aus Kradblatt 8/20 von Tine & Jörg van Senden, penta-media.de
Schicker Einzylinder aus Italien
Seit 1968 baut die italienische Firma Fantic, mit Unterbrechungen, Motorräder mit Offroad-Ambitionen. Als relativ kleiner Hersteller, meist nur als Zweitmarke von den Händlern vertrieben, ist die Marke trotzdem vielen heute unbekannt, obwohl Fantic Motorräder stets im sportlichen Wettbewerb erfolgreich in den Sparten Trial, Enduro und Flat Track mitmischten und so manche Leidenschaft mit einem Fantic Mofa oder Moped seinen Anfang fand. Die erste Caballero erschien bereits 1969 auf dem Markt.

Die aktuelle Caballero 500 ist die hubraumstärkste Fantic mit echten 449 ccm und 38 PS Leistung bei 7.500 U/min. Wir durften sie einige Tage ausprobieren und sind mit ihr nicht nur Feldwege gefahren, sondern haben auch versucht auf Asphalt ihre Qualitäten auszuloten. Dafür haben wir sie mit zu unserem jährlichen Kurventraining auf den Heidbergring in Geesthacht genommen. Auch unser Trainer, Jürgen Lerbs (www.mot-coach.de), hat es sich nicht nehmen lassen, mit der 500er Fantic einige Runden zu fahren und seine Eindrücke mit uns zu teilen.
Die Caballero gibt es in drei Hubraumvarianten, 125 ccm, 250 ccm und 500 ccm. Während die beiden kleineren Motoren aus der Kooperation mit Yamaha stammen, ist der 500er Motor ein eigener Entwurf von Fantic. Die Zeichnungen sind im italienischen Quinto de Treviso entstanden, der Motor wird von der etablierten chinesischen Firma Zongshen gefertigt. Die produzieren u.a. auch für Piaggio, den 650er Norton Motor und haben mehrere Eigenmarken im Konzern. Jährlich werden dort nach eigenen Angaben, mit 3000 Mitarbeitern, bis zu vier Millionen Fahrzeuge produziert.
Die Fantic Caballero 500 steht in den Ausstattungslinien Flat Track, Scrambler und Rally zur Verfügung. Diese unterscheiden sich durch verschiedene Farben, Reifen und Anbauteile nur geringfügig und sind ab 6.999 Euro zu erwerben. Das von uns gewählte Caballero 500 Scrambler 50th Anniversary Modell ist mit einer volljustierbaren 43 mm Gabel ausgestattet und trägt eine kleine, praktische Packtasche auf dem Tank, in der man prima Papiere und Handy verstauen kann. Sonst unterscheidet sie sich nur durch einige Aufkleber von der Standard-Scrambler.

Auf den ersten Blick gefällt das klassisch designte Motorrad mit vertrauten Formen und einigen sehr edel gefertigten Teilen. LED-Licht, sauber gefräste Gabelbrücken und Fußrastenträger, schwarze Aluminiumfelgen, der korrosionsbeständige CrMo-Rahmen und ein hochgelegter Edelstahl-Auspuff von Arrow, machen einen hochwertigen Ersteindruck, während die am Lenker befindlichen Schalter und Hebel im Gegensatz dazu etwas einfach erscheinen.

Der Digitaltacho ist minimalistisch gehalten, lässt sich jedoch gut ablesen und gibt alle wichtigen Informationen her. Da auf dem kleinen Display nicht unendlich viel Platz zur Verfügung steht, muss zwischen dem Drehzahlmesser und der Tank- und Batteriezustands-Anzeige umgeschaltet werden. Der Drehzahlmesser ist dabei eigentlich überflüssig, der Motor lässt sich sehr gut nach Gehör fahren. Er pflegt auch keine üblen Trinksitten, weshalb der Blick aus diesen Gründen ohnehin nur selten zum Tacho schweift.
Die Serienbereifung der Caballero Anniversary ist ein gelungener Kompromiss für Straßen und Feldwege. Vorne mit 19 Zoll 110/80 und hinten mit 17 Zoll 140/80 wirken die Pirelli Scorpion Rally STR echt fett. Wer ab und zu gerne Feldwege oder Schotterpisten fährt, ist mit der Bereifung bestens bedient.
Die Gabel der Scrambler hat 200 Millimeter Federweg, was für den gemäßigten Offroad-Einsatz allemal reicht, zumal sie voll justierbar ist und sensibel anspricht. Die anderen Varianten der Caballero haben nur 150 Millimeter Federweg.
Zusammen mit der relativ breiten Sitzbank bietet die Fantic einen guten Fahrkomfort. Um bequem im Stehen zu fahren, ist die Sitzbank allerdings geringfügig zu breit. Das bedeutet nicht, dass es nicht möglich ist, verdeutlicht aber, dass die Maschine einen bewussten Kompromiss zwischen On- und Offroad darstellt.
Das merkt man auch an ihrem Trockengewicht von 150 kg, zu dem sich noch 12 Liter Treibstoff, Motoröl und Kühlflüssigkeiten gesellen, so dass man fahrbereit von rund 167 kg ausgehen darf. Auch das 6-Gang-Getriebe ist eher für den Betrieb auf der Straße ausgelegt, denn im engeren Gelände zeigt sich der erste Gang als zu lang übersetzt, was bei langsamer Fahrt häufiges Kuppeln oder Fahren mit schleifender Kupplung zur Folge hat. Erhöhter Verschleiß inklusive. Hier könnte man sie bei Bedarf kürzer übersetzen, doch werden die meisten Käufer sie wohl nicht als Enduro nutzen.
Die Handhebel für Kupplung und Bremse sind leider nicht einstellbar. Wer kurze Finger hat, sollte sich beim Händler gleich einstellbare Hebel aus dem Zubehör montieren lassen – das verbessert vor allem das Feingefühl für die Kupplung.

Der flüssigkeitsgekühlte Eintopf entwickelt bis zu 43 Nm Drehmoment bei 6000 U/min. Schon im unteren Drehzahlbereich zieht er kräftig durch und verheimlicht seine Tätigkeit dabei nicht. Fröhlich ballert der raue Geselle aus beiden Endrohren und man könnte meinen, jedes bewegliche Teil des Motors einzeln wahrnehmen zu können. Erst im mittleren Drehzahlbereich entwickelt sich ein gleichmäßigeres Klangbild. Die Caballero bleibt jedoch mit 89 dB im Stand (= 3750 U/min) und 77 dB in Fahrt deutlich unter der im Juli in Österreich ausgerufenen „Tiroler Lärmschutzgrenze“ von 95 dB, die auf verschiedenen Strecken bis zur gerichtlichen Klärung bereits gilt.
Der Motor hängt sehr gut am Gas und reagiert sofort und ohne Gedenksekunde auf den Befehl des Gasgriffes. Das ist gerade Offroad von Vorteil, verursacht jedoch bei unkonzentrierter Fahrweise unangenehme Lastwechsel. Gefühlvolles Herausbeschleunigen aus der Kurve erfordert schon etwas mehr Übung und kann einem zunächst die Linie verderben, bis man den richtigen Dreh gefunden hat. Moto-Cross Fahrer wären sicher begeistert, wie spontan der Single losballert. Das scharfe Mapping der ECU (Electronic Control Unit) ist jedoch für Fahrer, die es gerne etwas sanfter hätten, nicht ohne weiteres zu ändern. Verschiedene Fahrmodi, wie sie viele Motorräder ja schon bieten, wären eine klasse Sache.
Nach wenigen Runden auf dem Heidbergring hatten wir uns jedoch an die sportliche Gasannahme gewöhnt und konnten die Maschine recht sauber ums Eck zirkeln, ohne uns weiter im Kopf damit beschäftigen zu müssen. Trotz der „nur“ 38 PS waren unsere Rundenzeiten letztendlich nicht schlechter, als bei deutlich stärkeren Maschinen.
Die angegebene Höchstgeschwindigkeit liegt bei 139 km/h. Auf dem Tacho konnten wir auf der A7 bis zu 145 km/h erreichen.
Ihr agiles Kurvenverhalten verdankt die Caballero unter anderem dem relativ kurzen Radstand von 1425 Millimetern. Durch ihre erhöhte Bodenfreiheit wird sie in der Kurve sicherlich nie mit einem Bauteil auf dem Asphalt schrappen, zumal die grobe Mischbereifung der gefahrlosen Schräglage früher eine Grenze setzt, als es eine reine Straßenbereifung täte. Der Kompromiss ist aber auch hier sehr gut gelungen.
Die Bremsen kommen aus dem Hause ByBre, einer Tochterfirma von Brembo. (Bybre → By Brembo). Vorne rotiert eine einzelne 320 Millimeter Scheibe, hinten eine mit 230 Millimeter. Die Bremswirkung ist einwandfrei. Kein Quietschen, kein Zittern, kein Fading. Damit wäre eigentlich alles gut, wenn man nicht wüsste, dass es auch Bremsen gibt, die sich ein wenig feiner dosieren lassen.
Das Zwei-Kanal-ABS kommt aus dem Hause Continental und ist mit einem Drehschalter an der linken Armatur abschaltbar. Offroad ist es z.B. bergab sinnvoller, eine Sand- oder Geröllwelle vor dem blockierten Rad vor sich herzuschieben, als durch ein auslösendes ABS plötzlich gar keine Bremswirkung mehr zu haben.
Fazit: Insgesamt ist die Fantic Caballero 500 Scrambler ein wieselflinkes und handliches Alltags-Motorrad für jede Gelegenheit. Nicht nur für die kleine Feierabendrunde. Sie ist der rollende Kompromiss für fast jeden Untergrund und lässt sich einfach mit anderer Bereifung, ohne großen Aufwand und nach Bedarf, für Straßen-Bedingungen oder Offroad-Bedingungen optimieren, wenn man mit dem Pirelli Scorpion STR wider Erwarten nicht glücklich sein sollte.
Wer mehr Offroad-Tauglichkeit möchte, sollte aber zu einer leichten Sport-Enduro greifen. Auch in dieser Sparte hat Fantic interessante Maschinen mit Yamaha-Komponenten im Programm und weitere Modelle sind in Planung.
Unsere Probefahrtmaschine wurde uns von Stefan Blank von der Firma Legendary Cycles (Fantic- & Indian-Vertragshändler) aus Hamburg zur Verfügung gestellt (www.indian-hh.de und auf Facebook).
Mehr Infos und Probefahrten gibt es bei allen Fantic-Vertragshändlern (siehe Anzeigen).
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Kommentare
4 Kommentare zu “Fantic Caballero 500 Scrambler, Modell 2020”
Was ihr da fahrt ist doch gar keine Rally.🙄
Danke für den Hinweis, Ralf.
Klar, es ist die Scrambler 500 in der Anniversery Edition. Erkennt man ja schon am Schutzblech 😉
Ich habe es geändert, da ist uns ein Fehler durchgerutscht.
meine 500 Rally ist seit August 2020 4200 km gelaufen (Dolomiten und Hunsrück). Nach 1000 km waren die Ruckdämpfer hinüber. Die gibt es beim Fantic Shop als neue und verbesserte Variante günstig nachzukaufen. Ausserdem habe ich das Gemisch etwas fetter (Thermistor) eingegestellt. Alle rappelnden Bauteile wie Lenkerquerstrebe, Lampengitter, Motorschutz, Kettenspannrolle wurden entfernt und eine lose Linse in der Lampe mit einem passenden O-Ring festgeklemmt. Die Übersetzung habe ich auf 17/48 (normal 52) gekürzt und Michelin Strassenbereifung aufziehen lassen. Die Rally hat ein volleinstellbares Fahrwerk, enorme Bodenfreiheit, sehr stabile Kurvenlage, gute wirksame Bremsen, sparsamer Verbrauch, kräftiger Motor (40 PS homologisiert) und ist eine der schönsten Einzylinder die zur Zeit gebaut wird. Schade, dass sie am Anfang bei Vielen solche Probleme machte (liegt wohl auch am jeweiligem Händler) Für mich bedeuteten meine Änderungen an der Maschine nur geringfügige Modifikationen, die ich meistens und üblicherweise bei meinen Motrorrädern oft vornehmen muss bis es passt.
Ich fahre die Fantic Rally nun seit April 2020 und habe bereits über 3200 km zurückgelegt und kann danach nur jedem vom Kauf abraten. Es mag sein, dass ich ein Montagsfahrzeug erwischt habe, aber die Kullanz und der ignorante Kundensupport ist ein Witz.
Ich wills kurz halten: Summiert stand die Maschine über 7 Wochen in der Werkstatt, jetzt gerade wieder:
– Thermostat defekt
– Zylinderkopfdichtung defekt
– Tankverkleidung defekt (Lenkeraufnahme kratzt am Tank)
– Druckbehälter hinteres Federbein während der Fahrt abgebrochen und zwischen Schwinge, Hinterrad und Kette verkeilt.
Leute…schickes Teil, geiler Sound, aber Qualität und Support (mails werden ignoriert) komplett daneben.