aus bma 7/01

von Reno Graf

Es ist schon etwas Besonderes, wenn man aus Bremen kommend mit dem Roller in der schönsten Region der östlichen Alpen auf Landstraßen, Hochalpenstraßen und Pass- straßen mit 125 ccm und 13 PS durch die herrliche bayerische und österreichische Landschaft fährt.
Wir drei begeisterten Rollerfahrer waren auf unserer ersten Alpentour unterwegs mit zwei Aprilia Leonardos und einem MBK Skyliner. Diese Alpentour hatten wir uns schon im Winter ausgedacht und gründlich geplant. Die 800 km lange Anreise von Bremen nach München über die Autobahn wollten wir uns auf unseren 13-Zoll Rädern nicht unbedingt selber antun, denn das geht per Autoreisezug mit der DB im Liegewagen in acht Stunden schlafend durch die Nacht für 330 DM viel besser und vernünftiger. So kamen wir also ausgeruht am Montagmorgen um 7 Uhr auf dem Bahnhof in München an. Unsere drei Motorroller wurden vom Zugwaggon entgurtet und unsere Tour begann auf den eigenen Rädern über die A8. Es ging Richtung Salzburg, nahe am Chiemsee vorbei und danach auf die Bundesstraße über Inzell und die Deutsche Alpenstraße nach Berchtesgaden. Die letzten Kilometer fuhren wir mühelos mit den vollbepackten Satteltaschen an den Rollern über 24 % Steigung auf 1100 m Höhe zu unserem Quartier der Berggaststätte „Alpeltalhütte”, ein Haus des Touristenvereins der Naturfreunde e.V. Hier wurden wir schon erwartet und herzlich empfangen. Dieses Haus wurde nun für die nächsten sieben Tage unser Quartier mit Übernachtung und Frühstück, denn nach jeder Tagestour kehrten wir abends wieder hierher zurück. Die folgenden Tage begannen immer ähnlich: Wecken um 6 Uhr, deftiges bayerisches Frühstück um 7 Uhr, Aufsitzen und Abfahrt um 8 Uhr. Unsere Tagestouren hatten wir ja schon in Bremen festgelegt, trotzdem haben wir jeden Abend beim Glas Bier am Stammtisch noch eine kleine Tourenbesprechung für den nächsten Tag gemacht. Es wurde Einsicht in die Wegskizze genommen und der Streckenverlauf besprochen.

 

Die tägliche Route führte über 200 bis maximal 280 km auf guten Landstraßen, Hauptstraßen, asphaltierten Nebenstraßen und hochalpinen Passstraßen, die mit ihren unzähligen Kurven und Kehren jede Menge Fahrspaß bieten. Insgesamt rollerten wir 1800 km durch die Alpen. Die Tagestouren führten uns rund um die Berchtesgadener Alpen, in die Salzburger Alpen, ins Salzkammergut an den Wolfgangsee, Attersee und den Mondsee. Von unserem Haus aus konnte man sehr deutlich oben auf dem Berg das „Kehlsteinhaus” sehen. Um dort hinzukommen, fuhren wir an einem Morgen gleich nach dem Frühstück weiter bis auf 1834 m Höhe bis zum Parkplatz auf dem Kehlstein. Von hier aus fährt man mit einem prunkvoll, messingverkleideten und Spiegelwänden vertäfelten Aufzug in nur 41 Sekunden durch den Berg hinauf direkt ins Innere des Kehlsteinhauses. Dieses Haus ist einst der Sommersitz von Adolf Hitler gewesen. Seit 1960 wird der historische Aussichtspunkt über dem Berchtesgadener Land als Berggasthof geführt. Am fünftenTag hatten wir uns ein noch höher gelegenes Ziel vorgenommen. Durch die Kitzbüheler Alpen, am Zeller See vorbei führte uns die Hochalpenstraße stetig mit 13 % Steigung durch die Hohen Tauern hinauf zum Großglockner. Auf dieser Route hatten wir viele tolle eindrucksvolle Erlebnisse.
Um die Alpen zu lieben, muss man kein Freund verklärender Luis Trenker-Romantik sein. Denn niemand wird bestreiten, dass die Berge eine einmalige Faszination ausstrahlen. Das liegt einerseits an der landschaftlichen Schönheit der Alpen, andererseits kann man sich als Motorradfahrer oder auch wir als Großrollerfahrer aufschwingen in die Welt der Serpentinen, Spitzkehren, Haarnadelkurven und himmelhohen, ungesicherten Passstraßen, die scheinbar ins Nirgendwo führen. Man findet durch das Visier betrachtet einfach großen Gefallen daran, diese Kombination von Naturerlebnis und Fahrvergnügen für sich zu entdecken.
Doch dann waren wir plötzlich nicht mehr allein unterwegs. Oben auf dem Parkplatz am Großglockner-Hochtor, auf 2575 m Höhe, war noch eine ganze Schar weiterer Biker versammelt. Es schien, als ob alle Motorradhersteller je ein Exemplar ihrer Modellpalette hier raufgeschickt hatten. Aber wir waren die einzigen Rollerfahrer, und das wurde doch von den Bigbikern wohlwollend freundlich bestaunt und gewürdigt. Man kommt ins Gespräch, erzählt von der schönen Alpenlandschaft, wo man gestern war und was man morgen vorhat.
Zu der Fahrweise mit dem Roller ist noch zu erwähnen, dass man eine 13 %-Steigung auf eine Länge von 30 km zwar nicht mit 90 km/h hochbrettert, aber das will man ja auch nicht bei den herrlichen Panoramaausblicken, da reichen die 50 km/h eben auch. Der fahrerische Spaß beginnt da, wo man sich in die schlanke Serpentinenkehre von allein in die Kurve fallen lässt oder man mit nochmehr Schräglage bei gleichem Tempo durch die Spitzkehre zieht. Der Skyliner, meistens vorausfahrend, verhielt sich fahrtechnisch ebenso leicht handlich wie die beiden Aprilias. Übrigens merkt man da oben deutlich, wie der wassergekühlte Viertakter in der dünnen Atmosphäre nach Luft zieht. Da wurde auf der Ansaugseite hörbar kräftig geschnorchelt. Die Temperaturanzeige blieb dank des Kühlerventilators stets im grünen Bereich. Lediglich die Bremsscheiben wurden bei einer längeren Bergabfahrt etwas wärmer. Aber wenn man in Intervallen abwechselnd dosiert mal vorne und mal hinten bremst und dabei die Getriebeautomatik runterschalten lässt und somit die Motorbremse mitwirkt, dann bekommt man das gut in den Griff.
Da unsere tägliche Rückkehr zur Alpeltalhütte stets am Königssee vorbeiführte, lag es nahe, dass wir auch einmal eine gemütliche Bootsfahrt einschließlich dem weltberühmten Echo machten. Der Trompetenton kam fünf Mal von den Bergen wieder zurück. Vom Königssee aus bei St.Bartholomä erschien uns der mit 2713 m höchste Berg in der Region und zweithöchster Berggipfel Deutschlands, der Watzmann, mit seinem gewaltigen, schneebedeckten Bergmassiv noch imposanter. Am vorletzten Tag entschlossen wir uns noch auf einer Extratour zum Chiemsee zu fahren. Dort eine Schiffsfahrt auf dem sogenannten „Bayerischen Meer” zur Herreninsel und zur Fraueninsel zu unternehmen lag nahe, zumal uns die Bootsfahrt auf dem Königssee so gefallen hatte.
Am Abend feierten wir bei unserem Hauswirtspaar wehmütig den Abschied von unserer herrlichen Alpenlandschaft. Am letzten Tag, nach einem deftigen Frühstück, dem Satteltaschenpacken, Abrechnen und Abschiednehmen ging es wieder bergab zur Autobahn nach München. Dort stand schon unser Reisezug, der uns dann fast zum halben Preis (weil zusammen mit der Hinfahrt gebucht) entspannt und wohlbehalten wieder nach Bremen brachte.
Fazit: Wenn Rollerfahrer solch eine Reise unternehmen, dann haben sie was zu erzählen! Die vielen Fotos, die wir stets bei schönstem Sonnenschein schossen, schmücken unsere Erlebniserzählungen noch weiter aus, die in diesem Bericht natürlich nur ansatzweise zum Ausdruck kommen. Wir hatten in den sieben Tagen alle unsere Bergtouren über die Pässe und an die Alpenseen bei herrlich schönem Wetter und vor allem ohne eine einzige Panne erlebt. Alles in allem ist solch eine Alpentour für Rollerfahrer ab 125 ccm sehr zu empfehlen, und wir werden sie im nächsten Jahr wieder so ähnlich fahren.