aus bma 2/00

von Walter Ufer

Im August 1990 war es soweit: mit 41 Jahren hatte mich das Motorradfieber gepackt. Mein Sohn Alexander machte seinen Mofa-Führerschein und plötzlich war mein Interesse geweckt. Obwohl ich früher nie motorisierte Zweiräder gefahren bin, meldete ich mich bei der Fahrschule an und machte meinen 1a im ersten Anlauf.
Ein Motorrad war auch schon da, eine Honda CM 200 T, wenig gelaufen und gut in Schuss, von einem Nachbarn gekauft. Damit konnte ich Fahrpraxis sammeln, und im Winter habe ich sie erst mal zerlegt, überprüft, gut sauber gemacht und wieder zusammengebaut. Ich bin prima damit gefahren, aber nach circa eineinhalb Jahren fehlte mir etwas – mehr Power!
In der Zwischenzeit hatte ich mir Literatur besorgt, Ausstellungen besucht und mich in Sachen Motorrad etwas weitergebildet. Die Umschreibung auf Klasse 1 konnte ich nach 2 1/2 Jahren ohne neue Prüfung machen. Mir gefielen damals die VT 750 C, VF 750 C, VN 750 ganz gut.
Honda CB 650Im November 1993 sah ich dann bei einem Händler eine CB 650 SC Custom stehen, Baujahr 1982, dunkelblau, luftgekühlter schwarzer Vier-Zylinder-Reihenmotor, 39.000 km gelaufen, 50 PS, 18 Monate TÜV, 4 in 4 Auspuffanlage, Lampe, Stoßdämpfer, Kettenabdeckung und Mo-tordeckel verchromt; zwar etwas dreckig, aber ich war begeistert. Für 2800 DM habe ich sie dann gekauft.
Von der CB 650 gibt es drei Typen RC 03, RC 05 und RC 08. Ich hatte den letzteren Typ und der unterscheidet sich durch Gleichdruckvergaser, eine längere luftunterstützte Gabel, einen grös- seren Gabeldurchmesser, einen anderen Lenker sowie Armaturen, Tank, Sitz, Seitendeckel und Doppelscheibenbremse vorne, also ein richtiges Custom Bike. Auch die Com-Star Felgen sehen gut aus.
Nachdem ich mir ein Reparaturhandbuch besorgt hatte, zerlegte ich die CB 650 und brachte sie in den Keller. Während des Auseinanderbauens machte ich einige Fotos, um den späteren Zusammenbau (zum Beispiel Verlegung von Seilzügen und Kabeln) zu erleichtern. Nach Prüfen und Säubern der Teile war ich überrascht, in welch gutem Zustand das Motorrad war. Es fehlte kein Teil, nichts war defekt, es war nichts vermurkst oder verbastelt -bis auf die 4 in 4 Anlage, die aus dem Zubehör erneuert und eingetragen war, befand sich die CB im Originalzustand! Die vier Vorbesitzer müssen die Maschine pfleglich behandelt haben, sie war auch jeden Winter abgemeldet.

 

Das Einzige, was mir Sorgen machte, war der Rahmen und die anderen lackierten Teile. Es gab schon Rostspuren und abgescheuerte Stellen. Da keine Original-Honda-Farbe zu bekommen war, bin ich mit einem Rahmenteil zu einem Lackierer gegangen, und der hat mir die passende Farbe gemischt.
Ich hatte vor, die schlechten Stellen überzustreichen, habe aber sofort aufgehört. Alles Murks. Danach habe ich den Rahmen und alle Metallteile geschliffen, gesäubert, entfettet und dann grundiert. Die Acrylfarbe habe ich mir von dem Lackierer auf Spraydosen füllen lassen und dann alles lackiert. Es ist sehr gut geworden – auch nach fünf Jahren habe ich noch keine Probleme mit dem Lack.
Nach dem Aushärten habe ich das Motorrad wieder zusammengebaut und zudem einen neuen Satz Reifen montieren lassen. Es sind nur Paarungen von einem Hersteller zugelassen; vorher waren Bridgestone L 303 3.50 S 19 vorne und G 510 130/90-16 hinten aufgezogen, und die habe ich auch wieder gewählt.
Honda CB 650Nun konnte es losgehen. Der Motor sprang sofort an – ich war begeistert, das Mopped fuhr sich super. Nachdem ich die Stoßdämpfer hinten auf Stufe 3 gestellt hatte (vorher 5) war auch die Federung nicht mehr so straff. Die Gabel wurde mit 0,9 bar Luftdruck gefüllt. Die Lenkerhälften können in der Höhe und seitlich einzeln verstellt werden, so konnte ich den Lenker gut auf meine Größe einstellen. Bei circa 3000 U/min stellte ich ein Beschleunigungsloch fest, dem auch mit Vergasereinstellung und Synchronisation der Vergaser nicht beizukommen war. Doch auf ausgedehnten Touren im Weserbergland und im südlichen Niedersachsen hatte ich genug Zeit, um das eine oder andere auszuprobieren. Ohne Luftfilter lief das Motorrad gar nicht, der Effekt hatte sich verstärkt. Also probierte ich, die Luftmenge zu reduzieren, was aber nicht in allen Drehzahlbereichen zum Erfolg führte. Also Ram-Air-System probiert: ein Stück Gartenschlauch legte ich vom Luftfiltereingang zur Vorderradgabel in den Fahrtwind und brachte dort einen kleinen Trichter an. Und siehe da, die Wirkung ist verblüffend, die Luftmenge ist in allen Drehzahlbereichen optimal, kein Beschleunigungsloch, ruckfreies spontanes Beschleunigen von 2000 U/min bis in den roten Bereich ist nun möglich. Im übrigen kann man sehr schaltfaul fahren, da der Motor sehr elastisch ist, andererseits aber auch die Kurven zügig durchfahren.
Ende 1995 habe ich dann eine 63 PS-Nockenwelle eingebaut und eintragen lassen. Deutlich bessere Beschleunigung und höhere End- geschwindigkeit waren das Ergebnis.
Der Benzinverbrauch liegt beim 63 PS-Motor bei durchschnittlich 5,2 Litern auf 100 km. Der Tank fasst 13,5 Liter, so dass nach circa 190 km der Reservehahn umgestellt werden muss.
Bei 60.000 km habe ich eine neue Kupplung eingebaut und bei 69.000 km die Ventilschaftdichtungen erneuert, da der Ölverbrauch 1 l /1000 km betrug – ich glaubte einen Zweitakter zu fahren, solche Ölwolken verfolgten mich. Gleichzeitig habe ich Zylinder, Kolben, Ventile und Zylin- derkopf nachgemessen – war alles innerhalb der Toleranzen – und die Dichtungen erneuert. Der Ölverbrauch liegt jetzt bei circa 0,5 l /1000 km, für ein Mopped mit 75.000 km Laufleistung ganz o.k.
Bei den Reifen habe ich hinten auf BT 35 gewechselt, er hat mehr Haftung und hält 6.000 bis 7.000 km. Der Vorderreifen hielt 15.000 km. Da Bridgestone den 3.50 S-19 Reifen für vorne seit 1998 nicht mehr baut, muss- te ich auf einen anderen Hersteller wechseln. Seither fahre ich Metzeler Me 33 vorne und Me 77 hinten. Die Laufleistungen stehen noch aus, auf jeden Fall fahren sich diese Reifen noch einen Tick besser.
Den Motor habe ich immer schön warm gefahren, bevor es richtig ans Gas ging – bei 3,5 l Motoröl ist das auch nötig. Wartung und Inspektionen habe ich selbst durchgeführt, was kein Problem war, da die Technik überschaubar und nicht zu kompliziert ist. Es ist jedoch ratsam, das Werkstatthandbuch und andere einschlägige Literatur zur Hilfe zu nehmen und sich daran zu halten. Leider sind die Übersetzungen ins Deutsche nicht so das Wahre, weshalb ich im Zweifel auch den englischen Text lese, wenn vorhanden. Wichtig ist auch gutes und richtiges Werkzeug. Man kann damit eine Menge Zeit und Ärger sparen.
Die CB 650 SC wurde damals als Soft-Chopper verkauft. Viel Chrom, eine um 50 mm verlängerte Gabel und ein Nachlauf von 121 mm. Das Softe ist dem Motorrad im Bereich der vorderen Federung erhalten geblieben. Die Gabel ist sehr weich gefedert, sie taucht beim Bremsen weit ein und federt beim Beschleunigen weit aus, schlägt aber nie durch. Trotz des hohen Gewichts von 220 kg lässt sich das Motorrad – einmal in Bewegung – dank des niedrigen Schwerpunkts leicht in die Kurve legen, läuft zielgenau, fährt sich ganz neutral und hat gute Geradeauslaufeigenschaften.Von der Motorcharakteristik (63 PS bei 9.000 U/min und 53 Nm bei 8.000 U/min) ist das Motorrad kein Soft-Chopper, da passt es eher zu den heutigen Naked Bikes. Die Sitzposition ist sehr aufrecht und die Fußrasten sind für diese Sitzhaltung genau richtig angebracht, wie auch der Sitz als bequem einzustufen ist.
Die CB 650 SC eignet sich bestens für ausgedehnte Touren – kurvige Landstraßen sind das Optimale, Autobahnetappen sind nur im Notfall zu empfehlen, der Windschutz ist gleich Null. Abhilfe schafft ein Tankrucksack, Tempo 120-130 ist dann über längere Strecken möglich. Ich habe auch eine Cockpitverkleidung probiert, war mit dem Windschutz auch zufrieden, mit dem Geräuschpegel aber gar nicht – man konnte nicht einmal mehr den Motor hören. Und eine größere Scheibe passt meiner Meinung nach nicht zum Motorrad.
Ich bin mit der CB 650 SC Custom sehr zufrieden, sie hat mich noch nie im Stich gelassen. Sie hat keine Macken bis auf die Startschwierigkeiten nach mehreren Tagen Standzeit und dem Kupplungskorb-Klappern im Leerlauf. Aber wer steht schon lange an einer Stelle und hört sich das an? Also lasse ich es so und fahre lieber.
Bei ein wenig Glück und Pflege sind die 100.000 km wohl durchaus drin, auch wenn das Motorrad dann seine 20 Jahre auf dem Buckel hat. Vielleicht nehme ich es dann nochmal auseinander und fahre es danach nur noch als Oldie, ich bin ja dann auch bald einer.
Ich grüße die ganze Bikerschar und wünsche allen gute Fahrt. Vielleicht seht Ihr ja mal die blaue 4 in 4 mit dem goldenen Adler auf dem Heckbürzel durchs Lipperland düsen.