aus Kradblatt 3/14
von Thomas Wellach

 

AttackeZum dritten Mal nach 2007 und 2008 waren für unsere diesjährige Motorradtour die französischen Seealpen unser Ziel. Für Norbert, unser neues Teammitglied seit wenigen Jahren, ist es das erste Mal, Lutz war schon einmal dabei. Für uns sind die Alpen in der italienisch-französischen Grenzregion zwischen der Schweiz und dem Mittelmeer, mit den vielen hohen Pässen, davon die höchste befahrbare Straße am Pass Col de la Bonette mit 2802 m Höhe ü. NN, eine der interessantesten und vielseitig­sten Gegenden für den Straßenmotorradfahrer. 

Für die An- und Abreise wurde der Autozug gebucht, die Hinfahrt ab Hamburg bis nach Lörrach, zurück dann ab Alessandria/Italien. Eine Streckenplanung war lediglich grob angedacht. Wie immer entscheidet letztendlich das Wetter vor Ort, welche Routen wir fahren. Übernachten wollen wir in Mobilhomes auf den dort zahlreich vorhandenen Campingplätzen. Diese kleinen kompakten Häuser sind außerhalb der Hochsaison preiswert auch tageweise zu mieten. Die Verpflegung erfolgt in Eigenleistung.
Am 30. August verabschiedet uns Hamburg gegen 22.30 Uhr mit einem herrlichen Feuerwerk entlang der Alster.

Lörrach empfängt uns am nächsten Morgen mit Dauerregen. Frühstück gibt es im Autozug und gegen 9 Uhr starten wir dann Richtung Schweiz. Über die Autobahn geht es ca. 230 km bis nach Martigny. Schon geht es an der Grenze nach Italien über den ersten Pass.

IseranDer Col du Grand St. Bernard ist mit seinen fast 2500 m tief verschneit. In der vorhergehenden Nacht fiel die Schneefallgrenze auf unter 2000 m. Fast 30 cm Neuschnee, reichlich Eiszapfen entlang der Straße, die zum Glück eisfrei ist. Talabwärts geht es weiter der E27 folgend in das Aostatal. Der Regen hört endlich auf, die Regenkombi kann verstaut werden. Den Col du Petit St. Bernard (2188 m) von Italien nach Frankreich überquerend geht es durch unzählige Kehren den Pass abwärts bis nach Bourg-Saint-Maurice. Auf dem Campingplatz „Le Versoyen“ schnell ein Mobilhome für die nächsten 3 Tage (50 €/Nacht) gemietet, ging es erst einmal zum nahe gelegenen Supermarkt zum Tanken und Einkaufen. Das Abendessen (Pellis, Möhren und Bratwurst – das gab es die nächsten 10 Tage) war schnell zubereitet. Einige Abschlussbiere folgten.
Der nächste Tag war Sonntag und gefühlt halb Frankreich mit dem Rennrad unterwegs. Einige Pässe waren deshalb zeitweise gesperrt, unsere Tagestour musste laufend neu geplant werden. Den Cormet d’Areches mit 2107 m hatten wir ursprünglich nicht auf den Plan. So sind wir zu diesem tollen Pass gekommen. Die ca. 6 km unbefestigte Piste auf der Passhöhe war auch mit den Tourenmotorrädern machbar. Oben viel Schnee, sehr viel Sonne und eine herrliche Bergwelt! Nach unendlich vielen Kurven, einigen weiteren Pässen und fast 300 km endete der Tag gegen 18 Uhr.

KurvenAm Montag folgt dann eine südlichere Rundtour über den Col de la Madeleine, Col du Glandon, Col de la Croix de Fer durch das Tal der Isère mit dem 2762 m hohen Col de l’Iseran, dem höchsten befahrbaren Pass der Alpen. Wegen Bergung einiger abgerutschter Felsbrocken war die Straße zum Pass kurzzeitig gesperrt. Mit Steinschlag sollte man immer rechnen, zumal nach der vorhergegangenen Schlechtwetterperiode. Da hilft nur vorausschauend fahren und Abstand halten. Die Regel hatte ich am ersten Tag nicht beachtet. Das Überfahren eines großen Steines schlug mir fast den Lenker aus der den Händen, eine Lehre für den weiteren Urlaub. Gegen 18 Uhr, nach wieder fast 300 km und gefühlten 5000 Kurven endete unserer 3. Motorradtag. Wie an den Abenden zuvor stand auch diesmal wieder Fahrzeugpflege mit viel Wasser an, bevor es das Abendessen gab. Die teilweise nassen Straßen hinterließen deutlich sichtbare Spuren.

WintereinbruchAm nächsten Morgen dann kurz das Mobilhome gereinigt, und weiter ging es zu unserem nächsten Übernachtungsziel nach Barcelonnette. Das Wetter war kalt und trübe, die wenigen, leichten Regenschauer erforderten aber keine Regenkombi. Nochmals durch das Tal der Isère ging es über den Col du Mont Cenis (2083 m, leider teilweise mit Ölspur) durch Italien Richtung Briançon, dann bei ständig besserem Wetter über den herrlichen Col de Vars (2111 m) bis nach Barcelonnette. Ca. 15 km hinter Barcelonnette liegt der Campingplatz „Domain Loisirs de l’Ubaye“. Dort mieteten wir ein Chalet (55 €/Nacht) für die nächsten Tage. Auch hier liegt der nächste Supermarkt mit Tankmöglichkeit nur ca. 10 Fahrminuten entfernt. Das Tanken beim Supermarkt ist deutlich preiswerter als an den sonstigen Tankstellen im Land.

Barcelonnette ist ein idealer Ausgangsort für viele Tagestouren. Auch eine sehr gute Motorradwerkstatt befindet sich hier. In Richtung Süden gibt es zahlreiche Alpenpässe mit einer imposanten und wuchtigen Landschaft, die meist mit schwarzem, teilweise aber auch mit einem weinroten Fels sehr eindrucksvoll ist. So liegen die Pässe Col de la Bonette (2802 m), Col de Restefond (2678 m) und Col des Granges (2505 m) nur wenige Kilometer entfernt auseinander. Über die Isola 2000 führt eine tolle Tour durch Italien. Wir fotografieren ständig! Das Wetter ist deutlich besser geworden, die 30 ° C werden in den Tälern öfters überschritten. Die eine oder andere Badegelegenheit wird wahrgenommen und für die Mittagsrast Schattenplätze aufgesucht. Bis Castellane führen uns die Tagestouren. Hier hatten wir 2008 unser Quartier, ideal für z. B. eine Rundtour mit Bademöglichkeit um die Verdonschlucht.

SeealpenDie französischen Straßen fordern ihren Tribut, mein Vorderradreifen ist blank. So steuern wir zum Ende der ersten Tagesetappe in Barcelonnette die Motorradwerkstatt an. Am übernächsten Morgen um 9 Uhr wird der neue Reifen montiert, einfach perfekt. Vor Ort sind gerade einige Teilnehmer der Alpenchallenge der Schweizer Motorradzeitschrift Töff. Ihre Tour: 129 Pässe in 6 Tagen! Sie dolmetschen für uns in der Werkstatt, da unser Französisch sich nur auf wenige Vokabeln beschränkt.

Die Jahreszeit ist ideal zum Motorradfahren. Radfahrer und Motorräder sind unterwegs, aber nur wenige Autos. Vereinzelt begegnet man mal einer Sportwagentruppe, auch ein Skateboarder in voller Motorradmontur kam uns einmal auf einer Passanfahrt entgegen.

Nach vier Tagen sollte unser letztes Ziel für die restlichen 2 Tage die italienische Riviera bei San Remo sein. Über den Col de la Bonette, Col St. Martin und den Col de Turini ging es an das Mittelmeer. Bei der Mittagsrast am Col de Turini stellten wir an der BMW K 1200 RS einen defekten Benzinschlauch fest. Mit Hilfe eines Kugelschreibers und 2 Stunden schrauben wurde die Benzinleitung repariert.

MiethuetteGegen 17 Uhr trafen wir in Ventimiglia am Mittelmeer in Italien ein. Hier ist noch Hauptsaison und alle Campingplätze sind voll belegt. Die sehr freundliche und umwerfend gut aussehende Mitarbeiterin eines Campingplatzes telefonierte für uns. Im Städtchen Isolabona, ca. 30 Fahrminuten ins Landesinnere, war eine freie Unterkunft vorhanden. Ein sehr netter, kleiner Campingplatz mit Pool empfing uns, das Mobilhome war schnell bezogen. Der kleine Laden im Ort bot alles, was wir benötigten und verdreifachte mit uns seinen Tagesumsatz. Isolabona ist ein typisch italienisches, uraltes tolles Bergstädtchen. Eine Stadtbesichtigung ist hier ausschließlich zu Fuß möglich.

Der nächste Tag, unser letzter Urlaubstag, führte uns an das Mittelmeer, erst einmal zum Baden. Nach 2 Stunden Strandaufenthalt ging es weiter nach Monaco. Der eindrucksvolle Hafen von Monte Carlo wurde ausgiebig besichtigt, fotografiert und umfahren. Es war erstaunlich wenig Verkehr im zweitkleinsten Staat der Welt, so konnten wir beliebig parken und mussten in der Mittagshitze nur wenig laufen. Auf der Rückfahrt ging es noch einmal für eine Stunde zum Baden ans Meer. Um 17.30 Uhr waren wir zurück auf dem Campingplatz, mit gerade einmal 100 km auf dem Tacho. Ein sehr entspannter und angenehm ruhiger letzter Urlaubstag.

Monaco

Am nächsten Morgen starteten wir um 9.30 Uhr Richtung Alessandria zum Autozug. Noch einmal geht es auf 1871 m Höhe auf den Col de Tende. Nach einigen Stunden Landstraße treffen wir gegen 14.30 Uhr in Alessandria ein. Bevor es zum Autozugterminal geht, wird erst einmal ausreichend Verpflegung im Supermarkt eingekauft, denn 20 Stunden Zugfahrt liegen vor uns. Die Autozugverladung läuft bereits, obwohl sie laut Fahrplan erst in einer Stunde starten soll. Typisch italienisch, man möchte wohl zeitig Feierabend machen. Die sehr resolute Chefin koordiniert engagiert die Verladung, jedes Fehlverhalten eines Motorrad- oder Autofahrers wird verbal sofort strengstens bestraft. Die Beobachter haben viel Spaß!

Dienstag, den 11. September gegen 14 Uhr treffen wir in Hamburg ein. Es ist warm, aber feucht. Auf den letzten Kilometern von Hamburg nach Lübeck werden wir noch einmal ordentlich nass. Ein toller Motorradurlaub endet, die Planungen für den nächsten können beginnen.

Fazit: Die Französischen Seealpen sind grandios. Die An- und Abreise mit dem Autozug ist sehr zu empfehlen. Außerhalb der Hauptsaison ist für den Selbstversorger ein Mobilhome auf einem der zahlreichen Campingplätze eine preiswerte und ideale Unterkunftsmöglichkeit. Viele Motorradfahrer, die wir trafen, nächtigten in Hotels, die mit Frühstück ab 60 €/DZ zu bekommen sind. Die Küstenstraße ist fahrerisch wenig interessant. Wer nicht unbedingt im Mittelmeer baden möchte, sollte lieber in den Alpen bleiben.