aus bma 03/99

von Klaus Herder

Mick Doohan fährt beruflich viel Motorrad. Das Zweirad ist sein Arbeitsplatz. Herr Doohan ist nun aber nicht Motorrad-Kurier sondern Rennfahrer. Genauer gesagt Weltmeister in derHonda CB 500 500er-Klasse. Der Arbeitsplatz des Australiers ist eine Honda. Mit der räumt er seit 1994 jedes Jahr den Titel in der Königsklasse des Motorradrennsports ab. Zufall? Vermutlich nicht, denn 1994 war auch das erste volle Jahr, in dem die Honda CB 500 im Kampf um Ruhm, Ehre und vor allem Verkaufszahlen antrat. Die Japaner hatten vor fünf Jahren einfach ein goldenes Händchen in Sachen 500er.
Zugegeben, die NSR-V4 des Herrn Doohan hat mit der zweizylindrigen CB 500 des Otto Normalweltmeisters rein technisch nicht so sehr viel gemein. Doch die herausragenden Tugenden der Namens- und Hubraumschwestern sind dafür fast identisch: Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit, Handlichkeit und Zielgenauigkeit sowie eine ergonomisch nahezu perfekte Gestaltung.
Da das Angebot an frei verkäuflichen Grand Prix-Rennern aber äußerst beschränkt ist, widmen wir uns nachfolgend lieber der CB 500. Die gibt’s ab 9380 Mark bei jedem Honda-Händler. Zu Beginn ihrer Karriere kostete die CB 500 mit 9260 Mark schon fast genauso viel – besser gesagt: genauso wenig, denn ein ausgewachsenes Motorrad für unter zehn Mille war auch schon vor sechs Jahren ein Sonderangebot. Die CB 500 geriet günstig aber nicht billig. Den Rotstift ließen die Honda-Entwickler zumindest bei der Konstruktion des Motors in der Tasche. So bekam der Reihen-Zweizylinder eine Flüssigkeitskühlung und einen Vierventil-Zylinderkopf mitsamt je zwei obenliegenden Nockenwellen spendiert. 180 Grad Hubzapfenversatz und eine stirnradgetriebene Ausgleichswelle sollten für Ruhe im Twin sorgen – und dies schaffen sie ganz hervorragend. Wenn überhaupt, kommen nur ganz leichte und nicht unangenehme Vibrationen zum Fahrer durch. E-Starter, kontaktlose Transistorzündung, eine kräftige Lichtmaschine und ein eng gestuftes Sechsganggetriebe vervollständigten das Programm.

 

Honda CB 500Den restlichen Baugruppen war der Zwang zum Sparen schon eher anzumerken. Der Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen bietet noch guten Standard, die nicht verstellbare Telegabel mit einem bescheidenen Standrohrdurchmesser von 37 Millimetern geht ebenfalls noch gerade so durch, doch die beiden nur in der Federbasis verstellbaren Federbeine sind eindeutig Billigteile. Vorn eine Einscheibenbremse mit Zweikolbensattel, hinten eine Trommelbremse – ebenfalls nur einfache Hausmannskost.
An anderer Stelle ließ sich Honda dafür nicht lumpen: zentrales Lenk-/Zündschloß, komplettes Cockpit mit Temperaturanzeige, serienmäßiger Hauptständer, lange Sitzbank mit darunterliegendem Staufach, stabile Haltebügel für den Sozius – das alles ist doch ausgesprochen praxisgerecht gestaltet.
Drei Leistungsvarianten stehen zur Wahl: 34, 50 oder gar 58 PS. Stufenführerscheinbesitzern oder späteren Gebrauchtkäufern mit dem Wunsch zur Leistungsveränderung machte es Honda sehr einfach. Für die Umrüstung von 34 auf 50 PS müssen nur zwei neue Ansaugstutzen und zwei größere Hauptdüsen montiert werden – macht unterm Strich rund 70 Mark Materialkosten plus anderthalb Studen Arbeitszeit. Von 50 auf 58 PS geht’s mit 0,6 Stunden Arbeitszeit und zwei neuen Ausaugstutzen für rund 40 Mark noch günstiger.
Doch ein altes japanisches Sprichwort sagt, daß Motorräder nicht nur zum Sparen sondern auch zum Fahren gebaut werden. Und auch dabei macht die CB 500 eine ausgesprochen gute Figur. Die erste Sitzprobe schafft bereits volles Vertrauen. Breiter und perfekt gekröpfter Lenker, bequeme Sitzbank plus guter Knieschluß am 18 Liter-Tank, goldrichtig positionierte Fußrasten – es kann gutgelaunt losgehen. Der Twin springt sommers wie winters sofort an, braucht den Choke nur kurze Zeit und macht sofort deutlich, daß er Drehzahlen mag. Unter 3000 U/min bewegt sich nicht viel, wer oberhalb von 5000 Touren unterwegs ist, hat den CB 500-Charakter begriffen. Der rote Bereich des Drehzahlmessers beginnt erst bei 10.500 U/min. Bis dahin fühlt sich der agile Twin jederzeit sauwohl. Die Gasannahme ist tadellos, werHonda CB 500 flott schaltet und kräftig am Quirl dreht, wird mit sehr guten Fahrleistungen belohnt. Für den Sprint von 0 auf 100 km/h benötigt die 500er unter fünf Sekunden, läuft mit langliegendem Fahrer echte 180 km/h, schwächelt ohne aktive Schaltarbeit dafür aber etwas beim Durchzug. Wer es ganz ruhig angehen läßt – was mit der CB 500 schwerfällt – kann mit einem Benzinverbrauch von unter vier Litern auskommen. Sportlichere Naturen erreichen schon mal die Sechs-Liter-Marke. Im Schnitt kommt man mit fünf Litern aus.
193 Kilogramm fahrfertiges Kampfgewicht sind für einen unverkleideten Zweizylinder nicht gerade wenig, aber die Masse ist so geschickt verteilt, daß auch Anfänger sofort vollstes Vertrauen zur CB 500 haben. So handlich und zielgenau die Honda in Kurven einschwenkt, so gewöhnungsbedürftig sind zumindest anfangs die Bremsen. Vorder- wie Hinterradstopper verlangen nach relativ hohen Bedienkräften. Das verwirrt altgediente Zweifingerbremser, bewahrt Anfänger und Wiedereinsteiger aber vor ungewolltem Überbremsen. 1997 tat sich bei den Bremsen übrigens etwas: Zusammen mit dem Wechsel des Produktionsortes änderte sich auch der Zulieferer. Die mittlerweile im italienischen Honda-Werk montierte CB 500 bekam italienische Brembo-Stopper, die hintere Trommelbremse wich einer Scheibe. In Sachen Dosierbarkeit und Ansprechverhalten blieb allerdings alles beim alten.
Honda CB 5001997 war auch das Jahr, in dem die nackte CB 500 ein halbverkeidetes Schwestermodell bekam. Die CB 500 S kostet 510 Mark mehr, hat die häßlicheren Instrumente und ist erste Wahl für alle Langstreckler, die öfter im Bereich über 130 km/h unterwegs sind. Das in sehr flott angegangenen Kurven auftretende, allerdings völlig harmlose Schaukeln hat die verschalte CB mit ihrer nackten Schwester gemein. Wer öfter zu zweit unterwegs ist und nicht auf durchschlagende Wirkung steht, sollte anläßlich eines verschleißbedingten Wechseltermins die Nachrüst-Federbeine von Koni montieren. Die gibt’s z. B. bei Louis für 469 Mark. Der Komfortgewinn ist beachtlich, am leichten Rühren bei scharfer Kurvenjagd ändern sie allerdings auch nichts.
Mit dem Wechsel der Reifenpaarung läßt sich da schon mehr ausrichten. Die serienmäßigen Dunlop Arrowmax mögen den Anfänger noch befriedigen, der Fortgeschrittene ärgert sich über eingeschränkte Naßhaftung, nur mäßigen Komfort und im Vergleich zu anderen Fabrikaten mangelnde Lenkpräzision. Landstraßenheizer greifen lieber zum handlichen und zielgenauen Bridgestone Exedra, der allerdings bei hohen Geschwindigkeiten (Autobahn) für etwas Unruhe sorgt. Pirellis MT-Kombination, die die CB 500 ebenfalls handlich und zielgenau macht und prima haftet, sorgt bei Vmax auch für etwas Nervosität. Leider hatte der Hinterreifen bereits nach 4000 km die Verschleißgrenze erreicht. Die Metzeler ME-Gummis sind dagegen für hohe Tempi ideal, haften saugut, bieten viel Komfort, kommen auf kurvigen Landstraßen aber nicht ganz an die Handlichkeit der Bridgestone- und Pirelli-Paarungen heran.
Die Reifenmontage ist schon fast die einzige regelmäßige Schrauberarbeit, die auf den CB 500-Eigner zukommt. Ölwechsel und Inspektionen stehen nämlich nur alle 12.000 km an, und so richtig aufwendig wird’s auch dabei nicht. Der Luftfilter ist mit wenigen Handgriffen getauscht; Batterie, Kerzen und Ölfilter erfordern ebenfalls keine artistischen Übungen. Wenn irgendwann einmal die ersten Bremsbeläge abgeschmirgelt sind, lohnt sich die Umrüstung auf Ferodo-Beläge (z.B. bei Gericke für 45 Mark). Die Dosierbarkeit der Vorderradbremse wird mit den Zubehör-Belägen spürbar besser.
Die Verarbeitungsqualität, insbesondere die der Lackierung, ist tadellos. Das sieht man besonders nach ein paar durchfahrenen Wintern. Etwas Rost an den Krümmerrohren – ansonsten hat der Gilb kaum eine Chance. Außer ein paar Rücklichtlampen braucht die Honda im Normalfall auch über viele tausend Kilometer kaum Ersatzteile. Bei einigen Maschinen der ersten Serie gab’s Probleme mit dem Steuerkettenspanner, doch Honda reagierte sehr kulant, rüstete nach, und mittlerweile dürften keine gefährdeten Exemplare mehr unterwegs sein. Als typisches Verschleißteil gehen höchstens noch die Lenkkopflager durch. Wer nach 40.000 bis 50.000 Kilometern Ersatz benötigt, sollte gleich auf Kegelrollenlager umrüsten (knapp 70 Mark, z.B. bei Gericke).
Über 15.000 Motorradfahrer griffen in Deutschland bislang zur CB 500. Die Halbliter-Honda taugt vielleicht nicht zum Gewinn von Weltmeisterschaften, doch die Begeisterung der großen Mehrzahl ihrer Besitzer dürfte ziemlich genau der von Mick Doohan für seine 500er Honda entsprechen.