aus Kradblatt 11/18, von Torsten Thimm

Frankreich – L’Ardèche fantastique …

 Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique" 

Frankreichs Süden ist ein Traum aus Landschaften, blauem Himmel, kulinarischen Höhepunkten und ein Paradies für all jene, die gerne Motorrad fahren. Tiefe Schluchten, weite Blick, tolle und oftmals leere Straße, all das ist hier möglich und vieles mehr. Und so hat auch das ca. 6000 km² große Departement Ardèche, unterhalb Lyons eine Menge Aktivitäten für jedermann zu bieten. Doch wer nun denkt, dass es sich lediglich auf das Gebiet rund um den namensgebenden Fluss reduzieren lässt, der liegt vollkommen falsch und sollte diese Geschichte auf jeden Fall komplett lesen, um sich inspirieren zu lassen oder sich, noch besser, danach selbst auf den Weg zu machen, um das Gebiet zu ERfahren.

An der ArdecheEs ist noch dunkel draußen, als wir das Cabrio an diesem Septembermorgen besteigen und Richtung Les Vans aufbrechen. Das Ziel ist es, einfach mal wegzukommen, dem tristen Alltag zu entfliehen und noch einmal für dieses Jahr den Indian Summer zu spüren. Mit dabei zum ersten Mal unsere beiden Kawasaki Ws, die uns, man möchte es fast meinen, fröhlich durch die Heckscheibe vom Trailer aus anschauen. 

Da wir so früh unterwegs sind, verläuft die Anfahrt vollkommen stressfrei, sodass wir bereits am frühen Mittag unsere Unterkunft (www.masdelagarrigue.com) oberhalb von Les Vans erreichen. Thomas und Marina empfangen uns wie alte Freunde, obwohl wir bis dahin nur E-Mail-Kontakt hatten und uns noch nie gesehen haben. Abladen, auspacken, verstauen und ins Apartment einziehen heißt es an diesem Tag noch, bevor Carmen und ich noch einmal das Auto besteigen, um in Les Vans einkaufen und ein wenig bummeln zu gehen. Auf diese Art und Weise vergeht der Rest des ersten Tages zügig und trotz der Anstrengungen, der langen Anreise fühlen wir schon jetzt, dass unser Entspannungsplan Realität wird.Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique"

Der nächste Morgen beginnt dann auch genauso angenehm, wie der Abend endete und nach dem Frühstück im Garten, machen wir die Mopeds startklar. 

Auf zuerst verschlungenen und mit grauen Trockensteinmauern umrahmten Straßen fahren wir in Richtung Grospierres, und dann mitten hindurch durch das felsige Labyrinth des Bois de Païolive, in dem wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Die Natur hat hier ganze Arbeit geleistet und der Mensch hat eine kleine Straße durchgebaut. Rechts und links neben der einspurigen Fahrbahn sieht man wahre Skulpturen aus Kalkstein, die zusammen mit dem Morgenlicht und den noch immer grünen Bäumen eine fast mystische Atmosphäre erzeugen. 

Leckere Muscheln in SüdfrankreichÜber die Route de la Bastide gelangen wir danach zum ersten Mal hoch hinaus und bekommen einen freien Blick auf die Ardèche und die umliegende Hügellandschaft. 

Auch nach vier Monaten ohne Regen, zieht einen diese grandiose Natur noch gnadenlos in ihren Bann und die Freude steigt bei dem Gedanken, dass alles noch ERfahren zu dürfen. 

Nach Sampzon fällt die Straße in engen Bögen hinunter ins Tal und dann weiter zum Pont d’Arc, unserem ersten längeren Haltepunkt dieses Tages. Der Andrang ist sehr verhalten und der Wasserstand der Ardèche extrem niedrig. Daher schwingen wir nach den obligatorischen Fotos wieder von dannen und folgen der D290 entlang des Flusses. 

Carmen und ich nehmen uns an diesem Tag viel Zeit und genießen die Ausblicke an den verschiedenen Aussichtsplattformen oberhalb des Flusses. 

Gegen Mittag und einige Fotoshootings später, kehren wir in ein kleines Lokal namens Auberge du Pouzat ein und finden auf dessen Terrasse einen gemütlichen Platz an der Sonne. Derweilen werden unsere knisternden Ws mit hohem Interesse von den anderen Lokalgästen begutachtet und ich beantworte die folgenden Fragen der Interessierten. Etwas Verwirrung macht sich breit, als ich ihnen sage, dass es sich bei den beiden Bikes um noch immer aktuelle Modelle handelt und um keine echten Klassiker. Auf jeden Fall ist man sich am Ende einig, dass es schöne Motorräder sind und man wünscht uns Bonne Route für den weiteren Verlauf unserer Reise. 

Kawasaki W650 und W800 - ideal für Genießer Nach dem deutsch, englisch und französischen Gespräch genießen wir die Ruhe und die frisch zubereiteten Muscheln. Ja wir saugen diese einmalige Atmosphäre des ersten Urlaubstages in uns auf und relaxen nach dem Mahl bei einem Café au lait, bevor wir langsam wieder aufbrechen und über Saint-Martin d ’Ardèche den Bogen zurück in Richtung Les Vans schlagen. 

Noch einmal zieht uns die Natur in ihren Bann und es bleibt uns gar nichts anderes übrig, wir folgen ihr ohne Gegenwehr. Über den Col de la Forestière nach Bessas tragen uns die beiden Ws blubbernd zurück in die Unterkunft nach Les Vans. Damit endet ein traumhafter Tourtag, den wir mit einem vorzüglichen Mahl an Marinas großer Tafel beschließen. 

Nach der ruhigen Nacht in den echt bequemen Betten unseres Appartements, stellen wir erfreut fest, dass uns Petrus anscheinend wohlwollend gesinnt ist und erneut einen sonnigen Tag schenkt.

Nach dem nun obligatorischen Frühstück im Garten und der Begrüßung durch Quietschi der Haus- und Hof-Katze machen wir uns erneut fahrfertig. 

Markt-Tag - Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique" Für den heutigen Tag haben wir eine Städterundfahrt, oder besser gesagt Dörferrundfahrt, der besonderen Art ausbaldowert. Diese führt uns zunächst nach Naves, nur ein paar Kilometer entfernt von Les Vans. Und schon beim Betreten des Ortes wird es mystisch. Glaubt man zudem den Einheimischen ist man gesegnet, wenn man die kleine Kapelle im Zentrum des verwinkelten Ortes betritt. Da das Gotteshaus aber leider heute verschlossen ist, begnügen wir uns mit dem Berühren des Gebäudes und hoffen darauf, dass das für den Segen ausreicht. Der Ort an sich bietet viele kuschelige Ecken und die Gassen leiten uns vorbei an den alten Steinbauten zurück in eine Zeit, in der abends das Dorfleben auf der Straße stattfand und Strom, oder gar Handys ein Fremdwort waren. 

Zurück an den Bikes geht es über kleine zumeist einspurige 3D-Straßen (Carmens Interpretation) mitten durch die faszinierende Natur mit ihren Kiefernwäldern und mittlerweile braunen Farnen am Straßenrand. 

Über Payzac, verschlägt es uns nach Planzolles – genauer gesagt in eine dortige Ziegen-Käserei, in der wir unsere Taschen mit den köstlichen Milchwaren des Bauern füllen (www.peytot.com) – bevor wir in Joyeuse, noch unseren Frischwasservorrat ergänzen. 

Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique" Kurz drauf befinden wir uns erneut im Sattel der Maschinen und folgen der D403 und D579 nach Vogüé, dem nördlichsten Punkt der Tour und von da weiter Richtung Süden nach Balazuc. 

Auch in diesem Ort fühlt man sich, ähnlich wie in Naves, in die Vergangenheit versetzt und die Gelassenheit, die dieser Platz verströmt, lässt so manchen deutschen Besucher in Unruhe verfallen. Wir genießen die weiten Ausblicke der über dem Fluss klebenden Stadt und ihren altertümlichen Charme, in den engen und zuweilen steilen Gassen. Grinsend über die Szenerie schauen sich Carmen und ich an und nach einem kleinen Snack und einem Kaffee rollen wir erneut davon. 

Auf der gut ausgebauten D4 kommen wir flott voran, während die trockene Ebene auf beiden Seiten der Straße an uns vorübergleitet. Labeaume ist das nächste Ziel und so fahren wir die Ws die engen Auffahrten hinauf und vor dem Ortskern wieder hinunter, bevor wir die beiden Mopeds auf dem örtlichen Parkplatz abstellen und die Motoren verstummen. 

Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique" Waren Naves und Balazuc schon ein Erlebnis, so fühlt man sich in Labeaume ein klein wenig in den dritten Teil der Herr der Ringe Saga versetzt. Zudem ist es durch die Sackgasse, an dessen Ende dieser Ort liegt, ruhig und somit der genau richtige Platz, um den Picknickkorb mitzunehmen und zu vespern. Wir nehmen uns diese Zeit, suchen eine Stelle oberhalb der Stadt und genießen den Tag wie Gott in Frankreich. Erst viel später und nach einem ausgiebigen Sonnenbad brechen wir von hier aus wieder auf und halten uns weiter südwärts, um noch einmal die Hochebene und den Bois de Païolive zu durchqueren. 

Mit der Nachmittagssonne ist diese Gegend ebenso faszinierend, wie beim ersten Mal und mit diesem beschwingten Gefühl kommen wir auch an diesem Tag in die Unterkunft zurück. 

Ein weiteres Highlight der Gegend sind die an verschiedenen Wochentagen und dem Wochenende stattfindenden Wochenmärkte. Wie auch die Winzer in den umliegenden Orten, wenn man wie wir guten Wein zu schätzen weiß. 

Dafür planen wir für heute einen Ruhetag von den Motorrädern ein und eine Rundfahrt mit dem Cabrio. Les Vans bietet dabei ein ganz besonderes Marktgeschehen, das keinerlei Wünsche offen lässt und zudem noch durch seine Gemütlichkeit in den engen Gassen des Ortes zu überzeugen weiß. Lebensmittel jeglicher Art werden hier feilgeboten, Kleidung, Accessoires und vieles mehr, was man braucht, oder auch nicht. 

Motoradreise Frankreich "Ardeche fantastique" Der Morgen und fast der gesamte frühe Mittag vergehen dort, als ob Zeit nichts wäre, bevor wir zu den Winzern fahren und uns reichlich mit deren edlen Tropfen eindecken. Ob in der Domaine de Pecoulas (www.domainedepecoulas.com) oder in der Cave de Lablachère (www.cave-lablachere.fr), die Weine erfüllen höchste Ansprüche zu einem fairen Preis. Als wir zurückfahren, liegt der BMW ein Stückchen tiefer und es ist schon zu spät, um noch einmal mit dem Motorrad aufzubrechen. Daher lassen wir uns im offenen Auto einfach den Wind um die Nase wehen und genießen die Heimfahrt heute einmal anders. 

An diesem Abend verwöhnen uns erneut Marina und Thomas mit ihrem Abendessen. Doch bevor wir schlafen gehen trinken Carmen und ich noch 2–3 Gläser des neuen Weins und genießen den Sonnenuntergang im Garten des Hauses. 

Unser nächster Tag beginnt schon sehr früh, denn noch einmal haben wir eine, erst einmal nur auf dem Bildschirm, atemberaubende Tour geplant. 

Diesmal geht es zuerst ein wenig Richtung Südwesten, wo wir über etliche Kurven mit den verschiedensten Radien zum Col du Pré de la Dame hinauffahren, um die ersten weiten Blicke an diesem sonnigen Tag zu erhaschen. Weiter folgen wir der D66 nordwärts bis nach Villefort, wo wir uns am See in der Mittagszeit stärken. Was danach kommt ist das gefühlt wohl ausgeklügelste 3D-Straßennetz Südfrankreichs (schmale aber immer noch geteerte Straßen) und die D151. Erst viel später bekommen wir mit der D4 wieder festen Teer unter die Rädern. 

Über den Col de Meyrand fahrend, genießen wir den frühen Nachmittag und die wärmende Herbstsonne, bevor mit der D19 bis nach Jaujac ein echtes Highlight an Straßenbau und Führung auf uns zukommt. 

Von da ab geht es bergab, wieder in Richtung Les Vans. Über den Col de la Croix de Millet und die D203 nach La Rochette mitten durch die Treibjagden der einheimischen Jäger und die vollen Kastanienbäume rechts und links neben den engen, sich windenden Straßen. 

Zugegeben, bei der Planung haben wir das alles durchaus unterschätzt und sind froh, als wir mit der langsam einsetzenden Dunkelheit das Ortsschild von Les Vans passieren und die Tour nach rund 260 Kilometern beenden. Ein Traum war dieser letzte Tourtag mit dem Motorrad trotzdem, auch wenn wir uns an der einen oder anderen Stelle ein etwas komfortableres Motorrad gewünscht hätten. Insgesamt aber machten die Ws ihren Job gut und waren zum Genießen der Gegend genau die richtige Wahl. 

Das Fazit der Reise lautet dann auch: Unser Ziel war es Entspannung zu finden und noch einmal die Sonne zu genießen, bevor der Winter und die dunklen Tage ihren Einzug halten. Dieses Ziel wurde an und um die Ardèche zu
100 % erfüllt und sogar teilweise übertroffen. Dank unserer Gastgeber im Mas de la Garrigue bekamen wir zudem noch tolle Tipps und eine super Verpflegung. Nicht vergessen möchte ich aber auch meinen Freund Jochen Ehlers
 (www.endurofuntours.com), der uns im Vorfeld viele Ideen gegeben hatte und die Gegend wie seine Westentasche kennt.