Seit acht Monaten bin ich im Ruhestand und mit dem Motorrad nach Griechenland wollte ich schon immer mal. Beste Voraussetzungen also, um einfach mal loszufahren.

 

aus bma 10/09 von Wilfried Baum

Motorradreise GriechenlandSeit acht Monaten bin ich im Ruhestand – Frau und Freunde müssen noch etwas arbeiten. Mit dem Motorrad nach Griechenland wollte ich schon immer mal. Meine Frau schnallt mir einen Teddy auf den Rücksitz – ein Spitzel?

An einem Sonntag im Mai nehme ich den Autoreisezug von Altona nach Verona – die Reise ist kurzweilig – mit im Abteil sind eine pensionierte Lehrerin und ein georgischer Student. Die Lehrerin will in ihrem Ferienhaus in der Emilia Romagna den Fußboden kacheln; der Student fährt zu seinen Eltern nach Tiflis. Ein extra dafür erworbener Opel Astra soll in Tiflis verkauft werden, und der Gewinn die Reisekosten refinanzieren. Frischer TÜV wird dabei honoriert. Einige Manschetten hat der Georgier vor der langen Reise durch die Türkei, er fürchtet, ausgenommen zu werden. Keiner schnarcht.

Gegen elf Uhr kommen wir in Verona an – der Teddy hat Farbe bekommen. Die Autobahn nach Venedig ist leicht zu finden, mit dem Fährterminal wird es allerdings etwas schwieriger. Die ersten Abfahrten zu diversen „Ports” sind Nieten. Erst an einem richtig großen Kreisel folgt man der Wegweisung direkt nach Venedig.

Das Wetter ist strahlend, warm, und der Blick auf die Stadt bringt sofort Urlaubsstimmung. Um 18 Uhr legt die Fähre ab und fährt ziemlich mitten durch die Stadt. Ich habe da mal einige Tage gearbeitet und erkenne viel wieder. Der Student hat einige Landsleute getroffen, die auch Autos überführen. Sie wollen im Konvoi fahren. Er ist erleichtert.

Motorradreise GriechenlandWir sind zu viert in der Kabine. Bernd ist mit dem Auto unterwegs und will Freunde besuchen, zwei Österreicher sind mit Motorrädern unterwegs. Ich bin mit 58 Jahren der Jüngste; das hatte ich länger schon nicht mehr. Alle außer mir schnarchen.

Am Morgen kommt so gegen 8.30 Uhr Leben in die Kabine. Die Lautsprecheransagen sind beim besten Willen nicht zu überhören. Wir frühstücken und lernen uns im Laufe des Tages etwas kennen. Bernd ist Berliner, die beiden Österreicher sind aus Wien. Nach einiger Zeit werde ich gefragt, ob ich ein Problem hätte oder krank sei, weil ich so wenig rede. Ich oute mich als Norddeutscher.

Die Reise ist unspektakulär, blauer Himmel, blaues Meer, reichlich Sonne, gelegentlich eine Insel.

Am Morgen ist Bernd ab vier Uhr nicht mehr zu halten, obwohl die Fähre erst um 6.30 Uhr anlegt. Er kommt aus den neuen Bundesländern, dies ist seine erste große Reise, und er ist aufgeregt. Ich habe Kopfweh, möglicherweise war der Wein gestern schlecht. Nach dem Frühstück geht’s dann, und ich fahre östlich am Isthmus entlang. Die alte Brücke nach Korinth wird im Wasser versenkt wenn ein Schiff kommt. Die Holzbohlen sind nach dem Tauchgang ziemlich glitschig.

Ich finde ein Zimmer über einer Taverne in der Bucht von Korfos, natürlich mit Meerblick. Es kostet 25 Euro pro Nacht. So in dieser Größenordnung liegen auch alle folgenden Übernachtungen.

Nach dem Duschen laufe ich die Bucht und den Ort ab. An einer Landzunge wird mit Schlachtabfällen heftig auf Octopus geangelt. Der Erfolg ist aber eher bescheiden. Ich scheine der einzige Tourist im Ort zu sein. Zur Unterhaltung erwerbe ich ein original griechisches Schulschreibheft, einen Klebestift und beginne mein Reisetagebuch.

Abends esse ich auf einer Terrasse direkt am Wasser. Weinblätter, ein Fischchen, Creme Caramel und Greek Coffee, Wein aus einer verbeulten Alukaraffe. Das Menü kostet so oder ähnlich überall um acht Euro, natürlich nur außerhalb der Touristenorte. In der Taverne hat sich noch ein französisches Paar eingemietet. Wenn wenig Touristen da sind, kommt man auch mit den Einheimischen sofort ins Gespräch. Deshalb bevorzuge ich abgelegene Orte. In der Nacht unterhalten mich einige ortsansässige Katzentiere…

Früh am nächsten Morgen meint ein Hahn, mich wecken zu müssen. Heute gibt’s eine Rundtour auf der Halbinsel Argolis. In der Taverne ist noch nichts los – also fahre ich erst einmal ein Stück. Ein Toyota-Bus ohne Motor und Räder, mit einigen Bastmatten und Bänken drum herum ist bald mein Frühstücksrestaurant. Der Chef erklärt mir die Speisekarte auf deutsch. Er hat mal bei BMW in Ingolstadt gearbeitet. Baguette mit Schinken, Käse und Ei, dazu ein Pfefferminztee und ein Glas Wasser für 3,50 Euro.

Motorradreise GriechenlandErstes Ziel heute ist die Halbinsel Methana. Es riecht auch so. Im Laufe des Tages gibt es dann viele alte Steine, viel blaues Wasser und Temperaturen, die mir Konzentrationsprobleme bereiten. Ich ziehe Jacke und Hose aus, Helm auf, Handschuhe und Stiefel bleiben aber Pflicht.

Den Mittagsimbiss, Tzaziki, Brot, Wasser und den unvermeidlichen Greek Coffee nehme ich in Galatas. Von der Promenade schaut man auf die nur 300 Meter entfernte Insel Poros. Die Häuser ziehen sich malerisch den Hang hoch – blankenesemäßig.

Freitag reise ich weiter, zuerst zum Frühstücksbus, dann durch Arkadien nach Leonidion. Nach der ersten Fahrstunde bin ich schon wieder ziemlich unkorrekt bekleidet. Eine GoreTex-Kombi ist einfach die falsche Wahl für diese Gegend. In einem Gästehaus finde ich ein Zimmer, wie üblich mit Meerblick. Leonidion ist hübsch, aber ziemlich verschnarcht. Das Highlight für mich ist eine Art Konditorei: ca. vier Meter Vitrine dreistöckig voll mit feinsten Sachen. Ich erwerbe zwei leckere Schokoladenröllchen und nehme in einer Bar dazu einen Greek Coffee.

Abends auf der Gästehaus-Terrasse wird es spät. Ein Paar aus Lüdenscheid ist mit dem Auto unterwegs und eine unglücklich verliebte Wienerin besucht hier ihren Liebhaber. Sie hat einen Pudel dabei. Der Pudel heißt Rosi und stibitzt chronisch Socken und Schuhe. Außer dem Hund nehmen wir alle reichlich Wein.

Das Zimmer verfügt über eine winzige Kochzeile, und so frühstücke ich mit Beuteltee, Haferkeks und Joghurt „Total”, einer griechischen Spezialität mit ca. 200% Sahne. Damit kommt man leicht bis zum Mittag. Heute fahre ich eine Rundtour durch Lakonien nach Monemvasi. Das ist Gibraltar in Miniatur mit einer mittelalterlichen Bebauung. Die Hochebene ist Ziegenland. Mittags in Metamorfosi, da muss man einfach anhalten, versteht im Lokal keiner auch nur ein Wort Deutsch, Englisch oder mein Griechisch. Aber niemand muss deshalb in Griechenland hungern. Nach der Tour bin ich ziemlich flach und bade ausgiebig.

Abends haben wir wieder eine Sitzung auf der Terrasse. Der Liebhaber ist da, ein Deutscher, der sich hier schon viele Jahre als Universalhandwerker durchschlägt. Die Frau aus Lüdenscheid findet es toll, dass ich allein reise; ihr Mann will es sich merken.

Ich reise weiter und versuche der Temperatur wegen einen Frühstart. Das wird aber nichts, der Vermieter hat meinen Ausweis und ist nicht aufzutreiben. In Griechenland bleibt man in solchen Fällen locker. Die Österreicherin reist auch ab und wartet aufs Taxi. Der Hund hat mal wieder meine Socken und dabei kommen wir ins Gespräch. Das Mädel bricht in Tränen aus, als ich bemerke, ich könnte so wie sie nicht leben.

Motorradreise GriechenlandIrgendwann geht’s los. Durch die Berge nach Kardamili. In den Kurven lauern Ölspuren und gelegentlich muss ich Schildkröten ausweichen.

Diesmal habe ich sogar ein echtes Appartement erwischt. Der Preis wird hart verhandelt. Als wir uns einig sind, spendiert der Wirt einen Ouzo. Die Feilscherei hat ihm auch Spaß gemacht. Der Ort ist schon etwas vom Tourismus berührt worden, das Abendmenü, Zitronenhuhn mit Sonnenuntergang über dem Meer, ist etwas kostspieliger.

Es ist mal wieder Montag und eine Runde über die Halbinsel Mani liegt vor mir, mit noch mehr Schildkröten auf der falschen Straßenseite. In Porto Kagio, da, wo es ohne Boot nicht weiter geht, treffe ich einen Belgier auf dem Motorrad. Wir schwatzen eine Weile beim Greek Coffee und spannen etwas in Richtung einer kleinen Nixe. Mittags treffen wir uns wieder in Aeropolis zum Essen: Kalamar mit Beilagen. Er war mal Feuerwehrmann, ist auch im Ruhestand und mag die gleichen Motorradmarken wie ich. Wir besprechen die üblichen Themen. Darüber hinaus meint er, seine Frau kaufe zu viele Handtaschen und Schuhe. Armer Kerl.

Nachmittags vor dem Hotel treffe ich meine Zimmernachbarin. Sie ist schon etwas älter, Engländerin und nicht gut zu Fuß. Ich trage ihre Einkäufe hoch; sie hat so schon genug zu tragen. Nachher schwatzen wir etwas von Balkon zu Balkon.

Heute mache ich einen Ausflug nach Sparta, das waren ja die Biker der Antike. Nahmen für ihre Obsessionen jede Menge Unannehmlichkeiten in Kauf und ernährten sich von Blutsuppe, ähnlich der heutigen Currywurst.

Die Stecke ist gut ausgebaut und eine einzige Kurve. Mir wird vom Fahren übel – wie in der Achterbahn auf dem Dom. Die Stadt selbst ist dann eher enttäuschend, außer vielleicht dem Standbild von Leonidas. Er trägt Helm und Protektoren. Es geht weiter, an die Westküste nach Pilos. Die Straße ist ganz besonders verölt, und ich traue mich kaum, die massigen, deutschen und österreichischen Reisemobile zu überholen. Auf dem Parkplatz hinter der Promenade zerlegt ein Typ aus Kassel seinen Panda. Das Ding ölt und röchelt, und er ist nicht im ADAC. Am liebsten möchte er nach Kalamata geschleppt werden und schaut lüstern auf meine Kuh – oje!

Abends lande ich in Katakolo. Die Zufahrtsstraße ist gesperrt, und ich kann legal ein paar Kilometer am Sandstrand fahren. Hier legen Kreuzfahrer an. Die Leute werden dann nach Olympia gekarrt und an-schließend ausgebeutet. Entsprechend ist der Trubel, aber so gegen 19 Uhr tuten die Dampfer und die Touristen sind folgsam und es kehrt Ruhe ein. An der Kaimauer liegen ein paar Segelyachten, die besichtigt werden müssen. Als ich 1976 nach Hamburg kam, lernte ich bald segeln und hatte auch ein paar Jahre eine kleine Yacht. Später kam der Motorradbazillus dann wieder durch.

Motorradreise GriechenlandHeute ist Abreisetag; es bleibt eine schöne Runde durch Elis und Achaia. Einige Monate später brennt die ganze Gegend. Ein Ort, in dem ich mal wieder einen Greek Coffee nahm, ist in Fernsehen völlig abgebrannt zu sehen. Ich verstehe jetzt auch, warum einige Menschen sich vor den Flammen nicht retten konnten: Wenn nur zwei Straßen durch enge Täler in einen Ort führen, alles dicht bewaldet ist und brennt, dann wird es warm.

Ab Lambia wird die Straße grandios wie in den Alpen. In Kalavrita nehme ich noch ein paar Souflakispieße mit Tomatensalat. Bei Diakofto erreiche ich wieder das Meer, diesmal bei einem leichten Sturm und entsprechender Brandung. Vorräte für die Fähre sind noch einzukaufen, denn gegen 20 Uhr wird verladen. Die Fähre ist bis auf LKW-Trailer und ein paar Autos leer. Zu dieser Jahreszeit fahren kaum Leute zurück. Ich lese den Reiseführer noch einmal und schwatze mit einem Lehrer, der einen VW-Kübelwagen zum Verkaufen nach Deutschland bringt.

Der nächste Tag ist dann regnerisch und stürmisch. Das Personal hat nichts zu tun und ist richtig nett zu den wenigen Passagieren.

Das Wetter hat sich beruhigt, Venedig taucht beim Frühstück in der Morgensonne auf. Das ist stimmungsmäßig schwer zu toppen. Es geht wieder direkt am Markusplatz vorbei.

Bis Padua nehme ich die Autobahn und biege ab in die Eugineischen Hügel, ähnlich einem Mini-Gebirge. Es ist Sonnabend und jede Menge Amateur-Rennradfahrer quälen sich die wirklich steilen Hügel rauf. Ich mache das lässig mit rechts, werde aber von den Beinbikern keines Blickes gewürdigt.

Am Nachmittag reicht die Zeit noch für einen kleinen Bummel durch Verona und einige Einkäufe. Abends, bei der Verladung, treffe ich einen Motorradfahrer, mit dem ich mal zusammen gearbeitet habe. Er war vier Tage unterwegs und ist 2000 km durch die Alpen und Frankreich gefahren. Bei mir stehen auch 2000 km auf der Uhr, allerdings in elf Fahrtagen. Wahrscheinlich habe ich zu oft Greek Coffee genommen.

Das Abteil teile ich mir mit einem Paar mit Kind aus Bargteheide – sehr angenehme Leute. Der Zug ist pünktlich in Altona. Gegen Mittag rollt die Kuh in Tornesch ein. Der Teddi ist nach der nunmehr zweiten Zugreise reif für die Dusche; ich auch.