aus bma 3/11 – Fahrbericht

von Jens Riedel

Honda Innova 125„Na, der hat für einen Roller aber ganz schön schmale Reifen“, stellt der Bandit-Fahrer fest, der beim Ampelstopp in Hannover die Honda Innova zum ersten Mal sichtet. „Das ist kein Roller, sondern ein Leichtkraftrad“, wird ihm entgegnet. Bei so viel Interesse und Neugier kann sich der vermeintliche Roller-Besitzer dann im Nachsatz den stolzen Hinweis auf die automatische Kupplung und die Ganganzeige nicht verkneifen. Letztere entlockt dem Suzuki-Piloten dann noch ein anerkennendes Lachen. Zugegeben, auch der Autor dieser Zeilen ertappte sich immer wieder dabei, wie er sich nicht zwischen die Innova oder der Innova entscheiden konnte. Schauen wir uns das etwas verwirrende Gefährt also einmal näher an.

Keine Frage, die Innova 125 kommt einem bekannt vor. Hunderttausende Menschen fahren auf diesem und ähnlichen Modellen der Massenmotorisierung in Asien. So stammt die kleine Honda dann auch aus thailändischer Produktion. Da mag man nicht unbedingt Innova mit Innovation gleich setzen. Doch Vorsicht mit vorschnellem Urteil. Die etwas ungewöhnliche Honda genügt auch europäischen Ansprüchen, und zwar mehr als man auf den ersten Blick vermutet.

Honda Innova 125Zunächst einmal steckt kein stinkender und knatternder Zweitakter unter der Plastikschale, wie man möglicherweise aufgrund des Designs vermuten könnte, sondern für Vortrieb sorgt ein moderner Viertakt-Motor mit Benzineinspritzung. Und der macht seine Sache trotz der nur 9,3 PS erstaunlich gut. Da hatten wir – auch von Honda – zumindest subjektiv deutlich schwachbrüstigere 125er unterm Hintern. Es ist schon beinahe verblüffend, wie gut das 105 Kilogramm schwere Leichtkraftrad beschleunigt. Das trifft keineswegs nur auf den flotten Ampelstart und das hervorragende Mitschwimmen im Stadtverkehr zu. Auch auf der Landstraße überzeugt das kleine Triebwerk durch respektablen Durchzug Da sind selbst LKW-Kolonnen auf der Autobahn kein unüberwindliches Hindernis.

Honda Innova 125 KettenkastenBei Bedarf bewegt sich die Tachonadel bis auf 110 km/h vor. Alle Achtung! Nur dem einen oder anderen Reisebus muss sich der Innova-Fahrer geschlagen geben sowie leichte Abstriche an Steigungen machen. Selbst für den Zwei-Personen-Betrieb reichen die Kräfte des kleinen Motors halbwegs aus, der seine Maximalleistung bei 7500 Umdrehungen in der Minute erreicht. Mit Sozius gehen allerdings leicht die beiden klassischen Federbeine hinten ein wenig in die Knie. Die Innova überzeugt aber ansonsten auch durch ihr gutes Fahrwerk. Die 17-Zoll-Räder halten die Honda gut in der Spur. Spurrinnen und Querrillen beeindrucken das kleine Gefährt nicht. Und das fast schon Allerschönste: Die Ingenieure haben der 125er noch einen kernigen Auspuffklang spendiert. Der im Vergleich zur Fahrzeuggröße mächtige Endschalldämpfer sorgt für satten Einzylindersound wie er auch etwas hubraumstärkeren Maschinen durchaus gut zu Gehör stünde. Dazu kommen kleine Annehmlichkeiten wie ein kleines Beinschild und ein kleines Staufach unter der Sitzbank. Und ein Wiedersehen mit dem Kettenkasten gibt es auch, dessen Aussterben im Motorradbau einzig und allein Designgründen geschuldet ist, denn vernünftige Gegenargumente gibt es eigentlich nicht.

Honda Innova 125 CockpitGewöhnungsbedürftig ist die Gangschaltung, gleichzeitig aber auch eines ihrer besonderen Merkmale. Gestandene Motorradfahrer haben erst einmal ihre Liebe Not damit, und das nicht nur wegen der automatischen Kupplung. Zwar werden die vier Getriebestufen mit dem Fuß gewechselt, aber die Gänge sind gänzlich anders sortiert als man es von Motorrädern an sich gewohnt ist. Der erste Gang liegt wie gehabt unten – doch alle anderen auch. Und nicht nur das. Wer im vierten und letzten Gang angekommen ist, für den ist immer noch nicht Schluß, denn von dort geht es durch erneutes Herunterdrücken des Fußschalthebels directement wieder in den Leerlauf. Das erspart im Zweifelsfall viel Gerühre im verzahnten Räderwerk.

Mit 60 km/h darf die Innova also getrost im vierten Gang auf die rote Ampel zusteuern, abgebremst und nach Schließen des Gasgriffs in dieser Getriebestufe auch gestoppt werden. Ein kleiner Fußtritt auf die Schaltwippe und flugs ist der Leerlauf eingelegt oder auch gleich schon in vorauseilendem Gehorsam der erste Gang für das Umspringen auf Grün. Dann heißt es einfach nur: Gas aufreißen, Gas wieder zudrehen und einfach ohne Kupplung hochschalten. Schneller kann man Gänge kaum wechseln. Einfach herrlich. Da sehen auch Autos mit zehnfacher Leistung auf den ersten Metern erst einmal kaum eine Schnitte.

Honda Innova 125 HelmfachStatt eines Drehzahlmessers helfen Zusatzzahlen auf der Tachoskala dabei, dem Einzylinder nicht zu viel Um­drehungen zuzumuten. Unter der 40 km/h-Markierung findet sich eine 1, unter 60 km/h eine 2, bei 80 km/h eine 3 und bei 100 km/h die 4. Warum ein unnötig kompliziert, wenn es doch auch so einfach geht?

Eine böse Überraschung tauchte nach 110 Kilometern auf. Die digitale Tankanzeige mahnte zum Auffüllen des Treibstoffvorrats. Ups! Hatte Honda nicht um die 2 Liter Durchschnittsverbrauch versprochen und nun war schon nach so kurzer Distanz Feierabend. Also doch ein Schluckspecht. Naja, da hatte wohl die Autobahnstocherei, die gut die Hälfte der Strecke und dazu noch zum großen Teil unter Volllast ausgemacht hatte, ihren Tribut gefordert. Sollten also doch drei oder vier Liter durch die Einspritzung gejagt worden sein? Doch die böse Überraschung wandelte sich an der Zapfsäule in eine angenehme. Nach 2,5 Litern war der Tank rappeldick voll. Na, also. Geht doch. Da muss man bei gemäßigterer Gangart schon aufpassen, welche Tankstelle seines Vertrauens man ansteuert: „Abgabe nicht unter zwei Liter“ und ähnliches liest man da gerne als Kleingedrucktes an der Zapfsäule. Da könnte es mit der Innova also schon mal etwas eng werden.

Mit der Innova 125 hat Honda ein überzeugendes Konzept zu einfacher und kostengünstiger Mobilität vorgelegt, das mit vielen vernünftigen Details aufwartet. Das kleine Fahrzeug vereint Rollertugenden mit dem Fahrspaß eines Leichtkraftrads und kann selbst gestandenen Motorradfahrern Freude bereiten. Mit 2190 Euro ist sie zudem das günstigste Motorrad im Programm der Marke.