aus bma 05/03

von Berni Lakeberg

Faak am SeeEeeeendlich Sonntag, Urlaub, mein Bruder (auf BMW R 1150 RT) ist da und es geht los. Eine Woche zum Harley–Treffen nach Kärnten.
Erster Tag: Ziel Tegernsee, Autobahn, Augen zu und durch, Hotel aufgesucht, Umtrunk im Tegernseer Brauhaus – fertig.
Nach dem Frühstück verzieht sich der Morgennebel so langsam – wir uns auch. Hinter Bayrischzell geht’s los: Tatzelwurmstraße – rein ins Sudelfeld, so richtig schön Motorradfahren. Wenig Verkehr, enge Straßen, noch mehr Kurven, herrliche Ausblicke. Das einzige, was stört, sind die vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Kurz vor Kössen am Walchsee erst mal richtig durchschnaufen, kurz erholen, die schöne Strecke verdauen und die nun nicht mehr durch Wolken verhinderte Sonne genießen. Das Leben ist so richtig schön! Weiter geht’s über St. Johann i. T., den netten Grießenpass (969 m), Saalfelden in Richtung Großglockner. Die Sonne scheint kräftig, die Rast in Thumersbach am Zeller See war eigentlich zu kurz, aber das Hochtor (2575 m) ruft.
Und ab geht’s, Wegelagerergebühr (17 Euro) entrichtet Die Ermahnung des Inkassobeamten noch im Ohr: „Fahrt’s vorsichtig, oben ist es total nebelig!” nehmen wir die ersten Kurven und Kehren unter die Räder, noch ein wenig verhalten, die Sicht ist hier noch sehr gut, die Ausblicke für uns flächenverwöhnte Norddeutsche zu verführerisch. Doch dann kommen die angekündigten Wolken, Aussicht gestrichen, die Sicht auf die Straße ist noch gut, der Belag trocken, der Asphalt grippig, kein Verkehr – also Gaaaaas! Auf der Franz-Josefs-Höhe wird es aber verdammt Zeit, dass die Straße zu Ende ist. Jetzt erst mal Adrenalin abbauen, durchatmen, Kiefer entspannen und runter vom Mopped.

 

Den Iselsbergpass (1208 m) kurz vor Lienz habe ich fahrerisch irgendwie gar nicht so richtig mitgekriegt. War in Gedanken wohl immer noch ein wenig am Großglockner. Egal – bei Leisach geht’s auf die mautfreie Pustertaler Höhenstraße und nun bin ich wieder voll da. Ein unglaublich schöner Kontrast zum Hochgebirge, schmale, enge, kurvige Straßen, schnuckelige Dörfer, Bauernhöfe, für die die Bezeichnung Kleinod fast eine Beleidigung ist, und dann diese immer neuen Ausblicke ins Tal – und das alles bei strahlendem Sonnenschein, ohne störenden Autoverkehr! Die Gashand macht automatisch immer mehr zu. Es ist Genuss pur!
Kurz vor Sillian geht es links ab über den Kartitscher Sattel (1525 m) durch das wunderschöne Lesachtal. Und wieder überrascht uns eine ganz andere Streckenführung und neue Landschaftsbilder. Bei einer echten Bachforelle (klein, aber fein) bin ich dem Autor eines Berichtes dankbar, der das Lesachtal als eines der schönsten Täler Österreichs beschrieben hat. Der Mann hat recht!
Nun wird’s aber Zeit, Schluss mit Sinnieren, wir müssen los, zum eigentlichen Ziel nach Faak. Harleys gucken. Kurz vor dem Dunkelwerden begrüßen uns die ersten Donnerbolzen aus Milwaukee mit ihrem so unvergleichlich schönen Sound. Wir sind da: Harleys Heaven Faaker See 2002!
Bernis WingDie wohlverdienten Bierchen nach diesem traumhaften Fahrtag, die ersten schönen Harleys, der passende Sound, der schöne See in seiner so herrlich-lieblich eingerahmten Landschaft – das Bikerherz genießt.
Dienstag, kurz vor Mittag soll’s wieder losgehen. Mist! Die feuchte Seeluft hat meinen Helm schrumpfen lassen. Lass uns noch ein bisschen warten, zu gucken gibt’s eh schon genug. Dann passt der Helm wieder. Autobahnfahren wollen wir nicht. Also den ersten Zielpunkt ins GPS eingegeben und bedächtig losgefahren. Zuverlässig werden wir auf Nebenstraßen zur Auffahrt Turracher Höhe (1783 m) geführt. Was nun kommt ist einfach genial. Bis zu 26% Steigung, der Erbauer muss Moped/Wingfahrer gewesen sein. Die Kurven sind einfach genial, keine gemeinen Hundskurven, keine überraschenden Schwünge, alles ist so, wie es sein sollte. Man kann so richtig schön seine Linie fahren, jeden Meter genießen. Selbst in ganz langen, schnellen Kurven wird man nicht überrascht. Der Kurvenausgang passt immer. Viel zu schnell sind wir oben und uns einig: Das hier ist kaum zu toppen. Zurück geht’s Richtung Reichenau, denn wir wollen noch die Nockalmstraße fahren. Wir sind fast wieder unten und – zwei Doofe, ein Gedanke – gucken, linker Blinker, umgedreht und jetzt geht’s wieder hinauf. Bei der vierten Wiederholung passt es dann. So soll es sein! Jetzt dürfen alle Pferdchen und alle Zylinder mitspielen und zeigen, was in ihnen steckt. Und zum ersten Mal in meinem Wingerleben hätte ich gerne noch mehr Drehmoment und so dreißig Rösser mehr wären auch schon toll. Als es dann zum vorerst letzten Mal wieder runtergeht brabbelt die Wing fast unhörbar vor sich hin. Aber irgendwie klingt sie jetzt anders, zufriedener, so als ob sie so richtig frei und mit sich und der Welt zufrieden ist. Aber das bilde ich mir bestimmt nur ein, vielleicht weil es mir so geht?
Vor Reichenau biegen wir rechts ab zur Nockalmstraße. Noch schnell die Wegelagerergebühr entrichtet und jetzt die 35 km durch das sanfte Hochgebirge mit seinem unverwechselbar anmutigen Erscheinungsbild genossen. Insgesamt 52 Kehren verwöhnen das gierige Bikerherz mit landschaftlichen Traum-Aussichten und Kurven gepaart mit längeren Steigungen, einige enge Kehren (nicht so das Ding für die Wing) und das alles bei einem super Straßenbelag. Dieser Nationalpark ist einfach zu schön, um hindurch zu blasen und so unterbrechen viele Fotostopps unsere Fahrt.
Im zünftigen Alpengasthaus gibt es auf 2024 m Höhe eine kräftige, ehrliche Hausmannskost, ein Plateau mit genialer Fernsicht und eine Harley Heritage Classic mit richtigen und unübersehbaren Gebrauchsspuren. Ein Blick aufs Nummernschild: Finnland! Es gibt sie also noch, die Harley-Fahrer. Den dazugehörigen Reiter lernen wir kurz darauf kennen. Ein supernetter (Harley)Typ, der viel zu erzählen hat.
In Innerkrems verlassen wir die Nockalmstraße und fahren rechts Richtung Pichlern, dem Tipp eines Bekannten folgend. Und diese Fahrt durch das liebliche Feldbach und später durchs Bundschuhtal ist ein wunderbarer Kontrast zum eben genossenem Hochgebirge. Jetzt geht es immer am Bach längs, mal fließt er links, mal rechts neben uns, mal klein und geheimnisvoll gurgelnd, mal größer und in kleinen Stromschnellen, aber immer präsent und nach jeder Windung anders. Als wir in Pichlern ankommen kann keiner von uns sagen, ob wir gebummelt haben oder gegeigt sind, wir sind überwältigt und haben das „Durch-Die-Natur-Fahren” genossen. Weiter geht es jetzt auf der 99 und wir genießen (?) die 17 % zum Katschberg hinauf und die 21 % wieder herunter. Es ist schön und gleichzeitig ist es irgendwie blöd, aber wir werden dieser Teilstrecke nicht mehr gerecht.
Der Autoverkehr, den wir bis dahin gar nicht registriert hatten, weil kaum vorhanden und wenn, mit einem Gasgriff zu beseitigen, und die bisherige phantastische Fahrt haben uns zu sehr gefangengenommen. Man ist leider so verdammt schnell verwöhnt. In Gmünd machen wir dann die überfällige Pause, die wir vor dem Katschberg hätten machen sollen. Wir beschließen dann doch noch das Maltatal ganz in Ruhe zu fahren, obwohl es eigentlich schon zu spät ist. Vor der Wegelagererhütte informieren wir uns bei zurückkommenden Bikern: „Oben keine Sicht, Straße wird schon feucht, lohnt sich nicht.” Auch gut. Düddeln wir gemütlich zurück zum Faaker See, wir haben eh noch genug zum Verarbeiten und morgen soll’s wieder richtig losgehen.
Show-HarleyKaum auf der Kuppe bei Drobollach am Faaker See angekommen, empfängt uns dieser wunderschöne V-ZWO-SOUND. Im Vergleich zu gestern ist jetzt schon was los. Jetzt sind es nicht mehr kleine Grüppchen, sondern schon kleine bis mittlere Rudel. In den Festzelten geht es abends schon z. T. gut ab, nicht nur geschniegelt, aufgeziegelt und mit viel Kohle gesponsort, ne, eigentlich so wie es sein soll – spontan und deswegen gut. Und die ersten Burn Outs passen so richtig dazu. Kurz und gut, ein langer Abend!
Mittwoch morgen. Scheiß feuchte Luft hier am See. Helm passt wieder nicht auf Anhieb. Egal, wir haben viel vor. Slowenien ruft. Ab geht’s Richtung Arnoldstein zum Wurzenpass (1073m). Nicht spektakulär, aber zum Warmwerden genau das Richtige. Oben schnell noch Zollfreies gebunkert und dann weiter. Kurz hinter Podgoren liegt ein idyllischer kleiner See mit Rasthaus, einladendem Biergarten und einer grandiosen Aussicht auf die Karawanken. Auf dem Parkplatz jede Menge Harleys und auch bei mir ist die Versuchung riesengroß. Der Jappel auf was Geistiges, dann schön was essen, Wing Wing sein lassen und mit der untergehenden Sonne irgendwann wieder über den Wurzenpass zurück zum Zelt, das hätte was. Aber nee, wir wollen was sehen. Kurzentschlossen Gang wieder rein, Gas geben und hin zum Vrsic Sattel (1612 m).
Die Auffahrt fängt äußerst bescheiden an. Baufahrzeug, enge Straße mit viel Dreck, Hinterherzuckeln im Dieselgestank. Endlich eine kurze Gerade, kein Gegenverkehr und vorbei. Aber nichts ist’s mit richtig fahren. Die Straße bleibt eng, unübersichtlich und dreckig, Verkehr ist reichlich und – Sch… in den Kehren zum Sattel hoch Kopfsteinpflaster. Endlich oben entschädigt ein wunderbarer Blick ins Tal für die Auffahrt. Eine kleine Picknickstelle zum Sitzen, Ausruhen und Genießen. Slowenien ist doch schön!
Wir düddeln runter, fahren am Fluss entlang und genießen die Sonne und diese wildromantische Umgebung. Eine Rast in einem am Fluss liegenden Restaurant mit Terrasse an/im Wasser und den fangfrischen Flussforellen versöhnt uns vollends. Über Trena, Soca, Kal-Koritnica geht es kurz vor Bovec rechts ab zum Pso. D. Predil (1156m). Jedes dieser Dörfer, die wir durchfahren, ist erwähnens- und einer längeren Pause wert! Aber wir haben aber noch was vor.
Die Fahrt über den Predilpass, der zu Recht als einer der schönsten Sloweniens gilt, ist wieder mal ein Traum. Nicht so sehr wegen der 49 Kehren. Er ist vielmehr so abwechslungsreich von der Streckenführung, so mannigfaltig von der Vegetation, so anders als andere, dass er für uns zu einem ganz besonderen Erlebnis wird. Man kommt durch kleinste Siedlungen, wo freundliche Menschen grüßend aus ihren Fenstern schauen, man überfährt kleine Brücken, die an Viadukte erinnern. Es ist irgendwie eine andere Welt mit einem anderen Rhythmus. Es ist so friedlich, so ruhig, so harmonisch. Es ist irgendwie … schön!
Unser Abstecher zum Mangart (2677 m) war eine Fehlentscheidung. Um eine wertvolle Erfahrung reicher düddeln wir runter Richtung Tarvisio (besser ist es, die Fahrt in umgekehrter Richtung, ohne Mangart natürlich, zu machen) und dann zum Faaker See.
Faak am SeeSchon ab Arnoldstein geht’s wieder rund: Harleys, Harleys, Harleys… überall sind sie zu sehen, zu hören, an jeder Ecke blubbert es. Toll! Auch deswegen bin ich hier hergefahren. Und dann am Faaker See: Keine Grüppchen, keine Rudel, nein, eine Schlange Harleys rund um den See. Und dann dieser Sound. Der ganze See grummelt, knallt, ballert, röhrt, …im V-ZWO-TAKT. Wir finden’s herrlich! Und ab jetzt geht’s los. Ab jetzt gibt es so richtig was auf die Ohren. Harleys Heaven – nur einmal am Tag, aber das 24 Stunden lang, ohne Unterbrechung. Sperrzeiten? Was ist das denn? Ruhezeiten auf den Campingplätzen? Helmpflicht? Was ist denn ein Helm? Wir machen mit den Moppeds am späten Abend (eigentlich mehr gegen Morgen) noch mal nach einer Superrunde um den See mit vielen Tankstopps Rast bei meinem alten Weggefährten Harry (Harrys Farm – mittlerweile mehr als ein Insidertreff beim Treffen) und zeigen den Jungs mal was ne richtige Beleuchtung ist (mit meiner 1500er) und mein Bruder mit seiner RT spielt Schiffe Versenken im Kies vor der Tribüne. War schon ne Schau! Hat verdammt viel Spaß gemacht. Manche kamen mit ihren 5 1/2 LED`s an ihrer Harley ganz schön ins Grübeln! Und wir tauchen die nächsten drei Tage und Nächte ab oder ein oder umgekehrt – auf jeden Fall hinein in dieses unglaubliche Event aus wunderschönen individuellen Mopeds, aus Typen und solchen, die sich dafür halten, aus Spontanität und hammerhartem Geschäft, aus Krach und Kommerz, aus splendid und spleenig, aus Dirt Track und Dirty Dancing, aus Schickimicki und Scheißwasdrauf, aus einfach genial und verdammt genial einfach…
Zwischendurch muss man mal raus: Kurz hoch zur Villacher Alpe – Gummi geben. Mal zur Burgruine Finkenstein – sich das Ganze von oben ansehen. Zur Baumgartnerhöhe – ein wenig relaxen. Durchs Rosental – der Seele wegen. Nach Velden – der Augen wegen. Zum Tabor – die Seele mit Klang baumeln lassen. Aber dann wieder runter zum See und rein in die Endlosschlange, die sich drei Tage und Nächte auf der inzwischen zur Einbahn-Harley-Straße erklärten Flaniermeile rund um den See im Sehen und Gesehenwerden suhlt.
Wenn es in Europa ein Motorradmeggaevent gibt, hier findet es seit 1998 statt. Hier ist für Europa etwas Einmaliges in nur fünf Jahren (2002 ca. 35.000 Harleys) entstanden, mit allen positiven und vielen negativen Begleiterscheinungen.
1998 fand ich das Treffen nur geil. 2002 fand ich die Harleys nur geil, die große Abzocke nur Scheiße, die Harley-Fahrer überwiegend nicht so toll (eigentlich sollte ich Diplomat werden) und die Schickimickiszene, die das Treffen dominiert hat, ziemlich daneben. Aber das liegt wahrscheinlich an mir, einem zynischen alten Sack, der heimlich immer noch davon träumt, dass die (nicht nur guten) alten Zeiten eine Renaissance erleben, in denen Vokabeln wie Gebietsansprüche, Colourschutz und so weiter wieder da landen, wo sie hingehören, auf den Müll! Zeiten, wo man jeden Zweiradfahrer wieder grüßt, weil man so ein tolles gemeinsames Hobby hat, ohne Markenbrille, einfach so! In diesem Sinne allen allseits Gute Fahrt!!!