aus Kradblatt 10/17
von Marcus Lacroix

Eine Frage des Blickwinkels

Spurensuche - Endurotour Mecklenburg VorpommernSeit 30 Jahren fahre ich jetzt Motorrad und in der letzten Zeit finde ich zunehmend Spaß daran, dies auf unbefestigten Wegen zu tun. Wobei, wenn ich so zurück denke: Das hat damals ja auch schon Spaß gemacht, egal ob mit der armen Hercules Mofa, auf Yamaha XT350 oder mit der BMW R 80 GS. Der Kreis schließt sich also irgendwie. Für Ausflüge auf Feldwegen steht jetzt eine Honda CRF 250 L in der Garage, nachdem sich eine BMW G 650 xChallenge als etwas oversized erwies. Nach einem eintägigen Enduro-Einsteigertraining im Hoope Park bei Bremen fühlte ich mich zu Höherem berufen.

„Mecklenburg kreuz und quer“, so heißt eine Tour im Programm von Endurofun-Tours aus Burg/Dithmarschen. Das klingt doch gut. Chef Jochen Ehlers veranstaltet seit vielen Jahren geführte Endurotouren und als ich ihm meine Offroad-Erfahrung beschrieb, empfahl er mir eine eher gemütliche Enduro-Wandergruppe. Schön, dachte ich mir – das sollte passen. Zwei Tage ruhig über Feld- und Waldwege hoppeln und dabei die Landschaft genießen. Anfang August dürfte das Wetter mitspielen und nach MäcPomm ist es auch nicht so weit. Den Weg legte ich aber trotzdem mit dem Auto zurück, denn unnötig die frisch aufgezogenen Enduroreifen platt zu fahren macht wenig Sinn.

Ganz langsam, die Rinder weichen aus - Endurotour Mecklenburg VorpommernUnsere Gruppe war erfreulich klein, beim Anblick der anderen Maschinen kamen mir aber schon ein paar Zweifel. Meine kleine CRF samt Michelin T63 Reifen war sichtbar die straßentauglichste Maschine, aber immerhin einer der Teilnehmer schien auf meinem Fahrerfahrungs-Level zu liegen.

Samstag morgens gegen halb zehn ging es nach einem guten Frühstück dann los. Ich durfte direkt hinter dem Tourguide fahren, was sich als sehr hilfreich erweisen sollte. Das ist ein bisschen wie in der Schule – die Streber sitzen in der ersten Reihe, kriegen den Lehrstoff dafür aber auch ungefiltert mit.

Wenn Garmin sagt das ist ein Weg, dann ist da ein Weg!

Schon nach wenigen hundert Metern fuhr Guide Rainer im Stehen und bog in einen unbefestigten Weg ab. Wir folgten artig und er gab das Tempo vor. Wie auf der Straße werden die Abstände ausreichend groß gewählt um jederzeit anhalten zu können. Zwei Offroad-Maschinen nebeneinander, wie auf Bildern manchmal zu sehen, sind nur eine Show für den Fotografen. An Abzweigungen achtet man darauf, dass der Hintermann die Richtungsänderung mitbekommt. Bei kurzen Stopps gab es immer ein Feedback – passt das Tempo? Läuft alles rund? Getränke führt jeder in seinem eigenen Rucksack mit und die waren auch nötig, obwohl es an den Tagen nicht sonderlich warm war.

Reifenpanne - Endurotour Mecklenburg VorpommernEine Sache stellte ich sehr schnell fest: Die Definition von Endurowandern kann SEHR unterschiedlich sein! Während manche Fahrer unser Tempo tatsächlich als gemütlich empfanden und die tolle Landschaft genossen, war es für mich ganz persönlich die größte sportliche Herausforderung in meinem bisherigen Offroad-Leben! Kein Witz, ein gemütlicher Sparziergang zu einem 15 km Lauf auf Zeit stand gefühlt im gleichen Verhältnis.

Den Grund dafür konnte ich auch sehr schnell ausmachen: mir fehlt ganz einfach die Erfahrung. Ich war permanent damit beschäftigt, dem Tourguide zu folgen, die Strecke zu lesen, meine Körperhaltung zu kontroll- und korrigieren, die Angst vor Kontrollverlust zu überwinden und die Maschine zu bedienen – oft genug alles gleichzeitig. Wechselnde Lichtverhältnisse vom freien Feld in den Wald und dann wieder durch sonnendurchflutete Lichtungen, ständig wechselnder Untergrund von überfluteten, matschigen Waldwegen über sandige Passagen, geschotterten oder grasüberwachsenen Wegen, die andauernde Anspannung in jedem Moment eine Entscheidung treffen zu müssen – das schlaucht körperlich und mental! Und dann schaut man auf den an Lebensjahren reicheren Tourguide, der leicht und locker durch und über alle Unwegbarkeiten hinweg­tänzelt …

Pause - Endurotour Mecklenburg VorpommernIhr meint, aus diesen Worten spricht die pure Verzweiflung? Falsch! Ich hatte auf Feldwegen noch nie so viel Spaß und konnte gerade durch die Heraus­forderung in der Gruppe meinen eigenen Offroad-Horizont erweitern. Übung macht bekanntlich den Meister und in den Momenten, in denen man mal alles richtig machte spürte man, wie leicht es eigentlich sein kann.

Sandkasten für Sportfahrer - Endurotour Mecklenburg VorpommernDie Sportfahrer der Gruppe nahmen Rücksicht, hatten trotzdem viel Spaß und ließen bei Stopps an sandigen Baggerlöchern erst mal die Sau raus, während wir Newbies erschöpft am Boden lagen und staunten.

Am Abend des ersten Tages kamen wir nach 10,5 Stunden und „fetten“ 225 Kilometern wieder am Hotel an. Etwas Zeit hatten wir durch technische Pro­bleme verloren, die unterwegs behoben wurden aber größtenteils waren wir in Bewegung. Nennenswert eingekehrt wurde auch nicht, wir waren einfach zu fahrgeil; Bockwurst an der Tanke reichte. Natürlich wird so etwas aber vorher im Gruppenrahmen abgesprochen. Das reichhaltige Abendessen samt Bier schmeckte dann um so köstlicher.

Im Bett fuhr ich bei geschlossenen Augen noch eine ganze Weile über Stock und Stein. Nachts wachte ich irgendwann auf, alle Muskeln schmerzten und ich dachte nur „Lieber Gott, lass morgen früh alles wieder gut sein sonst überlebe ich den Tag nicht“ – er machte sich aber einen Spaß draus und der Muskelkater natürlich war kein Stück weg.

Pfützen nach Regen - Endurotour Mecklenburg VorpommernEgal, um kurz nach neun ging es trotz viel Mimimiii wieder los und erstaunlicherweise lief es nicht nur muskelmäßig viel besser als erwartet. Mein Gehirn hatte in der Nacht die Erfahrungen wohl verarbeitet und viele Fahrmanöver fielen mir leichter als am Tag zuvor. An den Spielplätzen mit steilen Auf- und Abfahrten sah ich dann aber doch lieber weiter zu. Man muss ja nicht gleich übertreiben.

Von der Landschaft bekam ich auch mehr mit und muss sagen: Mecklenburg Vorpommern lohnt sich! Nicht nur für Endurofahrer, auch die Landstraßen (die wir meist nur überquerten) sahen vielversprechend aus. Witzig sind auch die „Hosenträgerstraßen“, betonierte Fahrspuren die sich z. T. über lange Strecken als Verbindungswege zwischen Dörfern ziehen. Kulturell gibt es auch einiges zu entdecken, doch dafür hatten wir keine Zeit. Besichtigungstouren in steifen Crossstiefeln sind außerdem nicht so unterhaltsam. Als wir am späteren Nachmittag zurückkehrten, gab es nur glückliche Gesichter.

Schmaler Weg - Endurotour Mecklenburg VorpommernAllen, die nun selbst an so einer Tour interessiert sind, gebe ich ein paar Empfehlungen mit auf den Weg. Die gelten auch bei anderen Anbietern und z. T. für die Straße: Klärt unbedingt VOR der Buchung das Fahrniveau, ein echter Anfänger wäre auf dieser Tour sicher überfordert gewesen, für ambitioniertere Sportfahrer hat Endurofun-Tours Härteres im Programm. Ebenso wäre eine Reiseenduro in diesem Fall fehl am Platz gewesen, auch dafür gibt es spezielle Touren. Erkundigt euch auch, ob das Hotel euren persönlichen Ansprüchen genügt. Unseres war rustikal aber reichte (mir) allemal aus. Manch einer legt aber ja z. B. Wert auf Wellness, eine Sauna oder Massage nach der Anstrengung. Schaut auch auf eure Ausrüstung, Straßenkleidung bietet für den Offroad-Einsatz meist zu wenig Belüftung oder Schutz (Brust/Rücken). Und das Wichtigste, dass ich schmerzhaft gelernt habe: Endurostiefel kauft man ein bis zwei Nummern größer, denn am Ende des Tages wird es wirklich eng in ansonsten passenden Schuhen.

PS: nach drei Tagen ebbte dann mein Muskelkater ab. Ich möchte nicht wissen wie der ausgefallen wäre, wenn ich nicht drei Mal die Woche im Fitnessstudio trainieren würde. Ergänzend werde ich aber auch an meinem Fahrstil feilen und freue mich schon auf die nächste Tour …

Infos zum On- und Offroad-Angebot von Endurofun-Tours bekommt man telefonisch unter 04825-1695 bzw. online unter www.endurofuntours.com sowie auf Facebook.