Fahrbericht aus Kradblatt 5/19, von Jens Riedel

Hipper Jugendtraum …

Mondial HPS 125i - Modell 2019

Das muss man den Italienern einfach lassen: In Sachen Design macht ihnen nach wie vor nur selten jemand etwas vor. Das gilt auch für Mondial. 

Mondial? Die alten Kisten? Nein, die Rede ist von einem neuen Modell, denn 2014 wurde die 1949 gegründete und ein halbes Jahrhundert später zu Grabe getragene Mailänder Motorradmarke wiederbelebt. Das kurze Intermezzo zwischen 1999 und 2004 soll hier nur am Rande erwähnt bleiben. 

Mondial HPS 125i - Modell 2019 HPS 125i nennt sich das schicke Leichtkraftrad, das zu den schönsten Vertretern seiner Zunft zählen darf.

Hinter F.B Mondial – so die offizielle Bezeichnung – stecken zwei branchenkundige italienische Köpfe. Die beiden Initialen stehen allerdings nur zum Teil für die beiden neuen Macher Pier Luigi Boselli (Inhaber der Markenrechte und Nachkomme der Firmengründer) und Cesare Galli, sondern für „Fratelli Boselli“ (Brüder Boselli). Derer waren es seinerzeit drei. Zwischen 1949 und 1957 fuhr die Marke jeweils fünf Fahrer- und Konstruktions-Weltmeistertitel ein. Dazu kamen diverse Siege in italienischen Championaten. So ist es vielleicht kein Zufall, dass die HPS ein wenig die Retro-Karte ausspielt. Anders als beispielsweise bei Mash und Co. ist dabei allerdings ein sehr eigenständiges bis eigenwilliges Ergebnis he­rausgekommen. Vermarktet wird die Mondial zwar als Scrambler, aber sie bedient sich auch anderer Stilelemente. 

Sitzbank der Mondial HPS 125i - Modell 2019Mal ehrlich, nach so einer 500er würden sich etliche Zeitgenossen die Finger lecken. Der Neid der älteren Semester ist der Jugend da sicher. Die HPS 125i wirkt zum einen klassisch, zum anderen modern. Die absolut gelungene Mischung aus Vergangenheit und Moderne mündet unter anderem in dem vermutlich einzigen Doppelendrohr in der Achtel-Liter-Klasse, das scrambler-like nach oben geführt wird und recht kurz gehalten ist. Zudem wird es noch von wunderbar anzuschauenden klassisch durchlöcherten Hitzeblechen umschmeichelt. Der mächtige Sammeltopf wiederum wird im Sinne des Stilmixes von einem üppigen racing-haften Bugspoiler förmlich versteckt. 

Mondial HPS 125i - Modell 2019 Dazu gesellt sich unter anderem eine Sitzbank in Café-Racer-Optik mit einem Höcker. Sie wirft die Frage auf, für wen denn bitte die Soziusrasten gedacht sind? Wer hinten Platz nimmt, der wird dies wohl nicht lange tun, sondern mit dem Allerwertesten den Höcker hinunter rutschen und auf dem Hinterreifen landen – wobei ein schlankes, 16-jähriges verliebtes Pärchen evtl. sogar mit dem knappen Platzangebot leben kann.

 Aber auch der nach unten gebogene Lenker mit den in den Rohrenden befestigten Chromspiegeln geben der kleinen Mondial klar den Anstrich eines Motorrads für sportiv ausgerichtete Solofahrer.

Aprilia Motor in der Mondial HPS 125i - Modell 2019Man mag ja über europäisch-chinesische Kooperation – von denen es ja einige gibt – denken, was man will, aber sie haben neben dem Preis auch noch eine andere gute Seite. Metall. Dort, wo sich andernorts längst Plastik der Maschinenästhetik bemächtigt hat, da darf es im Reich der Mitte noch echter Stahl sein. Allein das an vier Streben befestigte Vorderradschutzblech der Mondial ist ein echter Augenschmaus und verrät dem geübten Blick schon auf Anhieb, woher der Wind weht (nämlich aus dem Reich der Mitte). Dazu gesellen sich beispielsweise gusseiserne Bremsflüssigkeitsbehälter statt der selbst an Premiummodellen heutzutage zu findenden „Pipi“-Becher aus schnödem Kunststoff. 

Beim Motor gehen die neuen Herren bei Mondial andere Wege: diesen, der bei vielen Mitbewerbern eine luftgekühlte japanische Lizenzproduktion aus längst vergangener Zeit ist, haben sie nicht in China eingekauft. Nein, wenn man schon einen traditionsreichen Namen aus der einst noch ruhmreicheren italienischen Motorradlandschaft wieder zum Leben erweckt, darf es dann bitte auch wenigstens ein Triebwerk aus heimischer Produktion sein. Und das ist noch vor dem hübschen Design die größte Stärke der HPS, denn es handelt sich um ein wassergekühltes Aggregat von Aprilia. Zu dieser Wahl kann man nur gratulieren.

Der 124-Kubik-Motor reagiert zwar unmittelbar nach dem Start recht phlegmatisch und will gerne drei, vier Kilometer lang erst einmal angewärmt werden. Dabei gibt die in kaltem Zustand zunächst noch warnend blinkende Kühltemperaturanzeige ein wenig Orientierung. Aber dann entfaltet das kleine Aggregat sein italienisches Temperament. Mit einer kleinen Einschränkung: Das gilt erst bei Drehzahlen ab 6.000 Umdrehungen in der Minute, wenn der Einzylinder ruhiger wird. Vorher rappelt es nämlich recht ordentlich im mechanischen Gebälk. Ab 7.000 Touren schieben die 14 PS dann mit beachtlicher Kraft vorwärts. Bei 8.000 oder 9.000 Touren – je nach Wind und Wetterlage sowie Straßentopographie – dürfen getrost die Gänge gewechselt werden. Dabei darf sich der stolze Mondial-Besitzer über exakt einrastende Getriebestufen freuen. 

Flacher Lenker an der Mondial HPS 125i - Modell 2019 Trotz der zur erlaubten Maximalleistung fehlenden einen Pferdestärke geht es auf der schönen Italienerin stets flott voran. Bis in den 10.000er-Bereich ist das kleine Antriebsaggregat putzmunter und gefällt auch durch seine unerwartete Vibrationsarmut. Die Leistungsausbeute ist auch im sechsten Gang fast immer für Tempo 105–110 km/h auf dem Tacho gut. Unter günstigen Umständen sind auch bis zu 120 km/h kein Hexenwerk. Nur Steigungen und Gegenwind mag die Mondial klassenbedingt nicht sonderlich, da muss ein, zwei Gänge runtergeschaltet werden. Der vierte Gang zum Beispiel empfiehlt sich ohnehin, wenn der vorausfahrende Lkw anfängt zu nerven. Da zieht die kleine HPS dann aber auch auf der Landstraße bei Tempo 100 und 10.000 Touren mit Effet links am Hindernis vorbei, ohne dass dem Biker gleich die Schweißperlen auf die behelmte Stirn treten. Bei 8.000 Umdrehungen stemmt die HPS übrigens ihre maximalen 10,5 Newtonmeter auf die Kurbelwelle, während die Maximalleistung bei 9.750 U/min erreicht wird. 

Tacho der Mondial HPS 125i - Modell 2019 Wo viel Licht ist, ist auch ein wenig Schatten. So munter die flotte 125er vorwärtsdrängt, so wenig Biss zeigt sie beim Verzögern. Die beiden Scheibenbremsen der gut im Handbremshebel zu spürenden Combined-Methodik, reagieren ein wenig diffus auf den Druck und geben nur geringes Feedback. Unterm Strich erledigen die Wave-Stopper ihren Job aber zufriedenstellend. 

Da passen die Reifen einigermaßen ins Bild. Sie sind ganz im Scrambler-Sinne etwas gröber profiliert. Da die Dual-Purpose-Reifen Made in China sind, dürfen an die Vorderradführung nicht hundertprozentig europäische Ansprüche gestellt werden. Der 18-Zöller trifft nicht immer ganz die Linie, doch die Abweichungen sind minimal und auf einem für Leichtkrafträder absolut tolerierbarem Niveau. Hinten rollt die Mondial übrigens auf einem 17-Zoll-Reifen und bei neuen Gummis kann man dann ja zu anderem Material greifen. An der übrigen Fahrwerksausstattung gibt es mit Upside-down-Gabel und Ausgleichsbehältern an den Federbeinen hingegen absolut nichts auszusetzen. Dritter kleiner Abstrich, der gemacht werden muss: Auch wenn der Auspuff bildschön ist, sein Sound gleicht naturgemäß dem vieler anderer Leichtkrafträder. Da ist (zumindest auf legalem Wege) nur wenig zu holen. 

Frontansicht der Mondial HPS 125i - Modell 2019 Mit 3.690 Euro darf sich die italienisch-chinesische Co-Produktion eines fairen und attraktiven Preises rühmen. Nicht nur in puncto Optik, sondern auch in Sachen Performance kann sie sich mehr als sehen lassen. Was hätten wir uns vor 30 oder 40 Jahren nach so einer Maschine die Finger geleckt – ein echter Jugendtraum. 

Und ein wenig Rettung naht. Motorradfahrern mittlerer bis älterer Jahrgänge und dem zunehmenden Hang zur Entschleunigung sei verkündet, dass die HPS jetzt auch als „300i“ – mit 250 Kubik – vorrollt. Wenn sie ähnlich gut geht wie ihre kleine Schwester, dürften die 23 Pferdchen durchaus für ein ausreichendes Maß an Fahrspaß auf dem Weg zur Arbeit oder zur Eisdiele sorgen. Kostenpunkt: 4.290 Euro. 

Infos und Probefahrten gibt es beim freundlichen Mondial-Vertragshändler.

Noch Fragen? Ach ja, was bedeutet eigentlich HPS? Man füge ein „I“ hinter das H und die drei Buchstaben „T“, „E“ und „R“ ans Ende und fertig ist die…