aus Kradblatt 10/20 von Marcus Lacroix

Klappe, die Zweite …

HJC RPHA 90 (links) und RPHA 90S (rechts)
HJC RPHA 90 (links) und RPHA 90S (rechts)

HJC hatte mit dem RPHA 90 ein gutes Händchen bewiesen, der sportlich designte Klapphelm ist nicht nur bei Tourenfahrern beliebt. In Kradblatt-Ausgabe 6/18 hatten wir ihn euch vorgestellt und ich bin ihn sehr gerne gefahren. Auf der 2019er EICMA (2020 fallen die Leitmessen leider aus) stellte HJC den Nachfolger RPHA 90S vor, der mittlerweile nicht nur den Weg zu den Händlern, sondern auch in unsere Redaktion gefunden hat. 

Zum Ausprobieren erhielten wir den Helm samt passendem Kommunikationssystem Smart HJC 20B, das von Sena produziert wird. Hier liegt die Vermutung nahe, dass der RPHA 90S deshalb das S im Namen führt, denn der „alte“ RPHA 90 kam mit einem auf HJC zugeschnittenen Packtalk Slim von Cardo. Möglicherweise steht das S aber auch für Superduper, Spezial oder so was in der Art …

Beim ersten schnellen Vergleich erkennt man kaum Unterschiede. Das Basis-Gewicht des RPHA 90S fällt lt. Aufkleber mit 1600 Gramm um 100 Gramm höher aus. Gemessen sind es in Größe M 1598 Gramm plus 30 Gramm für das Pinlock-Antibeschlagvisier. Hier setzt HJC statt auf Skipfog jetzt auf das Original und dann auch gleich in der 120er Version für höchsten Beschlagschutz. Das Pinlock darf man – ebenso wie das Kommunikationssystem – selbst montieren.

Der RPHA 90S ist optimal für den Einbau des Smart HJC vorbereitet, nichtsdestotrotz empfehle ich, den Einbau vom Fachhändler gleich beim Kauf des Helmes erledigen zu lassen. Zumindest dann, wenn man bei filigraner Fummelarbeit zu Tobsuchtsanfällen neigt. Die Einbauanleitung besteht aus 12 winzigen Bildchen – keine weitere Erläuterung. Ohne Ausraster hat man das Headset nach 30 Minuten im Helm, für das Packtalk im 90er habe ich länger gebraucht.

Danach ging es wieder auf die Waage und siehe da: RPHA 90 und RPHA 90S trennen voll ausgestattet nur noch 10 Gramm (1726 zu 1736 Gramm). Das anfängliche Mehrgewicht des 90S relativiert sich somit wieder.

Deutlich größer, der herausnehmbare Kinnspoiler des HJC RPHA 90S (rechts)
Deutlich größer, der herausnehmbare Kinnspoiler des HJC RPHA 90S (rechts)

Weitere Auffälligkeiten: Der herausnehmbare Kinnspoiler des 90S ist größer und dicker, ein zusätzlicher, ebenfalls herausnehmbarer Kragen für den Nackenbereich kann montiert werden. Das Visier bietet jetzt 5 statt 4 Raststufen, die Außenschale gibt es in 3 statt 2 Größen und – jetzt kommt das eigentliche Highlight – der RPHA 90S ist als Intergral- und Jethelm zugelassen (P/J Homologation). Ich höre schon den Begeisterungssturm der Kettenraucher, endlich legal während der Fahrt eine quarzen. Ok, nur Spaß. Den meisten Nutzern dürfte diese Neuerung eher egal sein, da ein offener Klapphelm schon aufgrund der Gewichtsverteilung keinen Jethelm ernsthaft ersetzen kann. Für die Ausstattung von z. B. Behörden-Kradfahrern dürfte das aber ein wichtiges Kriterium in Ausschreibungen sein. 

In der Handhabung unterscheiden sich die beiden RPHAs nicht. Metall-Rastensteckschloss, Einhand-Bedienung des Kinnteils, das beim 90er schon satt und beim 90S jetzt sehr satt einrastet. Die auch mit Handschuhen leicht bedienbare Kopfbelüftung arbeitet ordentlich, die Kinnbelüftung leitet Luft nach wie vor nur gegen das Visier. Bei geschlossenem Visier wünsche ich mir im Sommer bisweilen etwas mehr Wind um die Nase. Das Entfernen des Kinnspoilers hilft etwas, erhöht aber den Geräuschpegel. Das Visier lässt sich verriegeln, um bei hohen Geschwindigkeiten ein Öffnen zu verhindern – mehr als 200 km/h naked habe ich allerdings mangels Moped nicht testen können, da hält es auch so. Das innenliegende Sonnenvisier lässt sich wie gehabt über einen Schieber an der linken Helmunterkante bedienen, das hautfreundliche „MultiCool“ Innenfutter aus antibakteriellem Material kann zum Waschen herausgenommen werden.

Immer wieder werde ich auf die Lautstärke von Helmen angesprochen bzw. darauf, ob sie leise sind. Und wie immer ist die Antwort: es gibt aus meiner Sicht keine wirklich leisen Helme! Empfundene Lautstärke ist zudem sehr subjektiv. 

Der RPHA 90/90S ist bei aufrechter (Reiseenduro) Sitzposition bei mir relativ leise – leiser, als sportlich vorgebeugt. Leichte Änderungen in der Kopfneigung beeinflussen aber schon das Klangbild. Mit Windschildern oder Verkleidungen wird’s noch mal komplizierter. Das Bedienteil von Sena verursacht dabei mehr Windgeräusche, als die besser integrierte Cardo-Variante des 90ers. 

Nichts für Grobmotoriker: Mini-Bilder als Einbauanleitung - Sena - HJC RPHA 90S
Nichts für Grobmotoriker: Mini-Bilder als Einbauanleitung

Womit wir schon bei der Kommunikation sind. Der Funktionsumfang der Systeme geht deutlich über das hinaus, was ich persönlich im Alltag brauche. Navi-Ansagen, telefonieren und evtl. mal etwas Musik reichen mir. Gruppenschnack, auch über längere Distanzen, Sprachsteuerung oder das Radio nutze ich quasi nie. Hier sollte man schon überlegen, was man wirklich braucht, das Smart HJC 20B kostet immerhin 299,90 € und nicht jeder möchte mit bis zu 7 Fahrern gleichzeitig bei einer maximalen Reichweite von 1,6 km kommunizieren. Das Smart HJC 10B kann einiges weniger, kostet dafür aber nur 139,90 €.

Einbau Smart HJC (Sena) in RPHA 90S
Das Kabel unterzubringen war am schwierigsten …

Beim 20B gefallen mir außerdem die Tasten nicht, die zwar großflächig sind, mir aber selbst mit Sommerhandschuhen zu wenig Feed­back geben. Auch da bevorzuge ich das Cardo Packtalk des 90ers, selbst wenn es weniger stylisch aussieht. Gleiches gilt für die Klangqualität – ebenfalls eine sehr subjektive Sache. Beim ersten Musik-Test mit dem 20B dachte ich glatt an einen Bedienfehler meinerseits, Musikgenuss war das nämlich nicht. Die Lautsprecher arbeiten stark mitten/höhenbetont. Erst durch das Tragen meiner maßgefertigten Ohrenstöpsel mit Filtersystem (kosten nicht viel, kann ich nur empfehlen!), konnte ich mich mit dem 20B einigermaßen versöhnen. Wohl nicht umsonst liefert Sena sein Flagschiff der 50er Serie mit HD-Lautsprechern aus, die es zum Nachrüsten demnächst auch für kleinere Sena-Systeme geben soll.

Lasst euch bei der Auswahl der Kommunikationsanlage beraten und steckt das dort gesparte Geld lieber in den Helm!

Den empfehlenswerten HJC RPHA 90S gibt es im Fachhandel in den Größen XS bis XXL unifarben ab UVP 479,90 €, Designvarianten wie das hier abgebildete Design „Bekavo“ kosten 529,90 €, das Topmodel, sehr edel in blauem Carbon, 639,90 €. Durch seine Faserverbundschale ist er langlebiger als ein Thermoplasthelm, der höhere Einstiegspreis relativiert sich so wieder. HJC gibt außerdem 5 Jahre Garantie.

 Wie immer gilt: fahrt den Helm vor dem Kauf möglichst Probe – wenn er nicht ordentlich sitzt, ist es nicht euer Helm! Im Fachhandel bekommt ihr außerdem bei Bedarf Wangenpolster in der für euch passenden Stärke.