aus bma 07/96

von Klaus Herder

Stellen Sie sich mal vor, Sie suchen einen Kleinwagen. Einen aus der Polo /Fiesta/Corsa-Klasse, nur etwas schicker. Tja, und da bietet man Ihnen dann ein Auto an, dessen Lenkrad viel zu steil steht, dessen Sitz sich nicht verstellen läßt und in dem Sie niemanden mitnehmen können. Das Auspuffrohr ist nur eine Attrappe,Honda CB 250 und unter der Haube werkelt ein harmloses Motörchen, dessen Plastik- und Blechverkleidung aber die doppelte Größe vorgaukelt. Sie würden dieses Auto höchstwahrscheinlich nicht kaufen, denn Sie suchen zwar etwas Schickes, aber mit Sicherheit keinen unpraktischen Blender. Motorradfahrer verhalten sich etwas anders als die meisten Kleinwagen-Interessenten. Speziell unter den Einsteigern und Wiedereinsteigern grassiert die Chopper-Seuche. Das wäre ja nicht weiter schlimm, wenn die unehrlichen Schönlinge wenigstens mit ehrlichen Argumenten verkauft würden. Argumentiert wird aber mit vermeintlicher Anfänger-Tauglichkeit. Von wegen niedrige Sitzhöhe, leichte Beherrschbarkeit, Super-Handling. Alles Schnickschnack. Einen Chopper zu kaufen, weil er einfach toll aussieht und sich prima umbauen läßt, ist o.k. Einen Chopper zu kaufen, weil man darauf angeblich das Motorradfahren lernt, ist totaler Blödsinn. Ein Blick auf die Typen, die auch nach mehreren Jahren Fahrpraxis ihre XV’s immer noch um die Ecken tragen und Angst vorm Bremsen haben, genügt.
Wer nach spätestens einer Stunde völlig verspannt in seiner Chopper-Sitzkuhle hockt, sieht zwar immer noch mächtig cool aus, verpaßt aber eine ganze Menge Fahrspaß, den das Motorradfahren bieten kann.
Eine Maschine, mit der man bereits als Anfänger die Freude am Fahren genießt und auf der man vor allem von Tag zu Tag besser und routinierter wird, ist die Honda CB „Two Fifty”, kurz CB 250. Der 17 PS starke Zweizylinder bietet alles, was Neulinge schätzen: niedriges Gewicht (vollgetankt 144 Kilogramm), geringe Sitzhöhe (750 Millimeter) und einfache Bedienung (E-Starter). Nun sieht der kleine Twin im Vergleich zu den langgabeligen Barockengeln zwar etwas bieder aus, aber sein „Form-Follows-Function-Design” überzeugt spätestens dann, wenn es darum geht, möglichst viel von der Welt zu sehen und nicht darum, viel gesehen zu werden.

Honda CB 250Die CB 250 ist ein Kilometerfresser. Der 16 Liter-Tank ist frühestens nach 300 Kilometern leer und die ausreichend lange und nur minimal gestufte Sitzbank erlaubt den komfortablen Zweipersonen-Betrieb über die gleiche Entfernung. Der nicht zu hohe Lenker ermöglicht dem Fahrer eine ermüdungsfreie Sitzposition, und der Sozius braucht dank der rahmenfesten Fußrasten keine Beinarbeit verrichten. Vorm Fahren steht das Starten – bitteschön: Der Zugknopf des Chokes ist gut erreichbar zwischen Tacho und Lenker untergebracht. Gebraucht wird er selbst bei eisigen Temperaturen nur auf den ersten paar hundert Metern. Die CB 250 springt unter allen Bedingungen sofort an und läuft genauso schnell rund. Beim Ampelstopp müssen CB-Neulinge zweimal hinhören, ob der Zweizylinder noch läuft – das Standgeräusch ist extrem leise, das Fahrgeräusch nur unwesentlich lauter. Kuppeln und Schalten funktioniert spielend leicht, der fünfte und letzte Gang ist ellenlang übersetzt, den roten Bereich bei 9.400 U/min erreicht man nur in den unteren Schaltstufen. Schaltarbeit ist durchaus empfehlenswert, denn der Zweizylinder ist äußerst drehfreudig und schiebt mit entsprechender Drehzahl für ein 17 PS-Motorrad überraschend flott voran. Unter 4.000 U/min spielt sich noch wenig ab, ab 6.000 U/min wird der Twin dann aber richtig munter. Die Lebendigkeit hält dann bis etwas oberhalb der Nenndrehzahl von 8.000Honda CB 250 U/min an. Über den gesamten Drehzahlbereich sind leichte Vibrationen spürbar, die allerdings zu keinem Zeitpunkt störend wirken. Wer es richtig fliegen läßt, erreicht mit entsprechendem Anlauf knappe 120 km/h.
Der besagte Fahrspaß stellt sich aber eher beim Durchwuseln im Stadtverkehr ein und findet später auf möglichst kurvigen Landstraßen seine Vollendung. Kurvenräubern ist mit der hyperhandlichen CB 250 ein Genuß. Vorausgesetzt, der Fahrbahnbelag ist nicht allzu uneben, denn die Federelemente der Honda sind zwar komfortabel, aber auch etwas ungedämpft. Kritisch wird die Schaukelei aber nie. Die Bremsanlage arbeitet tadellos. Die Scheibenbremse mit Doppelkolben im Vorderrad ist mustergültig zu dosieren. Sie packt kräftig zu, überfordert Anfänger aber nicht mit übertriebener Bissigkeit. Die Trommel im Hinterrad gibt ordentliche Unterstützung und blockiert erst spät. Mit der „Two Fifty” läßt sich erfahren, daß Bremsen nicht ein notwendiges Übel ist, sondern einen gehörigen Teil vom Fahrspaß ausmachen kann. Die CB 250 wird im spanischen Montesa-Werk montiert. Ausstattung und Verarbeitung sind auf dem gewohnt hohen Niveau von Honda Japan. Tageskilometerzähler, abschließbarer Tankverschluß, rücksichtvolle Spiegel, Gepäckhaken sowie Haupt- und Seitenständer sind serienmäßig. Abblend- und Fernlicht sind sehr gut. Was fehlt, ist eine Öldruck-Kontrolleuchte und ein kombiniertes Zünd- / Lenkschloß.
Für 7.195 Mark ist die Honda „Two Fifty” ein faires Angebot. Anfänger und Wiedereinsteiger, die mit dem Gedanken spielen, sich aus vermeintlich praktischen Gründen einen Chopper zu kaufen, sollten der grundehrlichen CB 250 zumindest die Chance einer Probefahrt geben. Vielleicht werden die anderen Blender dann ganz schnell ausgeblendet.