aus Kradblatt 5/15, Text: Jörg „Jogi“ van Senden
Fotos: penta-media.de, Rainer Ernst, Detlef Schmidt

Geführte Endurotour in Mecklenburg-Vorpommern

Sandige AuffahrtNur einige Reisestunden von uns entfernt, hält Mecklenburg-Vorpommern in der Region rund um Hagenow ein ideales Revier für Enduro-Wanderer und Moto-Cross-Fahrer bereit. Relativ einsame Landstriche mit unbefestigten Wegen, Bächen und Feldern bieten neben den offiziellen Moto-Cross-Bahnen den Enduro-Fahrern viel Raum, um ungestört ihr Hobby ausüben zu können, oder anders herum, ohne andere zu stören.

Ich habe die Gelegenheit genutzt und an einem Wochenende mit Endurofun-Tours auf einer Leihmaschine meine Geländefähigkeiten auf die Probe gestellt. Enduro-Fahren ist ein Teamsport, auch wenn jeder für sich auf seiner Maschine sitzt. Im Falle einer Panne, eines Sturzes oder vielleicht auch nur einer schwierigeren Geländeübung, ist es wichtig schnell Hilfe von den anderen bekommen zu können. Deshalb habe ich mich für eine organisierte und geführte Tour entschieden. Ein weiterer Vorteil ist, dass man sich besser auf den Untergrund und dessen Eigenschaften konzentrieren kann, wenn man mit einem Guide unterwegs ist, der Ortskenntnisse hat. Dann schaut man nicht ständig auf das GPS-Gerät, sondern auf die Fahrbahn.

Bereits während der Anreise auf der eigenen Straßenmaschine begeisterte mich die Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns. Das Hotel, von dem aus wir unsere Exkursion machen wollten, war schnell mit dem Navi gefunden. Es war der Heidehof in Moraas (www.heidehof-moraas.de), der mit Ausstattung und Service in gehobenem Standard voll auf Motorradfahrer eingerichtet ist. Abgesehen von ordentlichen Zimmern mit Dusche, bietet der Heidehof eine Garage für die Motorräder, sowie einen Kärcher zur Reinigung der Maschinen an.

Hilfe im MatschIm Laufe des Nachmittags kehrten auch die anderen Teilnehmer dieser Tour ein. Viele kannten sich schon von vorherigen Reisen, die sie mit Endurofun-Tours gemacht hatten. Mit viel Inte­resse und einer gewissen Ehrfurcht lauschte ich den Geschichten der anderen Teilnehmer, die sich mit ihren Enduros bereits in Frankreich, Spanien und Marokko herumgetrieben hatten und rege Fotos und GoPro-Videos davon austauschten. Meine Erfahrungen im Gelände hielten sich dagegen bis dahin in überschaubaren Grenzen. So fragte ich mich, auf was ich mich da eingelassen hatte.

Abgesehen von mir, hatten alle Teilnehmer nicht nur deutlich mehr Erfahrung, sondern sie hatten auch ihre eigenen Maschinen dabei, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten waren.

Das Abendessen im Restaurantbereich des Heidehofes wurde genutzt, um sich ein wenig zu beschnuppern und vorab erste Informationen zum Ablauf zu geben. Motorradfahrer sind im Allgemeinen gesellige und kameradschaftliche Menschen. Da machen auch die Enduro-Fahrer keine Ausnahme. So wurde es bereits am ersten Abend eine heitere Runde.

Obwohl alles wie geplant verlief, hatte ich doch Schwierigkeiten sofort einzuschlafen. Die hochbeinigen, mächtig erscheinenden Enduros wirkten doch recht respekteinflößend auf mich und ich machte mir Gedanken, ob ich das am nächsten Tag alles wuppen würde, ohne mich bis auf die Knochen zu blamieren. Das Einschlafen machte mir auch der auf der anderen Seite der Gipsdecke herum klabasternde Marder über meinem Kopfende nicht gerade einfacher.

Jogi im UnterholzAm nächsten Morgen wurde pünktlich um 7.30 Uhr gefrühstückt und alles zur Abfahrt fertig gemacht. Die Fahrer teilten sich in zwei Gruppen auf. Die geübteren Teilnehmer versammelten sich unter der Führung von Detlef Schmidt, die anderen unter der Führung von Rainer Ernst, der mir auch die Einweisung für meine Leih-Enduro gab. Es handelte sich dabei um einen gutmütigen Suzuki DR-Z 400 Eintopf mit völlig ausreichenden 40 PS.

Die Bedienteile einer Enduro unterscheiden sich nicht von einer normalen Straßenmaschine. Sie haben nur etwas andere Proportionen. Jeder der es in den Sattel schafft und normale Motorräder bedienen kann, ist auch in der Lage eine Enduro zu fahren.

Mit einem kurzen zeitlichen Abstand starteten die beiden Gruppen, nicht ohne vorher Verhaltensregeln mit auf den Weg bekommen zu haben. Das ist wichtig, damit die Gruppen zusammen bleiben und niemand mit einer Panne oder nach einem unbemerkten Sturz ohne Hilfe zurück bleibt.

Nach nur wenigen Straßenkilometern ging es ab ins Gelände. Ich hatte mich schnell an die Maschine gewöhnt. Die Sitzposition war zwar etwas höher, aber sehr bequem. Alles passte. Ich hatte schon nach kurzer Zeit die Angst vor dem hochbeinigen Gerät verloren und fühlte mich relativ sicher darauf. Die langen Federwege der Enduros bügeln sogar grobe Unebenheiten ohne Mühe prima aus. Das war mir vorher schon klar, aber dass es so toll funktioniert, hätte ich nicht erwartet. Federwege um die 30 Zentimeter können eine Menge schlucken. Auf der gesamten Tour sind mir die Federn nicht ein einziges Mal durchgeschlagen.

Grobe Stollenreifen vermitteln auf der Straße kein gutes Fahrgefühl und machen laute, singende Geräusche. Im Gelände dagegen, offenbaren sie ihr Talent mit unerwartet guten Grip. Um diesen zu optimieren wird im Gelände mit wenig Luftdruck gefahren. Die meisten fahren zwischen 1,3 und 1,5 Bar.

Plattfuss ReparaturSchon nach kurzer Strecke fuhren wir über holprige Wege, durch matschige Schlaglöcher und große Pfützen. Bereits nach einer halben Stunde sahen wir aus wie Ferkel in der Suhle. Mit nässeresistenter Schutzkleidung ist das alles kein Problem.

Enduro-Fahren erfordert viel Konzentration. Das Auge muss die Gegebenheiten des Weges schnell erfassen. Es bleibt wenig Zeit sich zu entscheiden, wo es lang gehen soll. Was auf der Straße gilt, gilt auch im Gelände. Guckst du doof, fährst du doof. Es ist keine Zeit ein Hindernis, sei es ein großer Stein oder ein Baumstumpf, am Rande des Weges lange zu beäugen. Der Blick muss immer dahin gehen, wo man hinfahren will. Sonst wird das nichts.

Regelmäßige Pausen, um den Flüssigkeitspegel des Körpers im Lot zu halten und sich im Kopf neu zu sammeln sind wichtig. Enduro-Fahren ist schweißtreibend. Ich bekam in den Pausen sehr viele Tipps, die ich anschließend umzusetzen versuchte. Nicht alles gelang mir auf Anhieb. Besonders das Fahren auf lockerem, weichem Sand verlangt Übung. Die Maschine fängt leicht an zu schlingern, wenn man nicht aufpasst. Unter normalen Umständen gehen wir auf der Straße vom Gas, wenn Unruhe ins Fahrwerk kommt und verringern die Geschwindigkeit, bis wieder alles stabilisiert ist. Das ist im Gelände manchmal die falsche Reaktion und kann sogar zum Sturz führen. Gerade im Sand, muss das Tempo gehalten werden, so dass immer ein gewisser Druck auf dem Hinterrad bleibt. Außerdem wird das Körpergewicht nach hinten verlagert, so dass das Vorderrad entlastet wird und sich nicht zu tief eindrückt. Es soll geradezu über den Sand hinweg gleiten. Wer im Sand zu abrupt vom Gas geht, verlagert das Gewicht auf das Vorderrad, das sich in Folge tiefer in den Sand gräbt und dann die ganze Fuhre bis zum Sturz unkontrolliert quer ziehen kann.

TrialpassagenDas ist jedoch kein Grund Sand zu meiden. Einige hatten sogar besonders viel Spaß in der „Sandkiste“ und übten sich im Hill-Climbing. Ich gestehe, dass ich auf diese Herausforderung lieber verzichtet habe. Schließlich wollte ich meine Leih-Suzuki heil wieder abgeben, wenn möglich ohne zu stürzen. Das ist mir auch fast gelungen …
Es gibt noch einige andere Situationen, in denen es nicht ratsam ist zu bremsen, sondern das Tempo zu halten oder sogar noch mehr Gas zu geben. Geschwindigkeit erhöht die Kreiselkräfte und damit die Stabilität des Fahrzeugs. Das erfordert ein Umdenken im Kopf. Es hat mich zeitweilig sehr viel Überwindung gekostet.
Gerade hatte ich mich nach der Fahrt durch Sand an ein gewisses Schlingern im Heck gewöhnt, als der mir folgende Fahrer meldete, dass meinem Hinterreifen die Luft ausgegangen sei. Das war mir im Eifer des Gefechts gar nicht aufgefallen.

Wohl dem, der mit einer erfahrenen Gruppe unterwegs ist. Alleine hätte ich mit meiner Automobil-Club-Karte vermutlich einsam im Unterholz gestanden und mich gefragt, ob mich jemals jemand finden würde. Unser Tour-Guide Rainer gab kurz entschlossen eine Gratis-Lehrstunde darüber, wie man mit einfachen Bordmitteln innerhalb von 25 Minuten ein Hinterrad ausbauen und einen Schlauch wechseln kann. Zum Glück hatte jemand ein halbwegs passendes Ersatz-Gummi dabei. Ein toter Ast ersetzte den Montageheber. Abseits der normalen Straßen muss man kreativ sein und improvisieren können. Der Rest unserer Gruppe nutzte derweil die Zwangspause zur Entspannung. Pannen gehören beim Enduro-Fahren dazu. Niemand fühlte sich deshalb durch die unvorhergesehene Pause genervt oder aufgehalten. Alles locker und easy.

Voll im MatschWie eingangs erwähnt, ist Enduro-Fahren ein Teamsport. Es kann schnell passieren, dass man alleine nicht weiter kommt und auf die Hilfe der anderen angewiesen ist.

Je schwieriger der Parcours und die selbst gesteckten Prüfungen sind, desto öfter muss jemand aus dem Graben gezogen werden oder braucht Hilfestellung. Das gleiche gilt für schwindende Konzentration nach stundenlanger Fahrt. In der Regel passiert bei den Stürzen jedoch nur wenig oder gar nichts. Die Fahrer tragen passende Schutzkleidung und die Maschinen sind zur Sicherheit mit Schutzbügeln, Körben und Blechen ausgerüstet, so dass die Hebel und der Motor im Falle eines Falles nicht beschädigt werden können.

Kratzer sind an einer Enduro normal und gelten nicht als Schäden, sondern sind normale Gebrauchsspuren. Die Schutzbleche und Verkleidungsteile sind deshalb aus flexiblem und voll durchgefärbtem Kunststoff gefertigt. Bunte Aufkleber reduzieren die Kratzspuren, denn sie lassen sich leicht austauschen, wenn sie zu unansehnlich geworden sind. Am Ende der Tour hatten wir genau 199,8 km geschafft. Alle kamen gesund und ohne nennenswerte Verluste zum Heidehof zurück.

WasserdurchfahrtBeim Abendessen wurden in geselliger Runde die Fotos und Videos des Tages angeschaut. Ich war sehr beeindruckt von dem, was auf einer Enduro möglich ist. Dabei war ich „nur“ bei der weniger anspruchsvollen Tour dabei. Ich möchte nicht angeben, aber noch mehr als von den anderen war ich von mir selber beeindruckt. Ich habe Pisten bezwungen, von denen ich es nicht für möglich gehalten habe, dass es überhaupt auf zwei Rädern möglich wäre. Ich habe eine tolle Kameradschaft erlebt, wie ich sie vorher nur aus meiner Zeit in der Bundeswehr kannte. Dank an alle die dabei waren und insbesondere Rainer, der unsere Gruppe sicher und kompetent geführt und angeleitet hat. Ohne euch hätte ich dieses Abenteuer nie gewagt. Luft holen …

Ich bin am Abend nach der Tour so müde in mein Bett gefallen, dass nicht einmal mehr der randalierende Marder meinen Schlaf stören konnte. Am Morgen danach habe ich Muskeln gespürt, von denen ich vorher nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt.

Redlich verdientes BierchenWer ein normales Motorrad sicher auf Asphalt bewegen kann, sollte auch einmal das Gelände als Revier ausprobieren. Ich bin sicher, dass auch ihr ein grandioses Erlebnis haben werdet. Keiner wird gezwungen etwas zu tun, was er nicht will. Etwas Mut ist zwar trotzdem erforderlich und manchmal fragt man sich nach dem Sinn der Aktion, aber nach der bestandenen Herausforderung fühlt man sich wie ein Held. Probiert es aus. Ihr werdet über euch selbst erstaunt sein.

Wer nicht gleich ein ganzes Wochenende fahren möchte, kann auch einzelne Schnuppertage buchen. Endurofun-Tours bietet zusätzlich Trainingseinheiten an, bei denen unter fachlich kompetenter Anleitung verschiedene Situationen geübt werden können.

Schaut einfach mal auf die Homepage: www.endurofuntours.com.
Mir hat dieses Wochenende so viel Spaß gemacht, dass ich in Kürze ein weiteres Enduro-Abenteuer in Süd-Frankreich antreten werde. Die Reise wird mich dann in die Cevennen in der Region rund um Ardèche und zum Mont Lozère führen. Da alles prima organisiert war und ich mich gut betreut und ge­­coached gefühlt habe, werde ich auch diese Exkursion wieder mit Endurofun-Tours unternehmen. Ich bin gespannt auf das, was es dort zu erleben gibt und berichte Euch davon in einer der nächsten Ausgaben. Bis dahin versuche ich mich wieder zu beruhigen. Man, war das geil!