Hybrid-Motorrad – Best of both worlds?

aus Kradblatt 6/25 von Marcus Lacroix
Fotos: Kawasaki/Volker Rost, bmm/Guido Schmidt und eigene

Landstraßenspaß mit der Kawasaki Ninja 7 Hybrid
Landstraßenspaß mit der Kawasaki Ninja 7 Hybrid

Anfang Mai hatte Kawasaki Deutschland uns und diverse andere Vertreter der alten (Print) und neuen (Online) Medien zu den Media Days 2025 in die Zentrale nach Friedrichsdorf eingeladen. Die komplette Modellpalette stand an zwei Tagen für Probefahrten bereit und die geneigten Kradblatt-Fans ahnen schon, was ich – als bekennender Elektromotorrad-Nerd – im Fokus hatte … genau, die außergewöhnlichen Modelle Ninja 7 Hybrid und Z7 Hybrid.

Der Einweisung sollte man sehr aufmerksam folgen!
Der Einweisung sollte man sehr aufmerksam folgen!

Manch Oldschool-Leser wird – wie auch bei reinen Elektromotorrädern – einwerfen, „wer braucht denn so was?“ Dabei ist das Hybrid-Konzept, also die Verbindung aus Verbrennungs- und Elektromotor durchaus interessant. Bisher hat Kawasaki als einziger Hersteller ein Hybrid-Serienmotorrad im Sortiment, nach aktuellen Meldungen arbeitet aber auch Yamaha an einer Hy­brid-Version der MT-09. Nach einer Umfrage der Zeitschrift Motorrad (Stand 5/25) bewerten 63 % der Teilnehmer das Konzept für Motorräder als sinnvolle Option, nur 17 % halten es für technisch zu aufwendig, 20 % favo­risieren es bei Rollern.

Zurück zur Ninja 7 Hybrid. Dem Sportler sieht man das ungewöhnliche Innere nicht an. Das Design ist Kawa-typisch schnittig, einen Auspuff hat eine Hybrid-Maschine natürlich auch. Lediglich die Lenkerarmaturen weisen diverse unbekannte Knöpfe auf. Der Antrieb besteht aus einem 451 ccm großen Zweizylinder-Reihenmotor, der auch in anderen 500er Kawasaki-Motorräder zum Einsatz kommt. In der Hybrid leistet der Antrieb allerdings maximal 51,1 kW (69 PS) statt 33,4 kW (45,4 PS) in der auch optisch ähnlichen Ninja 500 SE. Das verspricht einiges an Fahrdynamik, Elektro-Power sei dank. Die technischen Daten der nackten Schwester Z7 Hybrid sind weitestgehend identisch, die fehlende Verkleidung spart dabei 2 kg (227/225 kg fahrfertig).

Kawasaki hat den ersten Hybrid-Motor im Serien-Motorradbau
Kawasaki hat den ersten Hybrid-Motor im Serien-Motorradbau

Was mir an den Hybrid Modellen besonders gefällt ist die Tatsache, dass man eigentlich drei Motorräder in einem bekommt: einen Verbrenner, einen Hybriden und ein E-Motorrad. Letzteres aufgrund des kleinen Akkus natürlich mit Einschränkungen. Man hat also Reichweite – was bei rein elektrischen Motorrädern oft bemängelt wird – man hat Extra-Power trotz eines sparsam laufenden Motors und man hat ein flüsterleises Bike für Ortsdurchfahrten. 

Gewöhnungsbedürftige Steuerzentrale
Gewöhnungsbedürftige Steuerzentrale

So weit die Theorie, ab auf die Straße. Wir bekommen eine Einweisung in die Knöpfe und Fahrmodi und schon nach wenigen Minuten herrscht dezente Verwirrung. Eco-Modus, Sport-Modus, Schaltung über Tasten oder automatisch, das aber auch nicht überall und das ALPF nicht vergessen, Umschaltung HEV und EV und einen Walk-Mode hat sie auch. Ähhh – ja, alles klar … als Profis überspielen wir die Fragezeichen im Kopf natürlich durch verstehendes Nicken. Schon an dieser Stelle wird klar: Die Hybrid Modelle bei der Kawasaki-Roadshow oder beim Händler „mal eben“ Probefahren, wird eher für Frustration denn Begeisterung sorgen. Vorteile hat man, wenn einem die Bedienung von E-Motorräder und kupplungslosen Schaltgetrieben geläufig ist. 

Die Gruppe rollt vom Hof, meine Ninja im ECO-Modus rein elektrisch. Nach wenigen Metern springt der Verbrenner an, das Getriebe schaltet sehr früh automatisch hoch – das spart Sprit. Stopp vor einem Kreisverkehr, der Motor geht aus. Langsames Heranrollen, der E-Motor ist in Aktion. Weiter geht’s, der Verbrenner springt an – alles automatisch und nur im ersten Moment etwas ungewohnt. 

Bundesstraße, das Tempo zieht an, die Gruppe überholt einen LKW, ich drehe am Gasgriff und mir fehlt definitiv Leistung. Wie war das noch mit dem E-Boost-Knopf an der rechten Armatur? Ich drücke mir den Daumen platt und nichts passiert. Ach ja, Mist – der Nachbrenner funktioniert nur im Modus SPORT. Linke Armatur, ich drücke auf Sport und die Anzeige im Display wechselt die Tageskilometeranzeigen. Oh je, wie war das noch? Genau, länger drücken und den Gasgriff schließen. Ich bin im Sport-Modus aber jetzt schaltet das Getriebe nicht mehr automatisch – mit Daumen und Zeigefinger geht’s durch die sechs Gänge. 

Freudenspender: der Boost-Knopf
Freudenspender: der Boost-Knopf

Während all der Knöpfedrückerei darf man natürlich den Straßenverkehr nicht außer Acht lassen, zumal Motorradjournalisten i.d.R. auch keine Blümchenpflücker sind. Ich bin froh, als wir unsere erste Foto-Location erreichen. Die Youtuber, Instagrammer und Tiktoker spulen ihr Content-Programm ab, ich mache mich weiter mit der Ninja 7 Hybrid vertraut. 

Der E-Boost funktioniert nur im Sport-Modus, der Gasgriff muss min. 20 % geöffnet sein und die Geschwindigkeit über 10 km/h liegen. Dann soll der Druck auf die E-Boost-Taste für 5 Sekunden die Leistung anheben. Eine große Anzeige im Display informiert über die noch zur Verfügung stehenden Booster, während der Verbrenner permanent die Funktion auflädt. Das erinnert mich an den „Attack-Mode“ in der Formel E … cool!

Im Sport-Modus ist der ALPF = Automatic Launch Position Finder eine klasse Funktion. Bei einem Stopp schaltet das Getriebe automatisch in den Leerlauf. Warum man die Funktion auch abschalten kann, ist mir hingegen nicht klar geworden. Auch das Fehlen automatischer Schaltprogramme im Sport-Modus ist unverständlich, zumal im ECO-Modus wahlweise automatisch oder manuell geschaltet werden kann. Insgesamt schaltet sich das Getriebe der Hy­brid über die Tasten sehr angenehm, wenn auch nicht so „smooth“ wie das 2010 erstmals eingeführte Doppelkupplungsgetriebe von Honda. Da hat der Mitbewerber einen echten Entwicklungsvorsprung.

Kawasaki-typisches, sportliches Design
Kawasaki-typisches, sportliches Design

Auch in anderen Punkten hat das interessante Hybrid-Konzept von Kawasaki noch etwas Feinschliff verdient – zumindest aus europä­ischer Sicht denn in Japan mag das Nutzerprofil anders aussehen. Lt. Kawasaki Deutschland hätte man es begrüßt, mehr in die Entwicklung eingebunden zu werden. 

Ein Punkt, der bei mir auf absolutes Unverständnis stößt ist so z.B. die Tatsache, dass man nicht im Ortsverkehr auf den rein elektrischen Antrieb umschalten kann. Ich habe mir das so toll vorgestellt: du schwingst über die traumhaften Straßen des Taunus, kommst in eines der pittoresken kleinen Dörfer, tippst auf EV und surrst fast lautlos hindurch. Ortsausgang Taste Sport-Mode, Taste E-Boost, bääääm … und weg! Leider muss man die Geschwindigkeit aber auf maximal 25 km/h reduzieren um von HEV (Hybrid) auf EV (rein elektrisch) zu wechseln. Im laufenden Verkehr ist das praktisch unmöglich und zudem gefährlich. Also fährt man weiter mit dem Verbrenner durch die Dörfer. Schade … 

EV ist übrigens auf 60 km/h und die ersten vier Gänge begrenzt, was innerorts aber ja reichen würde. 

Das Cockpit bietet diverse unbekannte Informationen
Das Cockpit bietet diverse unbekannte Informationen

Ein echter Freudenspender ist hingegen der E-Boost. Natürlich kann man Schub auch mit einem leistungsstarken Motorrad haben und Fans dieser Klasse werden den Reiz der Hybrid vermutlich nicht verstehen. Ich persönlich mag aber kleine Motorräder, die finde ich einfach unkomplizierter in der Handhabung – nur der Schub der Großen, z.B. beim Überholen, ist schon klasse. 

Und hier setzt der E-Boost an. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, die Hybrid wirkt mit Booster ein wenig wie entfesselt, irgendwie so, als ob ein Turbolader einsetzt. Die 5 Sekunden reichen bei den meisten Fahrmanövern völlig aus, ggf. drückt man halt noch mal. Und danach geht’s mit den 451 ccm weiter, wobei im Sport-Modus der E-Motor den Verbrenner beim Gasaufziehen spürbar unterstützt. Leider – wieder so ein kleiner Knackpunkt in der Entwicklung – steht der E-Boost einem im ECO-Modus nicht zur Verfügung. Dabei würde er auch hier viel Sinn ergeben (siehe eingangs das Überholmanöver). Bummeln mit Boost-Option, was auf der nackten Z7 Hybrid noch interessanter wäre.

Zu Fahrwerk und Bremsen gibt es nicht viel zu sagen. Beides funktioniert ordentlich, einstellbar ist nur die Federbasis hinten. Auch die sonstige Ausstattung ist eher einfach gehalten, wie man z.B. am Kettenspanner sieht.

Angenehme Sitzposition (ich bin 174 cm groß)
Angenehme Sitzposition (ich bin 174 cm groß)

Eine schöne Funktion, die von Männern eher unterschätzt wird, ist hingegen der „Walk-Mode“ – also eine Vor- und Rückwärts-Rangierhilfe, die über den Elektromotor läuft. O-Ton von Influencerin Kate (@kate_into_bikesxcars): „Oh, this is the best feature ever, all bikes should have this!“ Je nach Beinlänge und Körperkraft ist so eine Rangierhilfe eine tolle Sache, wobei ich die Ninja als leicht rangierbar empfand. Kate ist allerdings auch um einiges zierlicher als ich … 

An Connectivity hat die Ninja 7 Hybrid im Display, mal abgesehen von Anzeigen für eingehende E-Mails und Anrufe, nichts zu bieten. Das Motorrad lässt sich aber – wie auch diverse andere Kawasaki Modelle – mit der kostenlosen RIDEOLOGY App verbinden. Die App trackt z.B. Touren und bietet je nach Modell verschiedene weitere Optionen. Wir haben die App aber nicht ausprobiert.

Fazit: Ich halte die Kawasaki Ninja 7 Hybrid und die Z7 Hybrid für durchaus interessante Motorräder mit Potential. Auf die wenig intuitive Bedienung muss man sich einlassen (wollen) und hier bessert Kawasaki hoffentlich noch nach. Leider hatte Kawa auch den Einstiegspreis definitiv zu hoch angesetzt, denn 13.345 € – egal ob Ninja oder Z7 – sind trotz innovativer Technik eine Hausnummer. Entsprechend niedrig fallen die Verkaufszahlen aus. Aktuell gibt es die Modelle zum Aktionspreis von 8.995 € und damit sind sie deutlich attraktiver, denn die Ninja 500 SE steht mit 7.345€ in der Liste.
Mehr denn je ist Interessenten eine ausgiebige Probefahrt – besser noch ein Mietmotorrad für ein paar Tage – anzuraten. Auch ein vorheriger Blick in die Bedienungsanleitung, die es bei Kawasaki auf der Website als eBook gibt (übrigens auch für andere Modelle), ist sicher nicht verkehrt. Wer die Kawasaki Ninja 7 Hybrid in Aktion erleben will, der sollte sich den Youtubekanal @Motozedz von René anschauen, der sie auf 800 km gefahren hat. Auch an ihn geht ein Dankeschön für die Gespräche und Infos auf den Kawasaki Media Days.

Ich hoffe, es trauen sich noch mehr Hersteller, auch mal neue Zweirad-Konzepte zu bringen. Das goldene Kalb, wie wir es kennen, wird definitiv nicht ewig leben … 

Kawasaki entwickelt die Hybrid hoffentlich noch weiter, sie hat es verdient!
Kawasaki entwickelt die Hybrid hoffentlich noch weiter, sie hat es verdient!