aus bma 1/11 – Fahrbericht

Text: Patric Birnbreier
Fotos: Fotos: Buenos Dias

Honda CB 1300 Modell 2010Bei den Berufsboxern gibt es einen ganz besonderen Titel. Eine inoffizielle Wertung, außerhalb der bestehenden Einteilung in Gewichtsklassen, bei welcher automatisch der Schwergewichtsweltmeister das Maß aller Dinge ist. Die Rede ist von der Pound for Pound Krone, die die Fachjournalisten der schlagenden Zunft stets an den Boxer vergeben, der Pfund für Pfund der Beste ist.

Schaut man sich unter den unendlich vielen Motorradkategorien und Wettbewerbern mal genau um, und sucht die ehrlichste Haut, die für’s Geld am meisten Motorrad bietet, landet man unweigerlich bei den Nackten. Und fragt man am Motorrad-Treff mal in die Runde, welches Bike dann auf der Wunschliste ganz oben steht, fällt der Code CB 1300 mit Sicherheit am häufigsten.

Honda CB 1300 Modell 2010Auch, wenn Honda zum Modelljahr 2010 der CB ihre makellos hüllenlose Nacktheit nimmt und sie ausschließlich im kurzen Halbschalenkleid auf die Deutschen Autobahnen schickt, tut das der Faszination und dem „Habenwollenreflex“ der Kundschaft keinen Abbruch. CB 1300 Besitzer sind eingeschworene Big-Biker, die ihre Dicke um keinen Preis der Welt wieder herausrücken wollen. Genussvoller Fahrspaß, hochwertige Verarbeitungsqualität und eine Vielzahl überschwänglicher Beurteilungen in Fachmagazinen haben in Big-Bike-Kreisen zu einem erstklassigen Ruf geführt. In Deutschland fanden in den letzten sieben Jahren mehr CB 1300 ihren Besitzer als in jedem anderen Land in Europa. Stabile Gebrauchtpreise sind der Lohn dieser Treue hierzulande. Wer also eine haben will, muss schon zu Honda an den Schalter vorrücken und 12.490 Euro für die aktuellste Ausbaustufe hinblättern.

Honda CB 1300 Modell 2010Im Fahrbetrieb ist die CB 1300 ein sanfter Riese mit besten Manieren. Der Fahrer genießt, mit den Händen am hohen Lenker und dank tiefer Fußrastenposition, aufrecht sitzend, die souveräne Kraftentfaltung, liebt das satte Drehmoment von 116 Newtonmetern schon im mittleren Drehzahlbereich, inhaliert den sonoren Sound sowie das verblüffend leichtfüßige Handling. Dank perfekt austariertem Chassis mit Doppelschleifenrahmen, 43er Telegabel und massiver Aluminiumschwinge mit Stereo-Federbeinen bleibt das Bike trotz seiner mehr als 5 Zentner Gewicht souverän beherrschbar. Jedoch finden wir diese Tugenden auch bei den Mitbewerbern. Was also unterscheidet die CB 1300 von einer GSX 1400 oder einer ZRX 1200? Vielleicht ist es der Honda-Mythos des ersten wirklichen Big-Bikes aus Japan, der in der Dicken von heute weiter lebt. Die CB 1300 schlägt eine Brücke zur Honda-Historie, in der großvolumige Vierzylinder eine wichtige Rolle gespielt und stets enorme Begeisterung ausgelöst haben. In Tradition der legendären CB 750 Four von 1969, der erfolgreichen CB 900 Bol d’Or des Jahres 1979 und der exklusiven, aber wenig erfolgreichen CB 1000 Big One aus 1993 fasziniert die CB 1300 als halbverkleidetes Big-Bike klassischer Prägung mit ihrem bärenstarken Reihenvierzylinder, der aus jeder Fahrstufe des gut schaltbaren 5-Gängemenüs antritt wie ein Jumbojet beim Start. Runter schalten vor der Kurve, oder beim Überholvorgang kann getrost vergessen werden. Knapp über Standgas hängt die CB ruckfrei am Gas. Auch im Fünften!

Honda CB 1300 Modell 20102003 debütierte die CB 1300 als Naked Bike. 2005 folgte die halbverkleidete Version, die zudem mit ABS ausgestattet wurde. 2008 führten Modellpflegemaßnahmen zur Euro-3-Homologation, optimierte Einspritzung und Zündung sorgten für noch geschmeidigeres Ansprechverhalten. Cockpit-Instrumente mit neuem Design, eine neue Sitzbank und geschwärzter Motorblock rundeten die Modellpflege ab.

Zum Modelljahrgang 2010 präsentiert sich die CB 1300 mit einem neuen Combined ABS-Verbundbremssystem mit Dreikolbenzangen vorne, aufrechterer Sitzposition sowie einer einen Zentimeter niedrigeren Sitzbank für leichteres Füßeln im Stand. Die neue Heckverkleidung überzeugt mit seitlichen Haltegriffen und einem modifizierten LED-Rücklicht. Seitendeckel mit neuem Design und ergonomisch optimierte Schalterarmaturen, so­wie geschwärzte Gabel-Gleitrohre vervollständigen die Modellpflegemaßnahmen. Zudem präsentieren sich Vierventiltechnik, Flüssigkeitskühlung, elektronische PGM-FI Einspritzung und geregelte Katalysatortechnik auf dem neuesten Stand.

Honda CB 1300 Modell 2010Dass Honda die CB 1300 seit diesem Jahr, wie schon erwähnt nur mit Halbschale verkauft, hat nicht nur optische Gründe. Fahrwerksunruhen der nackten Version im Hochgeschwindigkeitsautobahnverkehr dürften ebenso ausschlaggebend für diese Maßnahme gewesen sein. Diese Probleme sind mit dem Halbkleid nun vollends auskuriert. Einerseits schade um die Nacktheit, andererseits bietet die Verkleidung guten Wind- und Wetterschutz. Zudem hat der Retro-Look der Verkleidung einen historischen Hintergrund. Die Entwickler ließen sich beim Design von den verkleideten Honda-Klassikern der Achtziger Jahre – der sportlichen CB 1100 R von 1981 und der weiter entwickelten CB 1100 R von 1982/83 – inspirieren. Und das steht der CB 1300 gut zu Gesicht. Die nun realisierte Lösung mit rahmenfester Halbverkleidung ergänzt die Linienführung und Optik der 1300er auf stimmige Weise, überzeugt auf der Autobahn und beim flotten Landverkehr, erhöht die Alltagstauglichkeit und lässt dennoch den Blick auf den imposanten Vierzylindermotor frei. Der verbaute Scheinwerfer glänzt mit Multireflektor-Technik. Die Verkleidung integriert die Instrumente harmonisch ins Cockpit und bietet dazu Platz für seitliche Staufächer, von denen das linke abschließbar ist. Wer trotz all dieser Vernünftigkeiten seine CB 1300 dennoch lieber in der puristisch nackten Version haben möchte, kann sich ja im benachbarten europäischen Ausland umsehen. Was dank Internet-Datenbanken heutzutage gar keine große Hexerei mehr darstellt. Egal, ob nackig, oder züchtig halbverschalt, die CB 1300 liefert Pfund für Pfund echten Big-Bike-Gegenwert für’s Geld.