aus Kradblatt 11/21, von Uwe Bach

Begegnung nach 50 Jahren
Aus Liebe zu den Chrombacken

Herr und Frau L. begegnen ihrer alten Honda CB72
Herr und Frau L. begegnen ihrer alten Honda CB72

Chrombacken verfolgen mich seit frühester Kindheit: mein Vater hatte eine Horex Regina 350 und ich verbrachte meine ersten Jahre in einem Steib S 350 Seitenwagen, natürlich mit Ausblick auf die Chrombacken am Tank.

So kam keine Frage auf, als ich 1979 für kleines Geld eine Honda CB 450 K1, Bj. 1969, aus einem Nachbarort angeboten bekam – natürlich mit Chrombacken-Tank. Später gesellte sich noch von einem sehr guten Freund, er war auch mein Lehrgeselle und verstarb leider früh, seine 1967 gekaufte CB 450 K0 – damals in der Szene ehrfürchtig „Black Bomber“ genannt – dazu. Chrombacken inklusive.

Mein Bruder suchte für sich vor zwei Jahren eine Honda CB 72 (250er Zweizylinder) und bei Stuttgart fanden wir eine. Natürlich mit Chrombacken, original unrestauriert, der Anlasser war ausgebaut, der Kickstarter defekt. Wir wurden mit dem Verkäufer schnell einig und auf der Heimfahrt ins Saarland schaute ich die Papiere durch. Im alten Fahrzeugbrief stand eine Adresse in der Nähe von Saarbrücken. 

Ziel war es, die Honda nicht zu restaurieren sondern die gute Patina zu erhalten. 

Herr L. mit seiner Honda CB 72
Herr L. mit seiner Honda CB 72

Nach erfolgter Reparatur des Kickstarters und mit einer neuen Ölpumpe ausgestattet konnte die Honda CB 72 zugelassen werden. Das erste Mal seit ihrer Stilllegung 1975. Was mir dabei Kopf herumging: „Was wäre, wenn du den ersten Besitzer kontaktierst und ihm seine alte Honda vorstellst?“ 

Es dauerte über ein Jahr, bis ich mich dransetzte ihn ausfindig zu machen. Ich kam mir vor, wie in der TV-Sendung „Vermisst“ und tatsächlich erreichte ich ihn: „Hallo Herr L., hatten sie 1963 eine Honda CB 72 gekauft?“, „Ja, hatte ich, aber die wird bestimmt nicht mehr existieren“, „Doch, ich hab sie. Die Honda hat einen selbstgebauten Kettenkasten.“ Das Telefon wurde weggelegt und ich hörte im Hintergrund wie ein Mann zu seiner Frau sagte: „Gib mir ein Taschentuch, unsere Honda ist wieder da“. 

Er nahm das Gespräch wieder auf. Man konnte es nicht sehen, zu hören waren die Emotionen aber doch: „Läuft sie? Ist sie angemeldet? Können sie vorbeikommen?“.

Schnell wurde ein Termin für den nächsten Tag gemacht. Noch nie habe ich ein so aufgeregtes, freudiges Ehepaar gesehen. Glücklich, sein erstes Motorrad zu sehen, das er 1963 mit 20 Jahren kaufte und mit dem er und seine damalige Freundin – seine jetzige Ehefrau – eine schöne Zeit verbrachten.

Herr und Frau L. auf Tour
Herr und Frau L. auf Tour

1970 machte sich Herr L. selbständig, jede Mark wurde gebraucht und zum Fahren war keine Zeit mehr. Sie hatten genug Fahrten abgespult, insgesamt 42.000 km, u.a. auch nach England und nach Italien.

Ein in der Straße wohnender Student kaufte die Honda und Herr L. half ihm bei den Wartungsarbeiten.

Nach einem Jahr zog der Student, da er Sprachen studierte, mit der Honda nach Amerika, nach einiger Zeit weiter nach Toronto (Kanada).

1974, so erzählte mir Herr L.,  bekam er Post aus China. Die Honda war mit dem Studenten dorthin gereist. Genaueres konnte er mir nicht sagen, nur dass der Anlasser und später auch der Kickstarter wohl defekt waren und der Student die Honda nach Deutschland zurückschickte.

1975 wurde sie in Feuchtwangen abgemeldet. Von unserem Verkäufer wussten wir, dass die Honda aus einem Nachlass stammt.

Wir suchten unter dem letzten Namen einige Telefonnummern raus und haben dort angerufen, meist lief aber der Anrufbeantworter und bis jetzt kam keine Rückmeldung.

Als ich mich bei Familie L. verabschiedete, drehte Herr L. noch mal am Gasgriff. Nicht nur er bekam dabei feuchte Augen. Es wurde vereinbart, dass wir in Kontakt bleiben. Es war doch wie in der Sendung vermisst. 

Mittlerweile hat mein Bruder mir die Honda verkauft. Chrombacken bleiben in der Familie …

Uwe ist nicht nur Chrombacken-Fan sondern auch im  Klassik-Rennsport aktiv.
Schaut mal auf seiner Website www.saar-classic-racing.de vorbei.