aus Kradblatt 2/16
von Wilfried Baum
Frl. Katie will links – mit dem Leihmotorrad in Südafrika unterwegs
An einem Montag im November hocke ich im Flieger nach Kapstadt – mit Stopp in Amsterdam, ca. 15 Stunden Po platt sitzen – aber es entsteht keine Zeitverschiebung, weil es direkt nach Süden geht und damit auch kein Jetlag.
Das Taxi zum Hotel wird an einem Schalter bestellt – das schützt gegen Nepp. Die Nacht ist unruhig, ich bin viel zu früh wach. English Breakfast und dann ein Taxi zum Vermieter. Shawn stellt mir Frl. Katie vor – eine schwarze Schönheit mit beachtlicher Oberweite, besser bekannt als Kawasaki KLR 650. Sie bekommt noch neue Reifen – dann sind wir allein.
Kaum runter vom Hof geht der Ärger los – Katie will unbedingt auf der linken Straßenseite fahren. 18 Ehejahre haben mich gelehrt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden – fahren wir eben links. Erst Stadtautobahn, durch Townships, dann Landstraße R44, am Meer entlang, der Sonne entgegen. Die spinnt hier übrigens auch – schlägt den Bogen von Ost über Nord nach West.
In Betti’s Bay gehe ich vom Gas – da gibt es eine Pinguinkolonie. Nette Burschen, so ca. ½ Meter hoch – allerdings mit ziemlichem Mundgeruch nach altem Fisch.
Ein Sandwich, hier meist mit Pommes serviert, Wasser und Kaffee kosten 50 ZAR, ca. 4,50 €. Tanken ist auch günstig – ca. 1,20 €/L.
Malerische Straße über einer Steilküste, in den Parkbuchten stehen Leute und schauen mit Ferngläsern aufs Meer: Whalewatching. Es ist aber kein Schwanz zu sehen.
Am Nachmittag erreichen wir Hermanus – im Backpacker, einer Art privater Jugendherberge, nehme ich ein Einzelzimmer für 27 € und in diesen Preisregionen verläuft der Rest der Reise; also ein Drittel günstiger als bei uns.
Strandspaziergang – hier ist eine ca. 15 Meter hohe Steilküste und direkt darunter schmusen drei Wale, Southern Right Whale, ca. 15 Meter lang. Weiter draußen hüpfen auch welche, es ist beachtlich. Abends Grill und Bar im Garten – der örtliche Stoff heißt Castle und ist gut trinkbar – um 9 Uhr fallen mir die Augen zu.
Das Frühstück, Toast, Marmelade und Tee, überfordert niemanden, aber es reicht, um loszufahren. Über Gaansbay geht’s zum Leuchtturm „Danger Point“ – dann 40 Kilometer Schotter bis Elim, einer Missionssiedlung auf dem Stand von 1900.
In der alten Watermill nehme ich Tee und Zimtschnecke – ist schon merkwürdig, wenn so ein urdeutscher Kuchen von einer schwarzen Lady in Rüschenbluse und langem Rock serviert wird und mit breitem Lächeln ein „wohl bekomms“ nachgeschoben wird.
Kap Agulhas ist der südlichste Punkt Afrikas, hier treffen der Atlantik mit kaltem und der Indische Ozean mit warmem Wasser zusammen. Es ist häufig dunstig und entsprechend viele Schiffswracks liegen rum.
Noch mal 20 Kilometer Schotter und etwas Asphalt. In Bredasdorp finde ich dann ein nettes Gästehaus. Die Vermieterin spricht so eine Art Plattdeutsch – das kann ich auch und es wird ein langer Abend.
Nach einem Pfannkuchenfrühstück geht’s weiter Richtung A2. Vor Swellendam ist die Straße gesperrt. Die Landarbeiter streiken für mehr Lohn: von 9 € auf 11 € – pro Tag versteht sich – und haben die ganze Stadt blockiert.
Auf Schotter fahren wir bis Malagas. Vor der handbetriebenen Fähre über einen kleinen Fluss steht eine ellenlange Autoschlange. Wir mogeln uns ganz nach vorn. Bei Heidelberg treffen wir wieder auf die A2. Der Schotter war ganz gut mit ca. 50 km/h zu fahren. Das ist den Geländewagen und Pick-ups aber viel zu langsam, die knallen mit 100 km/h vorbei – danach kommt Blindflug und Staub schlucken.
Übernachtung im Backpacker in Mossel Bay. Abendessen in einem Restaurant am Meer – endlich Salat! Die Ernährung sonst ist ziemlich fleischlastig.
Auf der R102 nach George und dann auf eine alte Passstraße. Es wird bergig, kurvig und richtig staubig. Die Naturstraße ist fein gesandet und gepudert. Fährt sich ziemlich übel, aber Frl. Katie macht das ganz prima. Sie säuft übriges nicht schlecht Öl. Jetzt weiß ich, weshalb Shan mir einen Liter eingepackt hatte.
Endlich in Knysna, ich checke für zwei Nächte im Backpacker ein. Die Stadt liegt an einer Lagune mit einem ganz schmalen Zugang zum Meer, in dem richtig Wellen stehen. Dann gibt es noch eine „Waterfront“, kleine Kanäle, Restaurants, Läden. Nach einem mediterranen Salat und etwas weinbeschwingt kürze ich den Rückweg ab, quer über den Busbahnhof. Mittlerweile ist es finster, es ist Freitag und die Party der einheimischen Jugendlichen ist schon fortgeschritten. Ich bin eindeutig nicht willkommen – kommt nicht wieder vor. Im Backpacker ist noch ein Feuer am Swimmingpool. Die nette schwarze Hauslady bringt mir etwas Africaans bei – ein Handtook ist natürlich ein …?
Waschtag und dann eine Tour durch den Elefantenwald. Leider sind aber keine zu sehen. Dafür Affen und anderes Getier. Abends Party im Backpacker, zwei Franzosen, zwei Niederländer, ein Amerikaner, vier Deutsche und viel Bier. Joints gehen rum, die lasse ich aber aus.
Frühstück bei Strahlewetter vor dem Backpacker, nach und nach trudelt die Gang von gestern ein. Alle leben.
Ab ins Nature Valley, eine Lagunenlandschaft mit Traumstränden. Dann das Elvis-Café in Storms River. Unterwegs, vor einer roten Ampel, meinte eine Harley-Gang, da müsse ich unbedingt hin. Naja, die armen Kellnerinnen … den ganzen Tag nur Elvis.
Von der Bloukransbrücke kann man 216 Meter runter per Bungee Jumping – lasse ich aber auch aus. Übernachtung in Jeffreys Bay. Salat mit Meerblick und Hühnerbeinen, very spicy, die Kellnerin auch.
Auf der N2 fahren wir nach Port Elizabeth, dann Richtung Addo Elephantpark, vorbei an riesigen Townships. Das sind die schlichten bis schrottigen Wohnviertel der ärmeren schwarzen Bevölkerung. Die besseren Hütten sind aus Ziegeln gemauert, ca. 30 Quadratmeter, viele aus Wellblech, Europaletten und Folie. Das Ganze garniert mit ein paar Dixi-Toiletten. Offenbar arbeitslose Jugendliche hocken am Rande und dealen mit irgendwas, die Mädels ab ca. 15 Jahren sind oft schwanger. Südafrika würde über unsere Probleme lachen.
Das Avoca Guesthouse ist eine Orangenfarm und vermietet Holzhütten, malerisch über einem Fluss und mit weitem Blick über die Plantagen. In der Nachbarhütte wohnt ein niederländisch/deutsches Paar, wir grillen etwas. Eine nette Mieze, sieht aus wie Milchkaffee, findet das auch interessant. Frühstück extrem nobel im Salon des Haupthauses – die Mieze kann nicht mit – es gibt da ein paar fette Hunde. Ich stibitze ihr Brot, Butter und Roastbeef, das gefällt.
Ich habe eine Land Rover Tour durch den Addo Elephant- und Schotia-Park gebucht. Wir sind zu acht und ein Ranger. Im Addo Park gibt es reichlich Elefanten, Warzenschweine, Büffel, Antilopen, Löwen und Zebras, die sich durch die 80 km² auch nicht ins Gehege kommen.
Schotia ist kleiner, durch Zäune unterteilt, wie ein riesiger Zoo. Zusätzlich leben dort Giraffen, Nashörner, Nilpferde und Krokodile. Wir fahren bis auf 10 Meter an die Löwenfamilie, 9 Tiere, heran – alle wohlgenährt. Sie brauchen ca. 3 Futtertiere pro Woche. Dafür gibt es eigentlich zu wenig Zebras und Antilopen. Der Ranger ist etwas verlegen – Naja, gelegentlich werden ein paar Futterzebras zugekauft. Abends noch ein Büfett mit Springbockbraten stilvoll am Lagerfeuer.
Runter zur Küste geht’s nach St. Francis Bay. Ein Traumstrand, aber die gebuchten Seehunde versetzen mich – offenbar wissen die nicht, wie wichtig der Tourismus für Südafrika ist.
Am Morgen herrscht wieder Strahlewetter, aber es ist ziemlich frisch – für die ersten zwei Stunden ist Skiunterwäsche angesagt. Über Humansdorp fahren wir auf der R62 nach Oudshorn. Die Landschaft ist weit, wenig Orte, endlos geradeaus mit einigen Straußenfarmen.
Das Soul-Backpacker ist eine alte Villa mit riesigen Zimmern und einem umlaufenden Balkon. Ich bin der einzige Gast, die Vermieterin nett und gesprächig. Ich buche drei Nächte. Die Stadt ist eine Metropole für Straußenprodukte. Eine Handvoll kleiner Staubwedel aus Straußenfedern (lila) gehen mit zum Verschenken. Das mit dem Frühstück habe ich wohl falsch verstanden – jedenfalls gibt es nichts – ein paar Teebeutel und staubige Kekse sind alles.
Erstes Ziel ist der Meringsport, ein Durchbruch durch die Swartberge. Ein zweites Frühstück nehme ich in De Rust. Danach den Montagu Pass nach George, 30 km Erdstraße mit Spurrillen.
Abends im Restaurant ordere ich blind Karoo Boboties mit Sambal. Die Kellnerin will nicht erklären was das ist, verdreht die Augen und sagt: delicious. Stimmt! Es ist eine Hack-Torte mit Pfefferminz und Kokosflocken auf Gemüsereis.
Heute ist was zum Frühstücken da. Die Tagestour geht über den 1568 Meter hohen Swartbergpass nach Prince Albert und zurück. Fast nur Schotter und enge Kehren. Die Kehren mag Katie gar nicht, mit etwas turnen kommen wir aber durch. Im Restaurant starren alle gebannt auf einen Riesenfernseher. Südafrika gewinnt im Rugby 16:15 gegen England – eine todernste Sache.
Westwärts, irrtümlich durch eine Wasserdurchfahrt, erreichen wir dann Ronny’s Sex Cafe. Angeblich haben seine Freunde in grauer Vorzeit „Sex“ vor das „Cafe“ an die Wand gemalt – reichlich Ladys haben dann BHs und Höschen gestiftet – das Lokal hängt randvoll davon.
In Montagu nehme ich ein Guest House. Ich komme mit einem Engländer ins Gespräch. Er verbringt mit seiner Frau schon den vierten Winter in Südafrika – es ist kaum teurer, als in England zu bleiben.
Über Robertson und Ceres nach Citrusdahl, die letzten 20 km Schotter und Wellblech, damit kommt Katie prima klar. Buffelshoek- und Middelbergpass werden gerade neu gemacht – das heißt, eine Planiermaschine fährt drüber … fertig.
Im Guesthouse laden mich die Vermieter zum Tee ein. Ich erzähle vom Landarbeiterstreik. Kommentar: dann versaufen sie eben 11 €. Das Paar, um die fünfzig lebte in Kapstadt, wurde arbeitslos und fand keine neue Arbeit mehr. Es gibt ein Gesetz, dass offene Stellen vorrangig an Frauen, Schwarze und Familien zu vergeben sind. Weiße, allein oder mit erwachsenen Kindern, sind chancenlos, die Selbstständigkeit ist dann ein Ausweg. Für die Betroffenen bitter, aber die Schwarzafrikaner haben erkennbar keine oder die mieseren Jobs.
Über Clanwilliam fahren wir nach Lambertsbay an die Atlantikküste. Das Land wird immer trockener, karger. Im Frühling, das ist hier August, ist das Namaqualand jedoch eine einzige Blütenlandschaft.
Am Hafen ein Fischbuden-Restaurant in Sternequalität (sagt der Reisführer) – ich nehme eine Fischfrikadelle und treffe den weltbesten Motorradfahrer (eigene Einschätzung) aus Wuppertal. Wir nehmen eine Abkürzung, 50 km Feinstaubstraße bis Vredendahl. Exakt zwei Fahrzeuge begegnen uns, kein Haus, keine Wegweiser. Es ist brütend heiß, kein Schatten und ich habe wenig Wasser dabei – das war etwas leichtsinnig.
Ein dramatischer Sonnenuntergang belohnt uns in Dorings Bay beim Fischfilet – hoffentlich bekomme ich von dem vielen Fisch keine Schuppen.
Zurück nach Lamberts Bay – diesmal aber auf Asphalt. Das Hotel ist etwas angestaubt, ich bin wohl der einzige Gast. Katie wird supersicher weggeschlossen.
Der Ort macht süchtig. Ein geschäftiger Fischereihafen, Strand, Vogelfelsen, Friedhof, Kleidermarkt. Wieder die leckere Fischfrikadelle, diesmal mit Shrimps garniert, Weißwein, ich schlafe exzellent.
Gestern habe ich einen ellenlangen Güterzug mit drei Lokomotiven davor gesehen – die Erzbahn. Den Verladehafen, Saldanka Bay, schaue ich mir an. Riesig, staubig, streng bewacht. Ein vernünftiges Hotel ist nicht zu finden, also fahren wir zurück nach Paternoster, einem ziemlich noblen Küstenurlaubsort. An jeder Ecke sitzen Jungs mit Plastiktüten, in denen Hummer rumkrabbeln. Scheint hier ein Grundnahrungsmittel zu sein. In einem Zeltpavillon zwei Ladys, die fast alles anbieten. Für das Foto machen sie sich dann erst mal etwas hübsch.
Die Hotelbar ist wieder mit BHs und Höschen gepflastert – Ronny’s Sex Shop lässt grüßen. Abends Pizza mit zwei älteren Mädels.
In der Nacht stürmt es heftig, ich schaue nach Katie, aber sie steht gut. Da wir vor unserem Zeitplan sind, können wir uns einen Abstecher nach Stellenbosch leisten. Es stürmt immer noch – 170 km Rodeo reiten.
Die Altstadt von Stellenbosch könnte auch in den Niederlanden liegen. Ich finde ein bezahlbares Hotel mitten drin und kaufe ein paar Ohrringe für meine Frau.
Durch die Weingegend, die vier Pässe Route über Franschhoek, geht’s dann bei Kleinmond ans Meer bis Gordons Bay, einem Badeort vor Kapstadt. Erstmals wird die Zimmersuche schwierig. Ich lande bei einem deutschsprachigen Ehepaar und nehme zwei Nächte. Die beiden sind auch Opfer der südafrikanischen Beschäftigungspolitik – haben ihr Haus in Kapstadt gegen ein Gästehaus hier getauscht.
Auf der R310 fahren wir nach Simonstown und dann in den Cape of good Hope Nationalpark. Leider wollen da alle hin. An den Aussichtspunkten und am Leuchtturm ist ein ziemliches Gedränge. Eine Paviansippe lässt sich von den Autofahrern aushalten – angeblich können sie bei unzureichendem Futteraufkommen militant werden. Motorradfahrer sind ihnen suspekt. Kaum steige ich ab, sind sie weg. Auf dem Rückweg kann ich von einem Hügel in ein Township hineinsehen. Es ist sicherlich zwei Quadratkilometer groß. Überall stehen Dixi-Toiletten – es gibt also keine brauchbare Kanalisation. Die Stromversorgung ist abenteuerlich.
Abends etwas Castle mit dem Vermieter – er stammt ursprünglich aus Namibia und legt mir das Land wärmstens ans Herz – mal sehen.
Das Finale: rein nach Kapstadt, wir verfahren uns zweimal. Shawn grinst und nimmt mir Katie ab. Sie hat auf über 4000 km keine Zicken gemacht, nur reichlich Öl gesoffen. Das Taxis scheint von Kiesow (für Nicht-Hamburger: hiesiger Autoverwerter) zu sein und der Fahrer völlig ahnungslos. Als ca. 8 € auf dem Taxameter stehen, werde ich renitent – er schaltet ihn ab. Irgendwann kommen wir an. Stadtbummel, die Stadt ist quirlig, lebendig und ethnisch gut durchmischt. Abends an die V+A Waterfront viel Schicki Micki – gefällt mir nicht. Im Hotel gibt’s ein Salatbuffet.
Frühstück vor dem Hotel. Direkt gegenüber nimmt ein dicker Spatz ein ausführliches Bad im Springbrunnen. Ich nehme den Hop On – Hop Off Bus. Stadtrundfahrt mit Audioguide. Zuerst eine ganze Runde zum Kennenlernen, auf der zweiten Runde steige ich bei der Seilbahn auf den Tafelberg aus. Leider ist sie außer Betrieb, es ist zu windig. Dann zum Castle, dem ältesten Steinbau in Südafrika. Mittags wird zum militärischen Wachwechsel eine Mini-Kanone abgefeuert. Final noch das Goldmuseum und ein Klamottenmarkt.
Ein Hotelboy fährt mich zum Flughafen. Für das letzte Geld erstehe ich eine Weihnachtskerze – sieht deutlich anders aus als bei uns üblich.
Morgens Zwischenlandung in Amsterdam, ein paar Tulpenzwiebeln wollen noch mit. Meine Frau holt mich in Hamburg vom Flughafen ab. Sie hat Fleecejacke, Mütze und eine Wärmflasche dabei – offenbar Zuneigung, denn der Temperatursturz ist heftig.
Falls jemand auch will:
Sprache: Räuberenglisch sollte es mindestens sein
Sicherheit: etwas Augenmaß, nachts und nicht allein in die Townships
Motorrad: Cape Bike Rentals ist zu empfehlen
Linksverkehr: ist halb so wild, es geht auch ohne Schotter
Budget: drei Wochen haben bei gutem Leben exakt 3.400 € gekostet
—
Kommentare