aus bma 4/11

von Marcus Lacroix

Nein zu E10 BenzinEigentlich hätte es ja ganz ruhig laufen können: die Bundesregierung setzt eine neue EU-Richtlinie um und alle sind glücklich. Aber dann ist da doch was schief gelaufen bei der Einführung des E10-Benzins, also dem neuen Sprit mit 10% Ethanol-Anteil. Wir Verbraucher wollten nicht mitspielen. Komisch…

Grundsätzlich wird niemand von uns etwas gegen die prinzipiell gute Idee haben, die Welt ein wenig besser zu machen. Dass sich über Beimischung von Ethanol zu Benzin der CO2-Ausstoß vermindern lässt und die begrenzten fossilen Brennstoffe geschont werden, steht auch außer Frage. Vor ein paar Jahren verschwand ja auch verbleites Benzin zugunsten der Katalysatoren nach und nach vom Markt und die heutige Generation weiß nicht mal mehr, warum ehedem Blei im Sprit war. Mit dem Ethanol hätte es ähnlich laufen können/sollen. Was ist also schief gelaufen?

Wer Radio hört, Zeitungen liest oder fleißig im Internet surft, bekommt zwar jede Menge Informationen, doch als Normalsterblicher ist man mit der Flut schnell überfordert. Mir ergeht es jedenfalls so und das macht mich sauer. Politik und Wirtschaft pupen sich gegenseitig an, Naturschutzverbände schlagen Alarm, Techniker und Hersteller warnen vor Risiken und Nebenwirkungen, in vielen Blogs und Foren werden mehr oder weniger gesunde Halbwahrheiten und Erfahrungsberichte gepostet usw. Wem soll man da Vertrauen schenken? Als Resultat gab es Anfang März das bekannte Chaos – der Verbraucher lehnte E10 Sprit ab und tankte weiter E5, obwohl E10 subventioniert und damit etwas billiger ist.

Ich für meinen Teil begegne Politik und Wirtschaft, die mir sowieso viel zu eng verbandelt sind, mit einem ziemlichen Misstrauen. So sagte z.B. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Interview der „Bild am Sonntag”, dass „die Einführung von Biokraftstoff dazu dient, unsere Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren.”. In meinen Augen eine selten böde Aussage! 90% des E10-Benzins stammen somit immer noch aus fossilen Quellen und wir sind heute nicht mal in der Lage, die lächerlichen 10% Ethanol ökologisch sinnvoll herzustellen. Mineralölkonzerne kaufen die Suppe auf dem Weltmarkt ein, denn zur Erfüllung der Quote müssen sie derzeit noch zukaufen. Dass die Sache mit der Nachhaltigkeit in der Produktion des Ethanols da als erstes auf der Strecke bleiben wird, beklagen nicht nur Greenpeace, BUND und Co., schließlich geht es beim Verkauf von Treibstoffen vor allem um den Profit. Die Herkunft des Ethanols aus nachhaltigen Quellen muss nach Biokraftstoff Nachhaltigkeitsverordnung zwar von den Sprit-Herstellern nachgewiesen werden, sonst gibt es keine Steuerentlastung für Biokraftstoffe, aber wir schaffen es ja nicht mal, nachhaltig im eigenen Ländle Dioxin oder anderen Mist aus Futtermitteln und Lebensmitteln heraus zu halten. Wie will die Bundesregierung da Treibstoff vom Weltmarkt kontrollieren? Nach dem Skandal ist vor dem Skandal! Norbert Schindler (CDU), Minister des Bundes und Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft BDBe weist die Kritik des BUND bezüglich der Nachhaltigkeit übrigens zurück – ein Schelm, wer hier an eine wirtschaftliche Interessenvertretung durch einen gewählten Politiker denkt.

Nach einer Umfrage auf der Website www.bma-magazin.de (Stand 21.3.11) lehnen deutlich fast 80% der Leser den E10-Sprit aus Prinzip ab. Bei rund 15% verträgt das Fahrzeug kein E10. Aus ökologischen oder finanziellen Gründen tanken nur 2,7% der bma-Leser E10. An mangelnder Aufklärung – wie Politik und Wirtschaft mutmaßen bzw. sich gegenseitig vorwerfen, liegt das meiner Ansicht nach nicht. Die meisten Fahrzeugbesitzer wissen schon sehr genau, ob sie E10 tanken dürfen oder nicht. Angeblich 90% aller Fahrzeuge in Deutschland vertragen ja den erhöhten Ethanolanteil – ich denke vielmehr, die Bürger haben den Etikettenschwindel durchschaut. Mit etwas Glück entsteht so nach Stuttgart 21 sogar eine neue deutsche Protestkultur! Dass die Kfz-Hersteller bisher keine Garantie für die eignen Aussagen zur E10-Verträglichkeit übernehmen wollen, kann allerdings auch nicht gerade als vertrauensbildend bezeichnet werden.

Ich persönlich vertraue Greenpeace ] Co. mehr als den deutschen (oder europäischen) Politikern – egal welcher Couleur sie angehören. Und demnach sieht die Umweltbilanz für E10-Sprit nicht gerade rosig (bzw. grün) aus. Zwar muss man auch Aussagen von Umweltverbänden hinterfragen, mein Bauchgefühl ist bei denen aber besser.

Und wer profitiert nun vom Durchboxen des Ethanolsprits gegen den allgemeinen Bürgerwillen? Definitiv die Automobilindustrie, deren Lobby in Deutschland und Frankreich traditionell stark ist. E5-Sprit muss weiter angeboten werden, wird aber lt. ADAC jetzt schon teurer verkauft. Stand 10.3. betrug nach meiner Beobachtung der Unterschied in Oldenburg zwischen 0 und 8 Cent/Ltr. Trotz gesetzlichem „E5-Bestandschutz“ werden sich mehr Menschen nach einem garantiert E10-tauglichen Fahrzeug umsehen. Industrie und Staat profitieren, Altfahrzeuge werden von Gebrauchthändlern gewinnbringend ins Ausland verklappt. Die Markteinführung spritsparender Fahrzeugkonzepte kann damit weiter verzögert werden, schließlich tun wir ja Biosprit-mäßig was für die Umwelt und verkaufen weiter schön unsere fetten Schlitten. Die staatliche Förderung von günstigen Spritsparern würde zwar den CO2-Ausstoß messbar reduzieren, dafür aber Staat und Industrie Geld kosten. Auf die Fahrzeugführer, die irrtümlich zur falschen Zapfpistole greifen, freuen sich die Werkstätten, wobei das aber wohl eher wenige treffen wird. Die Langzeitfolgen hingegen sind offenbar nicht erforscht. Immerhin meldet Welt-online am 6.3.11, das „BMW und Daimler kurzfristig ein gemeinsames Forschungsteam bildeten, das jetzt spezielle Praxistests durchführen soll”. Jetzt erst? Ich dachte, das wäre geklärt! Weiter heißt es in dem Artikel über die mögliche Ölverdünnung: „Bei den Mineralölfirmen ist das Problem offenbar noch unbekannt. „Wir beschäftigen uns nicht mit technischen Fragen“, sagt eine Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbands.” Da fällt einem doch nichts mehr zu ein – außer dass Motoröl auch fossilen Ursprungs ist.

Einen Ast freuen kann sich die Landwirtschaft. Statt endlich mehr Subventionen abzubauen, wird fleißig weiter Geld hineingepumpt. Ein paar schlaue Landwirte machen sich bereits mit Biogasanlagen schön die Taschen voll – der ökologische Nutzen ist dabei sehr umstritten und regional entsteht erster Widerstand. Im November 2010 vorgelegte Änderungsvorschläge der EU-Kommission zur Subventionspolitik werden lt. Greenpeace übrigens von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) boykottiert. Zu den profitierenden landwirtschaftlichen Unternehmen kann man sicher auch die Südzucker AG zählen, die lt. Zeit-online über ihre Tochter CropEnergies in Europa führend bei der Ethanol-Herstellung ist. Zuckerrüben eignen sich in Europa besser zur Ethanolherstellung als Weizen – das passt doch. Für die bundesdeutschen 10% Ethanol müssten lt. BUND 27% unserer Ackerfläche für schnellwachsende Biospritplanzen genutzt werden. Da freuen sich auch die fleischerzeugenden Betriebe, die zum Verklappen ihrer Gülle massig Fläche brauchen damit wir auch ja unsere tägliche Discounter-Mastfleischration billigst einkaufen können. Und das klamme Staatssäckel profitiert auch, denn nachweislich ist der Benzinverbrauch mit E10 aufgrund der geringeren Energiedichte höher. Mehr Verbrauch bedeutet mehr Steuereinnahmen – Liter für Liter. Wer denkt da schon gerne an spritsparende Fahrzeuge?!

Wirtschaft und Politik stellen die Sachverhalte natürlich anders dar und widersprechen vielen den von Umweltverbänden kritisierten Punkten. Letztendlich ist die ganze Geschichte in meinen Augen nur wieder ein Beweis, dass ordentliche Lobbyarbeit durch nichts zu ersetzten ist, wenn man sich entweder die Taschen vollmachen oder sich durch überzogenes Geltungsbedürfnis politisch profilieren will – oder beides zusammen! Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht und viel zu viele Lobbyisten und Karrieregeier stehen zu wenigen Idealisten gegenüber. Vielfach verspieltes Vertrauen ist nicht so schnell zurück zu gewinnen, speziell wenn auch die gerade noch aktuellen Lichtgestalten im gleichen Sumpf untergehen, wie der Rest. Bei den nächsten Wahlen bleibt uns dann die Wahl zwischen Pest, Cholera und dem Strick.

Solange ich nicht davon überzeugt werde, dass die E10-Geschichte wirklich ökologisch nachhaltig ist, hoffe ich auf ein Scheitern. Und dass ich bei dem Nachweis nicht der Politik vertrauen werde, kann sich nach dem Artikel wohl jeder selbst denken…

Eine komplette Auflistung aller Motorrad- und Rollerhersteller zur aktuellen E10-Verträglichkeit sparen wir uns an dieser Stelle, da es den Rahmen doch etwas sprengen würde. Fragt am besten Euren kundigen Vertragshändler oder klickt im Internet beim ADAC vorbei: www.adac.de/e10.