Bei Renntrainings ist die Luft doch recht Testosteron geschwängert, doch auch für Frauen bietet so ein training viel Spaß und Lehrreiches. Amala war bei Twins Only dabei…
aus Kradblatt 9/15
von Amala Leinemann
Das erste Mal auf der Rennstrecke
Es war soweit. Auf dem Anhänger standen Franks Ducati 900 SS Königswelle und meine 750 SS Carenata, beide ohne Rückspiegel, Blinker und Nummernschilder, zum Abflug zur Motorsport Arena nach Oschersleben bereit. Das Auto war voll gepackt mit Ersatzteilen, Schmiermitteln, Werkzeugen, Benzinkanister, Messgeräten, Gartenstühlen, Helmen, Leder- und Baumwollklamotten, Wasser, Bier und Grillkram. Die Tage zuvor hatte es dauernd geregnet, doch das Wetter wurde richtig gut und blieb auch die beiden Tage schön. Es wehte immer ein kühler Wind, was beim Fahren angenehm war.
Doch jetzt wieder von Anfang an:
Wir hatten uns zu einem Fahrtraining für Zweizylinder angemeldet, das das Mo-InTeam jedes Jahr dort anbietet. Die Stecke ist fast 3,7 km lang, hat sieben Links- und sieben Rechtskurven und einen Höhenunterschied von 23 Metern. Was für eine Spielwiese!
Einerseits freute ich mich schon sehr auf Kurvenfahren ohne Leitplanken, Straßenschilder, Gegenverkehr und ohne die Rücksichtslosen, die mir gelegentlich auf meiner Fahrbahn entgegenkommen. Aber auf der anderen Seite roch die Motorsportarena nach hohen Geschwindigkeiten, einem gewissen Können und vielen schnellen Teilnehmern, die zwar nicht von vorne ankommen, aber von hinten an mir vorbei schießen. Wie werde ich mich verhalten und bin ich dem gewachsen? Seit Jahren fahre ich mit meinem frisch gebackenen Ehegatten Frank durch den Harz, manchmal durch die Alpen und genieße das losgelöste Fahren in den Kurven, schöne Streckenführungen, aber auch das sichere Gefühl immer besser zu fahren.
Frank war schon zwei Mal in Oschersleben dabei und kam immer zufrieden, mit einem breiten Grinsen nach diesen zwei Tagen nach Hause zurück. Das wollte ich auch!
In der Motorsportarena fanden wir gleich einen Parkplatz vor unserer Box und erledigten den Papierkram. Einige Teilnehmer kannten sich schon von den Veranstaltungen der letzten Jahre, begrüßten sich herzlich, tauschten kurz die wichtigsten Neuigkeiten aus und dann ging es ans Abladen der Motorräder und Ausladen der Autos. Beide Ducatis wurden in die Box gestellt und erhielten ihre Startnummern. Dann trat Ruhe ein. Mit zwei anderen Teilnehmern grillten wir, tranken Bier und genossen den ruhigen, ausklingenden Abend an der Rennbahn.
Das Team und die Instruktoren wurden uns bei der Fahrerbesprechung am nächsten Morgen vorgestellt. Wir bekamen noch Hinweise für einen reibungslosen Verlauf des Fahrtrainings und eine Erklärung über den Sinn und Zweck der Flaggenzeichen. Die Instruktoren nahmen einen wichtigen Teil des Fahrtrainings ein. Sie starteten mit den Gruppen und begleiteten bei Bedarf einzelne Fahrer. Alle Teilnehmer wurden auf vier Leistungsgruppen aufgeteilt. Schon bei der schriftlichen Anmeldung im Januar mussten wir unser Fahrkönnen selbst einschätzen. Jede Gruppe konnte dann pro Tag nach einem festen Zeitplan sechs Mal 20 Minuten fahren. Wir starteten in der langsamen gelben Gruppe.
Meine starke Aufregung der Vortage ging in praktischen Dingen wie Ledersachen anziehen, Helm aufsetzen und Maschine warmlaufen lassen unter. Es war am Anfang ein ganz schönes Durcheinander an der Startlinie. Doch bei dem ersten Turn wurden immer nur etwa 8 – 10 Fahrer mit einem Instruktor voran auf die Bahn gelassen. Die ersten zwei Runden des Turns waren zum Kennenlernen der Strecke gedacht und es bestand noch Überholverbot.
Wir fuhren auf die Rennstrecke und es wurde sofort ganz schrecklich. Vor jeder Kurve stand ich quasi wie der Ochs vorm Scheunentor und war nicht mehr sicher, ob ich irgendwann, überhaupt schon mal Motorradfahren konnte. Alles sah plötzlich ganz anders aus. Alle Kurven, die ich von den Zuschauerplätzen aus schon studiert hatte oder im Internet virtuell abgefahren bin, auf die ich mich so sehr gefreut hatte, gingen gar nicht. Alles war ganz anders als vorher gedacht. Sogar die Geraden waren kürzer. ENTTÄUSCHUNG, FRUST und tiefe VERZWEIFLUNG machten sich breit! „Das war’s mit Oschersleben“, dachte ich schon in der zweiten Runde. Hatte ich mich bei der Anmeldung zu weit aus dem Fenster gelehnt und wirklich gedacht, dass ich sicher und gut Motorrad fahre und auf der Rennbahn mein Können umsetze?
Zum Glück wurde bald die rote Fahne gezeigt und ich hatte einen triftigen Grund die Fahrbahn zu verlassen, ohne mein Gesicht zu verlieren. In dieser verzweifelten Stimmung ging ich zu dem Instruktor, der uns Neulinge bei der Fahrerbesprechung extra eingewiesen hatte und erklärte ihm, was los war. Wir verabredeten uns zum zweiten Turn. Er fuhr vor und zeigte in den Kurven mit ausgestrecktem Arm und ledernem Zeigefinger immer genau auf die Stellen, auf die ich schauen und hinfahren soll.
Er fuhr mit mir ein paar Runden, beobachtete mein Fahrverhalten und gab mir vor den Boxen noch ein paar Tipps, wie ich die Körperachse besser an die Kurvenlagen anpassen kann. Er riet mir zuerst eine Geschwindigkeit zu finden, bei der ich zügig fahre, aber nicht in Kurven einbremsen muss. Dann könne ich mich besser auf die Ideallinie in den Kurven und meine Körperhaltung konzentrieren, erlebe weniger Überraschungen und sei für Überholer besser einschätzbar. Er riet mir zur Entlastung der Handgelenke, die Brems- und Kupplungshebel weiter nach unten zu setzen. Wir sprachen noch über die Kombination von stabiler und entspannter Körperhaltung und er empfahl mir, in Gedanken immer eine Kaffeebohne zwischen den Zähnen zu halten, damit das Kinn locker bleibt und wackelte zur Demonstration ganz locker mit dem Unterkiefer. Auf jeden Fall solle ich alles ruhig angehen.
Frank änderte dann meine Handhebel. Ab dem dritten Turn des ersten Tages fand ich meine Geschwindigkeit, fuhr die Kurven ausgeglichener und ganz wichtig: Meine Sicherheit und mein Selbstvertrauen war wieder da. Jede Kurve der Motorsportarena forderte einen anderen Fahrstil und jeder war was Besonderes abzugewinnen. Ich war beim Abschluss des ersten Tages sehr zufrieden und schlief in der Nacht ungewohnt fest. Am zweiten Tag gab ich auch mal mehr Gas und wollte wissen, wie es sich anfühlt aus höherer Geschwindigkeit abzubremsen, beschloss aber das Thema in das nächste Jahr zu verschieben.
Die Motorradfahrer schossen meist kurz vor oder nach den Kurven links und rechts an mir vorbei und ich gewöhnte mich daran. Doch unerwartet musste ich in einer Rechtskurve mit der Geschwindigkeit runter, weil eine BMW vor mir auftauchte und sogar näher kam. Sie wurde auch auf der Geraden tatsächlich nicht schneller. Was tun? Auf Überholmodus war ich überhaupt nicht eingestellt. Ich trottelte ratlos hinterher, bis ich nach einer weiteren Kurve registrierte, dass der Fahrer tatsächlich langsam blieb und überholte ihn auf der nächsten Geraden. Eine ganze Weile erwartete ich noch ein Überholmanöver der BMW, blieb aber tatsächlich schneller! Was für ein Fortschritt, schon war ich nur die zweitlangsamste Fahrerin von über hundert Teilnehmern.
In den Kurven habe ich ein wenig den Stil anderer Motorradfahrer beobachtet und versucht immer an die Hinweise des Instruktors zu denken. Irritiert war ich nur, wenn Teilnehmer knapp zwischen mir und anderen durchschossen oder SEHR nah an mir vorbei fuhren. Angst kam nie auf und wäre auch ein schlechter Ratgeber gewesen.
Bei der Mittagsrunde des zweiten Tages hörte ich beim Runterbremsen vor einer S-Kurve ein klingelndes Geräusch, sah automatisch zum Schlüsselbund runter und fuhr die Kurve so dermaßen schlecht an, dass ich fast im Kiesbett gelandet wäre. Ich konnte die Ducati wieder in eine stabile Position bringen und fuhr raus zu den Boxen: Keine Runde mehr mit vollem Bauch nach dem Mittagessen, weil die Konzentration nachlässt und dann so dumme Sachen passieren! Das bestätigten auch andere Teilnehmer. Bis zum allerletzten Turn des Fahrtrainings fuhr ich immer besser und hatte richtigen Spaß. Abends packten wir alles zusammen, verabschiedeten uns von den anderen und beendeten das tolle Abenteuer „Rennpiste fahren“.
Nächstes Jahr werde ich die Motorsportarena viel gelassener angehen können. Es gibt noch die eine oder andere Kurve, die ich routinierter fahren möchte und habe mir vorgenommen, zusätzlich Anbremsen aus höheren Geschwindigkeiten zu lernen.
Was ist für den normalen Straßenverkehr geblieben? Auf jeden Fall half mir das Training zu einer besseren Körperhaltung. Mein Fahrgefühl ist sicherer und selbstbewusster geworden. In Gedanken halte ich beim Fahren manchmal grinsend eine Kaffeebohne zwischen den Zähnen und freue mich jetzt schon auf das nächste Fahrtraining in Oschersleben.
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