aus Kradblatt 7/14, von Gela Wahlen
Frankreich – mit dem Motorrad mehr als eine Reise wert…
Die Idee wurde bei typisch schlechtem Hamburger Schmuddelwetter, Anfang des Jahres, geboren, französische Kurven ohne Ende, bizarre Landstriche, natürlich Sonne, also Urlaubsfeeling pur.
Es wurde eine nette, kleine Gruppe von einer Handvoll furchtlosen Bikern. Wir, (das sind vier Jungs und ich, die Mopeds: als Frau würde ich sagen 2 x Silber, 2 x Schwarz und 1 x Weiß und für die Männer Fazer 600, GS 1200, DL 650, R1 und ’ne Doppel X) setzten uns rechtzeitig für die Planung, standesgemäß mit Baguette, Käse, Rotwein (für die französische Einstimmung), zusammen um die Route festzulegen. Hamburg, Elsass, Juragebirge, Vercors Nationalpark und zurück. Pensionen wurden gesucht, gefunden und gebucht. Und dann hieß es warten, warten und warten darauf, dass es endlich losgeht.
Regen und kalte Temperaturen hinterließen schon mal die Idee, von wegen Autoreisezug oder vielleicht doch PKW und Hänger? Aber nee, wir haben uns entschlossen der Urlaub fängt gleich hinter Hamburg an. So sei es denn auch. Treffen Samstag um 9 Uhr. Ab auf die Bahn um erst mal Meter zu machen, außerdem macht Landstraße bei Regen nicht wirklich Spaß.
Die Autobahn verließen wir, völlig durchnässt in Bad Dürkheim. Aber unsere Stimmung war super, also ließ sich das Wetter umstimmen, die Sonne brach durch die Wolkendecke, wir und der Asphalt begannen zu trocknen. Die Temperaturen kletterten auf über 30 °C, Helmhecheln ist angesagt. Auf der Deutsch-Französischen-Touristen-Route ging es über die „Grenze“ nach Frankreich. Nach ca. 750 km hatten wir unsere erste Pension in Windstein/Elsass erreicht. Einchecken, und ab unter die Dusche. Zum Abendessen gab’s dann typisch Elsässer Flammkuchen und die hauseigene Spezialität „Fleischschnaggen“. Die Wirtin klärte uns auf, es handelt sich nicht um Schnecken, sondern es sind aufgewickelte, gefüllte Nudelplatten, die wenn sie aufgeschnitten werden wie Schnecken aussähen. Na ja, die lagen nachts noch ziemlich schwer im Magen.
Der Sonntagmorgen empfing uns mit strahlendem Sonnenschein. Die Temperaturen kletterten auch in die Höhe. Wenn Englein reisen… Es ging über die nördlichen Vogesen bis zum Col de la Schlucht Die Passhöhe von ca. 1139 Metern Höhe, ist der Treffpunkt für alle, die mit den Mopeds durch die Vogesen fahren. Die Passstraße verbindet die Regionen Elsass und Lothringen bzw. die Städte Munster im Osten und Gérardmer im Westen. Durch das Département Haute-Savoie, mit 470 km auf dem Tageszähler erreichten wir unseren nächsten Etappen Stopp. Tja, was soll man sagen, im Internet sah es irgendwie anders aus. Wir taten es unter „Erfahrungen sammeln“ ab, und übernachteten in der „LKW-Bude“ wie wir es heimlich getauft haben.
Heute standen die ersten Pässe auf dem Plan, um die von der Anfahrt her ziemlich gerade abgefahren Pneus abzurunden. Vom Französischen ins Schweizer Juragebirge um den Lac de Joux rum, um dann die französischen Hochflächen aus der oberen Jurazeit und zum Teil aus der Kreidezeit zu befahren. Von hier oben hat man einen gigantischen Fernblick bis hin zum Genfer See. Wir folgten westlich der Rhône bis über Aoste, die D592 Chimillin, Les Grandes Ternes, Route de Voiron Richtung Rovon. Über den Col de Romeyère über 1.069 Höhenmeter zwängt sich das Sträßchen durch eine enge Schlucht und urplötzlich steht man an einem kleinen aus dem Fels gehauenen Tunnel, wo einer der Jungs gedämpft durch den Helm hauchte „Da musste durch!“ Augen zu und durch. Auf der anderen Seite folgten wir weiter der D35 bis ins „Basislager“ in Rencurel. Es waren schon anstrengende 380 km, aber die Landschaft entschädigte uns für die Strapazen und schließlich wir hatten ja Urlaub. Abends wurde einstimmig eine kurze Tour für den nächsten Tag verabredet.
Kurz war die Tour zwar von den gefahrenen Kilometern (nur 180 km), aber nicht von der Zeit denn durch Tunnels und unter überhängenden Felsen hindurch, führt die Straße durch den Gorges de la Bourne und Pont-en-Royans ins Combe Laval. Dieser gehört zu den spektakulärsten Bergstraßen. Die Landschaft wird dabei von den Geländeformen der Westalpen geprägt. Die Straße windet sich an einer Steilwand in ca. 700 Metern Höhe eng am Berg entlang. Allerdings sollte man schon schwindelfrei sein, wenn man mal über die steinerne Straßenbegrenzung von gerade mal 40 cm runter schauen will. Von wo aus man aber einen atemberaubenden Ausblick auf das Tal der Isère hinaus ins französische Flachland hat. Unsere Fotoapparate glühten. Gefühlte 250 Fotos später, schraubten wir uns im Zickzack Kurs den Col de la Bataille auf 1.313 Meter rauf und wieder runter. Und noch mal, für die Daheimgebliebenen, Foto und Film Strecke Gorges d’Omblèze, mit Felsüberhängen und Wasserfällen, einmal hin und zurück. Da haste richtig Spaß in de‘ Backen. Nach einer ausgiebigen Kaffee/Cappuccino Pause traten wir gut gestärkt die Rückfahrt an. Diese führte uns über die kehrenreichen Südrampe des Col de Rousset (1255 m) durch das durch steile Hänge scharf begrenzte Gebirgsmassiv am Westrand der Alpen. Da wir den Col de Rousset des Öfteren in diesem Urlaub erfahren haben, wurde er kurzer Hand zu unserem „Hauspass“ umbenannt.
Der fünfte Tag empfing uns zwar temperaturmäßig gut, aber leider hingen die Wolken in den Bergen fest und entleerten sich langsam. Kurz vor Grenoble brach die Sonne durch die Wolken und die Temperatur stieg stetig an. Von der E712 links rum und dann ab in die Berge. Wir kurven serpentinenartig die Ostseite zur Hauptkammer des Nationalparks Vercors hoch. Durch Château Bernhard, St. Guillaume und Monestier de Clermont fuhren wir zum Col de l’Allimas. Dann ging es über den 1.457 m hohen und 35 km langen Col de Menée über Châtillon nach Die. Einer geht noch… und zwar unser „Hauspass“ der Col de la Rousset. Er bildet die Klimagrenze zwischen den feuchten Nordalpen und den trockenen, sonnigeren Südalpen. Und zurück in Basislager nach Rencurel.
Am sechsten Tag ging’s in die Provence. Über unseren „Hauspass“ gen Süden, von Die aus weiter auf die D93/D164 bis Aouste-sur-Sye und dann auf die D70/D538 bis Bourdeaux. Mit ca. 621 Einwohnern gehört Bourdeaux eher zu den kleineren Gemeinden im Département Drôme. Auf kleinsten Sträßchen fuhren wir Richtung Lyon. Die unendliche Weite, mit riesigen tiefen violettblauen Lavendelfeldern und ab und zu ein leuchtend, rotes Mohnfeld, im Hintergrund vereinzelte Wälder und kahle Gipfel rundeten das Bild der idyllischen, ruhigen Provence ab und natürlich wir mitten drin. Der zarte, warme Lavendelduft und die farbenfrohe Landschaft waren ein Tag für die Sinne und mit 330 km auch was fürs Moped.
Am siebten Tag begann unsere langsame Rückreise. Gepäck verzurren und los ging’s. Den Col de Romeyère von Süd nach Nord zu fahren war wieder unbeschreiblich schön und zauberte mal wieder ein sehr breites Grinsen hinters Visier. Wir folgen der Rhône Richtung Schweiz. Countryhopping im Zeitalter der EU fürchterlich einfach.
Schweizer und Französisches Jura, wo dann am südlichen Rand der Vogesen unser vorletztes Etappenziel lag, war irgendwie nicht so leicht zu finden. Das Navi führte uns in immer kleinere Straßen, am Anfang noch asphaltiert, dann Schotter und später nur noch zwei Reifenspuren im Gras. Laut Navi die kürzeste Verbindung. Na gut, langsam weiter fahren, als plötzlich unser Roadkäppchen abrupt anhielt, wir waren im Vorgarten einer älteren französischen Dame gelandet. Diese schaute ganz irritiert auf ihrer Bank sitzend zu uns rüber. Da wir hier definitiv nicht weiter kamen hieß es umdrehen und die schnellste Verbindung nach Fournets-Luisans ins Navi eingeben. Nach ca. 400 km erreichten wir die Auberge de Tuyé. Das Dörfchen hat eine Fläche von knapp 28 km3 bei ca. 630 Einwohnern (ohne Kühe.) Hier wurden wir gastfreundlich empfangen. Der Wirt, der selbst Motorrad fährt, öffnete uns gleich die Garage als er unsere Bikes hörte. Kein Wunder denn außer uns wird die „Hauptstraße“ nur noch zweimal am Tag von einer Herde Kühe benutzt/beschmutzt, die entweder auf dem Weg zur Weide bzw. nach Hause waren. Vorm Hotel war der Brunnen ein beliebter Halt für die Rindviecher um sich noch mal einen kräftigen Schluck einzuverleiben. So fielen wir mit Kuhgebimmel ins Bett und wachten mit dem selbigen auch wieder auf.
Nach einem ordentlichen, reichhaltigen Frühstück (nicht nur Croissant und Café au lait) fuhren wir aus dem Jura in die Vogesen. In der Schweiz folgten wir der Doub. Zurück in Frankreich Richtung Belfort. Um dann die Vogesenpässe der D431 (Col du Hundsrück, Col de la Schlucht) abzukurven. Weiter führt die Tour die D27/D10 entlang durch Vallée de Munster und das Tal des Fecht-Flusses, durch die Dörfer Sondernach, Mittlach, Metzeral und Muhlbach-sur-Munster. Kurven, Kurven, Kurven… Wir haben uns bemüht sämtliche Ortschaften, die ein bissel größer als ein Dorf sind, großräumig zu umfahren, allerdings sind wir dann irgendwie am späten Nachmittag in Straßburg gelandet. Einmal quer durch und ab zum letzten Etappen Ziel.
Sonntag, der neunte und letzte Tag brach an. Rückfahrt über den Pfälzer Wald. In Bad Dürkheim auf die Autobahn und ab nach Hause. Kaputt aber glücklich, nicht direkt erholt aber mit fantastischen, gigantischen Eindrücken im Gepäck kamen wir am Abend in Hamburg an. Keine Frage, wir sind Wiederholungstäter, das ganze schreit förmlich danach, allerdings in einer anderen Umgebung.
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