Im Zweirad-Verlag von unserem Kollegen Mathias Thomaschek ist ein Buch erschienen, das wir allen Fans und an der deutschen Motorradgeschichte Interessierten nur wärmstens ans Herz legen können. Nicht nur als Weihnachtsgeschenk ein tolles Werk!
In Nürnberg, aber auch in Fürth, Erlangen, Neumarkt, Schwabach, Forchheim und Bamberg existierte von 1884 bis 2005 eine deutschlandweit einmalige Motorradindustrie. Sie erlebte zwei
Höhepunkte mit anschließenden Niedergängen.
Der erste geschah um das Jahr 1925. Weltwirtschaftskrise, schneller technischer Fortschritt und mangelndes unternehmerisches Verständnis ließen zahlreiche kleine Manufakturen so schnell wieder verschwinden, wie sie entstanden waren. Die Großen überlebten und retteten sich auf teils abenteuerliche Weise über den Zweiten Weltkrieg. Danach begann für sie zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre eine Blütezeit, in der in jeder Minute ein Motorrad, Moped oder Roller von einem der vielen Montagebänder lief. Tausende Arbeiter und Angestellte verdienten in Nürnberg ihren Lebensunterhalt mit dem Motorradbau. Geniale Konstrukteure erfanden technische Lösungen, die ihrer Zeit oft weit voraus waren.
Dann kamen ab Anfang der 1950er Jahre die in Großserie produzierten Klein-Pkw. Oft nicht viel teurer als ein gutes Motorrad, bescherten sie der blühenden Motorrad-Industrie ihren zweiten Niedergang. Wer es sich jetzt leisten konnte, fuhr, geschützt vor Wind und Wetter, lieber Goggo-Mobil, Lloyd, VW Käfer, Messerschmitt Kabinenroller oder BMW Isetta. Jetzt halfen weder die Fusionen einstiger Konkurrenten, noch hektisch auf den Markt geworfene technisch unausgereifte neue Modelle oder der missglückte Versuch, ebenfalls in die Pkw-Fertigung einzusteigen.
Die Zeit des Motorrades als Transportmittel war nicht nur in Nürnberg und Umgebung abgelaufen. Und als Sport- und Freizeitgerät noch nicht reif.
Nach und nach schlossen die einst marktbeherrschenden Firmen wie Ardie, Mars, und Triumph.
DKW, Victoria und Express aus Neumarkt schlossen sich zur Zweirad-Union zusammen. Nach deren Übernahme durch Fichtel & Sachs und der Fusion mit Hercules blieb das Werk als letzter Hersteller übrig.
Die 60er und 70er Jahre wurden hier die fetten Jahre erfolgreicher Mopeds und Kleinkrafträder, bevor Anfang der 80er Jahre fernöstliche Modelle den Markt überrannten. Deutschland war als Hersteller von Motorrädern aller Klassen einfach zu teuer geworden. Nur BMW überlebte noch mit Behördenaufträgen und dem Pkw-Geschäft im Rücken.
Mehrfach wechselten bei Hercules die Besitzverhältnisse, mit jedem Wechsel reduzierte sich die Zahl der Beschäftigten. Als im Jahr 2005 im Nürnberger Süden das letzte motorisierte Zweirad zusammengeschraubt wurde, waren von den einst über 2.000 Mitarbeitern gerade noch zwei Dutzend übrig geblieben.
Buchautor Thomas Reinwald hat in drei Jahrzehnten Recherche alles zusammengetragen, was aus 121 spannenden Jahren Nürnberger Motorradgeschichte noch überliefert ist. Archive und viele Zeitzeugen lieferten ihm Stoff über 58 aufgelistete Fabriken vom Industriebetrieb bis zur Hinterhofmanufaktur mit einstelliger Belegschaft. Dazu kamen noch die Zulieferbetriebe vom (heute noch existierenden) Vergaserhersteller bis zu den Produzenten von Zubehör, Schutzbekleidung, Seitenwagen und anderen Einzelteilen.
Hinter allen Firmen steckt ein unternehmerisches Schicksal, das mit dem Aufstieg und Niedergang des Motorrad-Booms in Deutschland eng verbunden ist. So entstanden spannende Geschichten von ehrlichen Handwerkern und windigen Geschäftemachern. Aber auch von Traumtänzern, technischen Genies und knallharten Businesstypen.
Nahezu jedes Kapitel endet tragisch mit den zahlreichen und oft verzweifelten Versuchen, den drohenden Niedergang zu überleben.
Entstanden ist ein über 250 Seiten starkes Buch im DIN A4-Format als Dokumentation mit 676 Fotos und Skizzen. Der Autor erzählt auch viele bisher unveröffentlichte Insider-Geschichten. Statt Prospektrepros und tabellarischen Aufzählungen präsentiert er neben den Fotos von Serienmodellen viele Prototypen und Vorserienfahrzeuge, die nie vom Band liefen. Bilder aus den Werken bieten einen Einblick in frühere Produktionsmethoden; andere dokumentieren die Erfolge fränkischer Fahrer in der einstigen Hochburg des Motorrad-Geländesports.
„Nürnberger Motorradgeschichte“ ist eine packende und unterhaltsame Dokumentation geworden. Nicht nur für Historiker, sondern auch für alle, die schon immer wissen wollten, wie und warum sich die Dinge so und nicht anders entwickelt haben.
Das Buch hat einen wertigen Hardcover-Einband mit Fadenheftung, und kostet nur sehr faire 39 € (+5 € Porto u. Versand).
Erhältlich ist es unter www.zweirad-online.de, im Buch Shop oder im gutsortierten Buchhandel und bei Amazon. Nürnberger Motorradgeschichte kann auch formlos per E-Mail unter info@zweirad-online.de bestellt werden.
Infos gibt es beim Zweirad-Verlag unter Telefon 0911-3072970.
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