstufe zündet und die Honda kräftig nach vorne marschiert. Das maximale Drehmoment von 45 Nm liegt bei 8000 U/min an, die volle Leistung wird 1500 Umdrehungen weiter oben und dicht am Ende des erlaubten Drehzahlbereichs abgegeben.
Unten herum spielt sich dagegen nur wenig ab: Die Honda verlangt also nach einer aktiven Gashand. Gewisse Abstriche beim Durchzug müssen dann allerdings im fünften Gang gemacht werden, während sich die sechste Getriebestufe ohnehin nur als Overdrive empfiehlt. Für über Tempo 180 und den Sprint von Null auf 100 in gut fünf Sekunden ist die CBF aber allemal gut. Wer auf Dauer auf der BAB jedoch mehr als Richtgeschwindigkeit aushalten möchte, der wünscht sich die 500er als verkleidete S-Variante. Doch die bleibt (vorerst?) nur der größeren Schwester vorbehalten. Ein kleines Windschild gibt es beim Honda-Händler als Originalzubehör.
Bremsscheibe mit ABS-SensorNeben dem Schub im wichtigen Bereich zwischen 60 und 120 km/h begeistert die CBF vor allem mit ihrer enormen Schräglagenwilligkeit, die in dieser Motorradkategorie einmalig sein dürfte und die CBF zu einem Kurvenräuber allererster Güte macht. Die Maschine neigt sich wie von selbst gen Asphalt und geht erstaunlich flott ums Eck. Das Fahrwerk arbeitet dabei stets gelassen und zielgenau. Angst vor Kratzern braucht man ebenfalls nicht zu haben: Fußrasten und Auspuff liegen außerhalb der Gefahrenzone. Und spätestens hier beginnt Hondas Einsteigermodell auch alte Hasen zu überzeugen und schafft es dann doch trotz ihres eher drögen Äußeren ernsthaft Emotionen zu wecken.
Gleiches gilt dann erstrecht für das ABS mit fünf Regelvorgängen pro Sekunde. Vorne muß man es schon wirklich mehr als darauf anlegen, um die ohnehin hervorragend arbeitende Dreikolben-Nissin-Zange an der 296-mm-Einscheibenbremse dazu zu bewegen, das Antiblockiersystem überhaupt zur Hilfe zu rufen. Deutlicher spricht das System im Heck an. Hier bekommt der Fahrer den „Stottereffekt” einfach schneller zu spüren.
Alles funktioniert so zuverlässig und weckt soviel Vertrauen, daß man sogar getrost in normalen Verkehrssituationen einzig und allein mit dem Hinterrad bremsen kann (was man natürlich trotzdem tunlichst unterlassen sollte). ABS-Neulinge erleben auf der CBF 500 jedenfalls ein bislang unbekanntes Motorradvergnügen: Auch bremsen kann auf dem Bike richtig Spaß machen! Dazu paßt der zehnfach (!) verstellbare Handbremshebel für den ganz persönlichen Griff.
Vor Übermut sei dennoch gewarnt. Bei nasser Fahrbahn gilt grundsätzlich, daß ein Bremsweg länger ist als ohne ABS. In der Betriebsanleitung schreibt Honda dem CBF-Besitzer noch weitere Hinweise ins Stammbuch. „Das Blockieren der Räder wird zwar verhindert, beim scharfen Bremsen in einer Kurve kann das Motorrad aber trotzdem die Bodenhaftung verlieren, was einen Sturz zur Folge haben kann.” Und weiter: „Das ABS ist keine Versicherung gegen prekäre Straßenbeläge, Einschätzungsfehler oder unsachgemäßen Gebrauch der Bremsen.”
Geht es beim Auto vor allem darum, das Fahrzeug steuerbar zu lassen, spielt beim Motorrad wegen des ohnehin langen Ausweichwinkels etwas anderes eine Rolle. Es geht vor allem darum, den Sturz bei einer Vollbremsung zu verhindern. Bei vielen Motorradunfällen, so haben Untersuchungen gezeigt, kommt es nicht dadurch zum Zusammenstoß, weil der Bremsweg zu lang wird, sondern weil der Fahrer schon vorher wegen blockierender Räder stürzt und dann nicht selten in eben jenes Hindernis schlittert, vor dem er eigentlich zum Stehen kommen wollte (und im Zweifelsfall auch wäre).
Daß ausgerechnet Honda ein ABS in der Einsteigerklasse forciert wundert nicht, schließlich ist man neben BMW mit Sicherheit die innovativste Marke. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch andere Hersteller verstärkt dazu durchringen. Suzuki hat schon verstanden und will die neue 650er Bandit ab diesem Frühjahr ebenfalls auf Wunsch mit dem Bremssystem anbieten.
Honda jedenfalls macht vor, daß bei einem Preis von 5990 Euro eine ABS-Maschine auch für die breitere Masse bezahlbar sein kann. Die 600 Euro günstigere Basisversion der CBF 500 mit Zweikolbenbremszange und ohne ABS ist da keine wirkliche Alternative und nur ein Angebot für Leute, die beim Kauf eines Motorrads wirklich auf jeden Cent achten müssen.