aus Kradblatt 7/18
von Marcus Lacroix
Das schwarze Schaf der Familie: Harley-Davidson Fat Bob …
Es gibt Fahrzeuge, die erzeugen beim Betrachter direkt beim Erstkontakt eine heftige Reaktion. Ob diese positiv oder negativ ausfällt, kann man bisweilen schon erahnen, wenn man die Stammkundschaft der Marke kennt. Und Stammkundschaft ist das, was Harley-Davidson wohl mehr als reichlich hat. Dass diese Kundschaft Designänderungen bei der Kultmarke nicht gerade aufgeschlossen gegenüber steht, dürfte kein Geheimnis sein. Entsprechend fielen die Reaktionen auf die 2018er Harley-Davidson Fat Bob aus.
Der „Dicke Bob“ polarisiert, keine Frage. Während sich die Harley-Technikfreaks darüber mokieren, dass die neue Fat Bob ja gar keine echte Fat Bob mehr ist, weil ihre Basis aus der Dyna-Baureihe zu den Softail-Modellen wechselte, sträubten sich den meisten Oldschool-Harleyfans die Nackenhaare wohl eher angesichts des – für Harley-Verhältnisse – radikalen Designs.
Es war definitiv ein großer Spaß, bei den Frühjahrsmessen und Händlertagen in der Nähe der Fat Bob zu stehen und den Gesprächen zu lauschen. Dabei wurde einem auch schnell klar: Harley-Davidson wollte mit dem neuen Design gar nicht die alte Kundschaft bedienen, denn interessiert zeigten sich vor allem Nicht-Harleyfahrer.
Ganz ehrlich: mir ging es genauso. Grundsätzlich mag ich Harley-Motorräder, auch wenn mir der ganze Marken-Hype persönlich nicht sonderlich liegt. Aber so richtig emotional angesprochen haben mich die bisherigen Modelle nicht unbedingt. Bei der 2018er Fat Bob, die ich live erstmals beim Herbsttreff 2017 bei Börjes American Bikes in Augustfehn gesehen hatte, war sofort klar: die muss ich unbedingt mal zur Probe fahren.
Die potentiellen Fahrleistungen interessierten mich dabei gar nicht mal so sehr – es war das Design, das mich anzog. Dieses wird nicht nur durch das gedrungene Erscheinungsbild mit kurzem Heck und fettem Vorderrad geprägt, sondern vor allem durch den flachen, zurückliegenden LED-Scheinwerfer. Diese Mischung aus Hauptdeflektor der NCC-1701-D und einer Wurlitzer-Box ist für die einen DAS Kaufargument, für andere ein Alptraum.
Technisch gesehen ist die 2018er Fat Bob ab Werk zunächst mal eine recht normale Harley-Davidson auf neuestem Stand. Im neu konstruierten, leichteren und steiferen Softail-Rahmen (also der, wo man das Federbein nicht sieht – im Gegensatz zur Dyna mit ihren Stereo-Federbeinen am Heck) steckt wahlweise ein ebenso neuer, starr mit dem Softail Rahmen verbunder Euro 4 Milwaukee-Eight 107 oder 114 Motor.
Der 107 cui (=Cubic-Inch, entspricht 1745 ccm) leistet 67 kW (86 PS) bei 5020 U/min und liefert 145 Nm Drehmoment bei 3500 U/min. Der 114 cui Motor (=1868 ccm) bringt es serienmäßig auf 69 kW (94 PS) bei 5020 U/min und 155 Nm bei 3000 U/min.
Das Fahrzeuggewicht wurde lt. Harley um 15 kg im Vergleich zum Vorgängermodell reduziert – 306 kg sind es fahrfertig trotzdem noch. Das „Fat“ kommt nicht von ungefähr, was nach Metall aussieht, ist auch Metall …
ABS ist längst obligatorisch, zwei Bremsscheiben mit Vierkolben-Festsätteln vorn bei H-D nicht. Das lässt ordentliche Bremsleistungen erwarten.
Bereift ist die Fat Bob mit Dunlops D 429, einem 150er vorne und einem 180er hinten. Gar nicht mal so breit also, auch das dürfte Pluspunkte bringen. Harley verspricht ja immerhin „… ein Fahrwerk, das Fahrbahnunebenheiten lässig wegsteckt, ein überaus agiles Kurvenverhalten … die 2018er Fat Bob ist besser denn je.“ Das Vorderrad wird von einer 43-mm-Upside-down-Gabel geführt, das Hinterrad über Zahnriemen angetrieben. Na denn, gehen wir’s an …
Gestartet wird ohne Zündschlüssel, einfach auf Knopfdruck – Keyless-Ride machts möglich. Vergessen darf man den Key aber nicht, sonst steht man nach dem Tanken blöd da, denn wer lässt dabei schon den Motor laufen. Und das Lenkschloss muss eh weiterhin manuell bedient werden.
Der Motor bollert kernig los – „Leckomio“ denke ich mir, „das kann doch nicht legal sein“. Sascha von Börjes American Bikes (Telefon 04489-942592-10, www.1903shop.de, Facebook), die uns diese Fat Bob für ein paar Tage zur Verfügung gestellt haben, grinst: „doch, alles legal“ versichert er und zeigt auf einen beleuchteten Taster am linken Lenkerende. Der LED-Ring leuchtet rot. Der Taster gehört zu einer „V2 Speed“ Auspuffanlage der Firma Penzl. Antippen, der Ring wechselt auf Orange, der Auspuff wird leiser. Nochmaliges Tippen, grün, Flüstersound. Ein Kugelventil statt einer Klappe steuert den Abgas-Durchfluss und damit den Sound. „Und warum legal?“, frage ich zweifelnd.
Die Lösung ist so einfach, wie für mich persönlich unbefriedigend: die Software der Auspuffsteuerung erkennt während der Fahrt die Zulassungs-Prüfzyklen. Selbst wenn man die Rohre manuell auf Durchzug stellt, werden sie durch die Elektronik bei Konstantfahrt von 50 km/h automatisch geschlossen. Aus dem hämmernden Bäm-BäBäm wird ein legales Bim-BiBim.
Der geneigte Leser mag erkennen: ich stehe da nicht so drauf. Allerdings bin ich auch nicht der typische Harley-Kunde, der unbedingt „Sound“ braucht. Die Serienanlage hätte mir gereicht.
Aber egal, weiter im Programm. Neben der Auspuffanlage ist der Vorführer mit einem Kennzeichenträger aus dem Zubehörsortiment bestückt, ein (wohl den konservativen Kunden geschuldeter) langweiliger Halter, direkt unterm Schutzblech montiert. Die originale Harley-Lösung am Hinterrad, à la Ducati Diavel,
oder ein seitlich montierter polarisieren wohl zu stark, wären aber meine bevorzugte Wahl. Wenn schon, denn schon!
Eine äußerlich nicht sichtbare Veränderung macht die Börjes Fat Bob indes zu einem besonderen Bike: auf dem hauseigenen Dynojet Prüfstand wurde das Mapping der Einspritzung für europäische Verhältnisse und Kunden modifiziert. Mehr Druck, wo man ihn haben möchte, bessere Gasannahme und ruhigerer Motorlauf und kein Begrenzer sind nur einige Vorteile. Dass diese ortsgerechte Modifikation bei den weltweit vertriebenen Harleys nicht unbedingt die schlechteste Investition ist, bekam ich im Vorfeld eher zufällig mit. Eine Kundin bedankte sich in der Werkstatt herzlich für das neue Mapping auf ihrer Maschine; sie hätte jetzt viel mehr Fahrspaß.
Leider fehlt mir der direkte Vergleich zu einer nicht gemappten Fat Bob, der Motor des Vorführers wusste allerdings voll zu überzeugen.
Jetzt aber runter vom Hof! Satt rastet der erste von sechs Gängen ein, die Kupplung greift und die Maschine brummt los. Ratzfatz schaltet man hoch und schon auf den ersten Kilometern kommt dieses harleytypische Gefühl der Entspannung auf. Es lässt sich schwer beschreiben, am besten probiert man es selbst mal aus. Wenn man über Land rollt, stellt sich eine innere Ruhe ein, der Motor pulsiert angenehm, Geschwindigkeit verkommt zur Nebensache. Für 100 km/h sind keine 2.500 U/min nötig – evtl. ist ja das der wahre Grund (statt des oft bespöttelten Besserverdiener-Images), warum stressgeplagte Manager, Ärzte usw. gerne zur Harley greifen …
Mittlerweile habe ich die Penzl auf Orange gestellt – bei aller Liebe zu Sound (und ich bevorzuge musikalisch Metalcore, Melodic Deathmetal, Hardcore u. ä.), aber offen nerven mich die Rohre selbst als Fahrer. Wie muss es da meiner Umwelt ergehen? Spontan fallen mir da die Spinner ein, die bei offenen Anlagen Ohrenstöpsel unterm Helm tragen. Alles schon gesehen …
Vor mir liegt ein mir bekanntes, kurviges Asphaltband von mäßiger Qualität. Also Gas auf und mal gucken, in wie weit die Fat Bob dem bereits zitierten Pressetext gerecht wird. Ein paar Kilometer weiter war ich enttäuscht – nichts mit lässigem Wegstecken und Agilität. Buckel in Schräglage wurden mit ordentlichem Aufstellen quittiert und Handlichkeit ist bei über 300 kg und einem 150er Vorderrad natürlich relativ. Aber so konnte sich auch Harley das nicht gedacht haben.
An der nächsten Tanke korrigierte ich den Reifendruck und stellte die Federvorspannung am Heck mit dem gut zugänglichen Handrad passend auf meine 70 kg ein. Kehrtwende, Gaaaas – passt. Na also, geht doch. Aus dem dicken Bob wird natürlich kein Supersportler, aber er lässt sich sehr unterhaltsam auch etwas sportlicher bewegen. Die Rasten setzen für Cruiser-Verhältnisse recht spät auf, noch etwas später folgt links der Seitenständer. Harley spricht von einer maximalen Schäglage von 31 Grad links, 32 Grad rechts. Zum Vergleich: die H-D Sportster schafft 27/28 Grad, eine MotoGP-Maschine 65 Grad (MM auch mal mehr …)
Neben dem Cruisen – über Land habe ich die Penzl inzwischen bisweilen auf grün stehen – macht das Durchladen auf der Geraden mit der gemappten Fat Bob besonderen Spaß. Der Motor schiebt die Masse ordentlich voran, auf der BAB drehe ich allerdings bei 192 auf der Uhr das Gas zu – mein Helm versucht mich zu strangulieren. Lt. Marco, der für das Mapping verantwortlich zeichnet, geht Bobby aber über 200 km/h. Ok, kann man sich mal antun …
Die Bremsen machen, wie erwartet, einen ordentlichen Job. Die Hebelei am Lenker lässt sich allerdings nicht den Fingern anpassen.Die Sitzposition passt mir mit 174 cm sehr gut. Rasten, Riser und Sitz kann man bei Bedarf übers Zubehör ändern. Dank des niedrigen Schwerpunkts lassen sich die über 300 kg gut rangieren, etwas Weitblick ist bei der Parkplatzwahl aber schon gefragt: rückwärts eine auch nur leichte Steigung zu füßeln erfordert ein paar Muckies mehr.
Ich könnte jetzt noch ein paar technische Dinge auflisten, letztendlich werden die für potentielle Käufer aber eher uninteressant sein. Eine Harley kauft man nicht aufgrund von HighTech oder herausragender Fahrleistungen, sondern aufgrund der Optik und des Bauchgefühls. Wer noch nie eine gefahren hat, sollte ernsthaft mal einen Probefahrt-Termin vereinbaren oder sich für ein paar Tage eine mieten.
Mir pers. hat die Fat Bob viel Spaß gemacht. Erhältlich ist sie mit dem „kleinen“ 107 cui Motor ab 17.895 €, mit dem großen 114er ab 19.195 €, jeweils zzgl. Nebenkosten beim freundlichen Harley-Davidson Vertragshändler. Für die Penzl werden 2.349 € fällig. Lange warten würde ich als potentieller Kaufinteressent heutzutage aber nicht. Präsidenten in den USA kommen und gehen, dass eine Auspuffsound-Steuerung in der EU – egal ob Motorrad oder Auto – an Neufahrzeugen noch lange legal bleibt, kann ich mir nicht vorstellen.
Für ein Mapping gibt es keinen festen Preis. Da lässt man sich am besten vor Ort in 26689 Augustfehn bei Börjes beraten, da die Ansprüche und Möglichkeiten vielfältig sind – nicht nur für Harleys, auch andere Marken sind im Dynojet Tuning Center Weser Ems willkommen. Infos gibt es auch per E-Mail unter werkstatt@hd-bab.de oder Telefon 04489-942592-30.
Kommentare
3 Kommentare zu “Harley-Davidson Fat Bob, Modell 2018”
Lieber Marcus Lacroix,
ich würde mich an ihrer Stelle zurückhalten und andere Leute nicht als Spinner beleidigen.
Die Ohrenstöpsel werden nicht aufgrund des „lauten“ Auspuffs getragen! Sie dienen dazu die Windgeräusche zu minimieren. Da bekanntermaßen bei 100 km/h db Werte zwischen 85 und über 100 db herrschen. Echt ein armselige Leistung von ihnen.
Hallo Marcus,
du schreibst recht locker über das veränderte Mapping. Ist damit nicht die Betriebserlaubnis erloschen, hat Börjes das eintragen lassen oder wird es in Zeiten, wo zig Tausend Autos mit illegalen Mappings rumfahren, gar toleriert von der Rennleitung, Versicherung,Tüv…
Wäre vielleicht mal eine Anregung für euren Rechtstipp.
Viele Grüße
Denis
Hallo Denis.
Änderungen zur Leistungssteigerung müssen eingetragen und der Versicherung gemeldet werden. Die Abgas- und Geräuschvorschriften müssen weiter eingehalten werden. In welchem Rahmen an welcher Maschine was legal möglich ist, kann dir nur der Profi beantworten.
Wegen Rechtstipp frage ich mal an, ob es da Urteile gibt…
VG, Marcus