aus Kradblatt 7/17
von Torsten Thimm

The Power of Dreams

The Power of Dreams – Diesem Slogan folgend baut Honda seit Jahrzehnten seine Fahrzeuge. Unter anderem seit diesem Jahr auch die CB 1100 RS, die gemeinsam mit ihrer noch klassischer wirkenderen Schwester, der EX eine der letzten Überlebenden der rein luft-/ölgekühlten Reihenvierzylinder am aktuellen Modellhimmel darstellt. Während andere Hersteller ihre Modelle mit der Einführung der Euro 4 Norm endgültig sterben ließen, folgte Honda seiner historischen CB Vergangenheit, renovierte die EX noch einmal komplett und stellte ihr die sportlichere RS zur Seite. Was dabei herauskam, kann sich durchaus sehen und vor allem aber auch fahren lassen. Denn obschon der sportlicheren Sitzposition, die klassisch schöne Linie längst vergangener Tage wurde mit der RS nicht zerstört, sondern einfach neu interpretiert. Der 1140 ccm große Motor bildet den zentralen Punkt am Bike und reckt frech seine feingerippten Kühlrippen in den Fahrtwind. Dabei sind die 90 PS Leistung, in Verbindung mit den 91 Newtonmetern maximalem Drehmoment bei 5.500 Umdrehungen, keineswegs untermotorisiert. Ganz im Gegenteil sogar – hat man sich einmal auf den Cruisingmode eingestellt wird das Leben auf diesem Motorrad leicht, freundlich und vollkommen entspannt.

Die RS rollt wie auf Schienen mit ihren 17-Zöllern durch die Kurven. Freundlicherweise hat Honda die aktuell beliebten Standardreifengrößen in 120 und 180 Millimeter Breite genutzt. Das öffnet ein Feld für viele Alternativen in Sachen Reifenwahl, je nach Gusto des Fahrers.

Erfreulich ist auch, dass von den, im Stand noch recht happig wirkenden, 255 kg Lebendgewicht unterwegs nicht mehr viel zu spüren ist.

Während die Landschaft am Helmvisier vorbeigleitet fallen die Blicke des Fahrers des Öfteren auf die Zeiger der klassischen Rundinstrumente. Ja hier gibt es sie noch wenn auch in der Mitte durch ein Digitaldisplay geteilt. Das informiert zusätzlich über die Uhrzeit, die man gerne mal auf der CB vergisst, den eingelegten Gang, die Kilometer und den noch zur Verfügung stehenden Treibstoff im Tank. Anders als die mittlerweile oftmals verbauten zumeist schnöden Volldisplayanzeigen, hat das hier vor einem noch richtig Stil. Honda schafft es auch hier die Klassik mit der Moderne zu verbinden, wie im übrigen auch bei der Lichttechnik der RS, die zwar ebenfalls klassisch aussieht aber im Voll-LED-Style daherkommt.

Ähnlich geschmeidig wie der Motor, arbeitet auch die hydraulisch betätigte Kupplung, die zum Modelljahr 2017 mit einer Antihoppingfunktion aufgewertet wurde, um mögliche Überraschungen zu vermeiden. In Verbindung mit dem gut zu schaltenden Getriebe, dessen sechster Gang erneut als Overdrive ausgelegt worden ist, wächst das Grinsen unterm Helm noch einmal, wenn es durch enge Streckenabschnitte geht. Auch hier fühlt sich der Fahrer in keiner Situation überfordert, selbst wenn er den Gashahn mal mehr aufspannt.

Die radial verschraubten Tokicozangen beißen ABS-unterstützt sehr gut dosierbar in die 310er Scheiben und sorgen so für vehemente Verzögerung. Und auch auf Straßen der Klasse Fifty Shades of Grey macht die Honda eine gute Figur, da das Fahrwerk mit den einstellbaren Doppelfederbeinen am Heck und der ebenfalls einstellbaren 43 mm starken Telegabel an der Front stets die Contenance behält.

Die behält auch der Pilot, wenn der Boden mal nicht ganz gerade ist, oder der Untergrund nicht fester Natur. Mit 795 mm ist die Höhe für die meisten passend und doch auch für große Menschen geeignet. Auch sie finden ihren Platz auf dem klassischen Gestühl.

Die Unaufgeregtheit dieser Maschine ist es dann auch, die einen in den Bann zieht. Vielleicht einmal abgesehen von dem etwas zu schmalen Lenker, den andere Serienbikes auch oftmals verbaut haben, sowie dem nicht optimal positionierten Hupenknopf, dort vermutet man eigentlich den Blinkerschalter, was am Anfang zu Irritationen führen kann, gibt es am Ende einer ausgedehnten Tour nichts zu meckern. Alles fügt sich im CB Konzept zusammen und bekommt mit der enganliegenden, nun doppelwandigen, verchromten vier in zwei Auspuffanlage noch sein glänzendes Krönchen. Während die heiße Maschine knisternd abkühlt, so wie das nur ein alter luftgekühlter Motor tut, liegt immer ein wenig CB 750 Four Flair aus der Vergangenheit in der Luft.

Wem zu guter Letzt die RS dann doch nicht klassisch genug ist, der kann sich die EX-Schwester anschauen. Anders als die RS kommt die auf 18 Zoll Speichenfelgen daher, mit einer noch klassischeren Sitzposition und dürfte noch ein wenig handlicher zu fahren sein, da sie zudem mit 110er und 140er Reifen schmaler bestückt ist. Ansonsten unterscheidet sie sich noch durch die etwas schwächere Gabel mit 41 mm Durchmesser und einfache Nissen Bremszangen die in 296 mm Scheiben beißen dürfen. Motortechnisch sind beide Maschinen jedoch identisch und stehen beim Hondahändler zur Probefahrt bereit.

Für die RS sollte der zukünftige Besitzer gut 13.190 Euro in der Tasche haben, für die EX etwas günstigere 12.790 Euro. Das ist sicherlich kein Schnäppchen, dafür bekommt man in beiden Fällen aber einen ausgereiften modernen Klassiker mit hohem Spaßpotential – wohlwollende und interessierte Blicke von alten Zeiten träumender Passanten inklusive.