aus Kradblatt 8/14
von Jörg van Senden

 

Greift Sonnencreme wirklich Lack an?

„Die Gefahr aus der Tube“, so prangt es in großen Lettern auf der Titelseite der Zeitschrift, die mir monatlich als Mitglied des zweitgrößten Deutschen Automobil-Clubs zugestellt wird.

Einfacher VersuchsaufbauDas Szenario:
„Der frisch mit Sonnenmilch eingecremte Junior tätschelt liebevoll die Motorhaube des väterlichen Wagens. Vati bemerkt das von Juniors Schmiergriffeln auf die Haube getätschelte Sonnenschutz-Produkt jedoch nicht sofort und stellt den Wagen in der Garage ab. Erst ein paar Tage später bemerkt er den Schmierfleck und entfernt ihn flugs mit einem Lappen. Doch welch Schreck! Der Lack unter dem Sonnenmilch-Geschmiere hat sich hell verfärbt und sieht angefressen aus!“
Wie kann das bloß angehen? Dass ätzender Vogel-Kot für den Lack ungesund ist, ist seit jeher bekannt, aber ein so pflegendes und dermatologisch getestetes Produkt wie Sonnencreme?
Lackhersteller BASF bestätigte das Problem, aber zeigte sich sehr erstaunt, denn deshalb sei noch nie ein Kunde an die Firma herangetreten.

Nivea-Hersteller Beiersdorf war dagegen nicht im Geringsten überrascht, steht doch nicht ohne Grund auf der Verpackung der Sonnenschutzcreme, dass der Kontakt mit Textilien und harten Oberflächen vermieden werden sollte.

Autopflegespezialist Sonax merkte zu diesem Thema an, dass ihnen keine Details über die Zusammensetzung von Sonnencremes vorlägen, es aber trotzdem bekannt sei, dass es zwischen den Ingredienzien der Cremes zu Wechselwirkungen mit dem Lack kommen könne, ähnlich wie bei Baumharz oder Teer. Je weniger ein Lack konserviert sei, zum Beispiel mit Wachspolitur, und je länger die Creme einwirken könne, desto größer sei die Gefahr von Lackschädigungen. Besonders im Sommer, wenn die Sonne scheint, sei die Gefahr der Lackschädigung durch Sonnencreme besonders hoch. Oberflächliche Schäden würden sich oft nur noch mit Politur beseitigen lassen. Wasser allein wäre dagegen für fettige Substanzen weniger geeignet. Scheuerpulver bekäme dem Lack übrigens auch nicht besonders gut….

Eine Woche EinwirkzeitWollen die uns auf den Arm nehmen!? Ein blöder Aprilscherz in der Juni-Ausgabe?
Je länger ich jedoch in diesem Titelbericht lese, desto nachdenklicher werde ich. Was wäre gewesen, wenn der beölte Junior statt Sonnencreme nun etwas Ketchup oder Senf, z.B. nach dem letzten Familienausflug zu Mc Blöd, auf dem heiligen Lack hinterlassen hätte? Auf den Burger-Schachteln steht zwar auch kein Hinweis, der sich so interpretieren ließe, aber ich fühle mich jetzt doch ein wenig verunsichert. Anscheinend ist unsere Industrie etwas nachlässig mit den Warnhinweisen.
Ist folglich nicht auch der Lack unseres geliebten Motorrades so erschreckend gefährdet wie der von Vatis Auto?

Die Sorgen um den Lack meiner Maschine lassen mich nachts nicht mehr ruhig schlafen. Der Versuchsaufbau erscheint mir nicht besonders kompliziert. Kurzerhand beauftrage ich meine Frau damit, in dieser Angelegenheit veritable Fakten zu schaffen. Ich bewege mich deshalb in den Keller, um ihr dafür einen alten, lackierten Kupplungsdeckel aus der Bastelkiste herauszukramen, der irgendwann einmal in einer meiner matt-schwarzen Phasen den Motor einer Harley zieren durfte.

Die Sonnenschutzcremes schädigenDie übrigen Versuchsmaterialien hat jede Frau im Fundus.
Ketchup und Senf aus dem Kühlschrank und natürlich zig Flaschen und Tuben mit Sonnenschutzpräparaten aus der fünf Meter langen Kosmetik-Regalwand, direkt neben dem begehbaren Kleiderschrank und dem Schuh-Zimmer.

Der Deckel ist schnell mit allen Stoffen beschmiert und nun heißt es abzuwarten, um den Chemikalien ihren freien Zerstörungsdrang zu ermöglichen.

Genau eine Woche taten wir so, als würden wir die Schmiere auf dem Kupplungsdeckel nicht mehr bemerken. Dann reinigten wir den Deckel unter lauwarmem, fließendem Wasser mit etwas Handseife und einer Geschirrbürste.

Es dauerte ein wenig, bis sich die angetrockneten Präparate von der Lackoberfläche wieder ablösten. Was sich uns nun offenbarte, war mit den Erkenntnissen meines Automobil-Clubs ziemlich identisch.
Zu meiner Beruhigung erwiesen sich Ketchup und Senf als völlig ungefährlich für den Lack. Ich werde deshalb meine ungesunden Ernährungsgewohnheiten, zu meiner Freude, vorläufig nicht ändern müssen.

Grosser Schaden und angeloester Lack beim Sonnenschutz-SprayAlle drei Sonnenschutzprodukte hingegen, haben den Lack mehr oder noch mehr angegriffen. Besonders schädlich zeigte sich das Sonnenschutz-Spray. Es hinterließ nicht nur sichtbare Flecken, sondern verwandelte den Lack in schwarzen Matsch bis auf das Metall, als wäre er mit Universal-Verdünner angelöst worden. Da hilft unzweifelhaft auch keine Politur mehr, um diesem Schaden beizukommen.

Der Tipp meines Automobil-Clubs ist so logisch wie einfach: „Vermeiden statt Polieren“.
Ich schließe mich dieses Fazits an und füge warnend hinzu, dass Kinder und Sonnencremes generell zerstörerisch für Lackoberflächen sind. Schützt eure Motorräder irgendwie anders vor der schädlichen UV-Sonnenbestrahlung und besucht ruhig weiterhin heimlich das Schnell-Restaurant, in das offiziell ohnehin keiner von uns gehen würde…
Euer Jogi