aus bma 10/02

von Fred Klein

Das Wetter versprach nichts Gutes, als wir uns zu viert mitten im Sommer daran machten, in 18 Tagen sieben Länder zu durchstreifen und 7.000 Kilometer abzuspulen. Unsere Ziele waren Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Andorra und Luxemburg. Unsere Motorräder waren eine GS, eine Gold Wing, eine Transalp und eine KLE 500.
Nachdem wir am ersten Tag über Holland an der belgischen Küste bei Ostende gelandet waren, mussten wir uns sputen, um die Zelte noch im Trockenen aufbauen zu können. Nach einer unruhigen und stürmischen Nacht fuhren wir bei wenig besserem Wetter weiter die Küste entlang, da es abwechslungsreicher ist als Autobahn zu fahren und ständig Straßenmaut zahlen zu müssen. Wir schafften so zwar teilweise „nur” 300 bis 450 Kilometer pro Tag, haben dafür aber auch viel mehr (Meer) gesehen.
Unsere Route führte über Calais, Boulogne sur Mer und Abbeville. Leider waren die Straßen manchmal dermaßen schlecht ausgeschildert, dass wir die eine oder andere Ehrenrunde drehten. Wir hatten im Vorfeld ausgemacht, wer vorfährt hat Recht. Da sich alle dran hielten, gab es keine Diskussionen im Nachhinein.
Unterhalb der Normandie und Bretagne wandelte sich das Wetter zum besten, Temperaturen von 33 Grad Celsius waren angesagt, dem einen oder anderen von uns mit Textilhose stand der Schweiß bis zum Hosenbund. Es wurde überlegt, doch die Autobahn zu nehmen, um schneller voran zu kommen und mehr Fahrtwind zur Kühlung abzubekommen. Doch abgemacht war abgemacht: Wir hatten vereinbart, die Hinfahrt über Landstraße zu erledigen und erst die Rückreise wegen des wahrscheinlichen Zeitdrucks über die Autobahn anzutreten.

 

Ab 15 Uhr suchten wir jeden Tag aufs neue Campingplätze oder andere Übernachtungsmöglichkeiten. So blieb uns nach dem Aufbauen noch genügend Zeit, um in die Städte zu gehen bzw. die Gegend nach Sehenswürdigkeiten abzufahren und ein wenig Kultur zu schnuppern. Am schönsten waren die einfachen Schlafgelegenheiten bei Bauern: Null Komfort, dafür aber billig und familiär.
Le Mont St. Michel (F)Empfehlen können wir jedem, der in der Küstenregion um Bordeaux in der Nähe von Arcachon ist, die gleichnamigen Wanderdünen zu besuchen. Sie sind die größten Europas und sehr beeindruckend.
An einem Abend in Spanien nahe Santander hatten wir gleich dreifach bei Wein Jubiläum zu feiern: Wolfgang hatte mit der Gold Wing 60.000 Kilometer vollgemacht, Fred mit der BMW die 80.000-Marke erreicht und Carola mit der Kawa 20.000 Kilometer auf dem Tacho. Doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall: So ereignete sich am nächsten Morgen ein Spektakel der besonderen Art. Beim Verlassen des Platzes drehte Jörg mit der Transalp so unglücklich, dass er samt Mopped umkippte. Wolfgang wollte allen zeigen, wie einfach das Wenden mit dem Rückwärtsgang geht – und prompt lag auch er. Ob da noch der Wein vom Vorabend seine Hand im Spiel hatte? Die herumstehenden Spanier jedenfalls amüsierten sich köstlich und nannten uns nach dieser Darbietung die „Los Cravallos von Alemanos”.
Von Santander ging es wieder an der Küste lang über Llanes, Gijon, Avilles und Ribadeo, dann über den Gebirgszug Picos de Europa nach Lugo, Orense und rein nach Portugal. Der Höhe- und auch Wendepunkt der Reise war Porto am Fluss Douro. Wir genossen die historische Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, die witzigen kleinen Lokale und natürlich den Portwein.
PortugalRetour ging es nach zwölf Tagen über Villa Real und Braganca zur spanischen Grenze. Wolfgang kürzte mit der Gold Wing die Einfahrt des Campingplatzes Casablanca ab und hätte sich fast die Ölwanne aufgeschlagen. Das Geschrei war groß. Die Hitze zerrte offensichtlich doch etwas an den Nerven, immerhin ist er schon 68 Jahre alt. Auch Fred hatte Grund zur Klage und schon seit Tagen mit seinen Fußgelenken Probleme. Sie waren angeschwollen. Fred führte das auf die zu engen Stiefel und die Hitze zurück. Auch bei Carola machten sich die Strapazen der Tour bemerkbar. Sie sonderte sich etwas ab und ging früh schlafen. Sie war tagtägliche Fahrerei nicht gewohnt. Vor allem die extrem kurvenreichen Strassen steckten ihr in den Knochen. So hatte sie sich den Urlaub nicht vorgestellt, obwohl jedem von uns klar gewesen war, dass die Strecke in drei Wochen nur zu schaffen wäre, wenn jeden Tag im Schnitt gut 400 Kilometer abgespult werden, egal ob Landstraße oder Autobahn.
Valladolid, Aranda, El Burgos, Soria und Tarazona waren unsere nächsten Stationen, ehe wir in Zaragoza endlich auf die Autobahn bis Lleida kamen. Die ersten Autobahnkilometer waren auch für die Maschinen eine Wohltat, die endlich wieder jenseits der 4.500 Umdrehungen rotieren konnten. Nach 200 Kilometern kehrten wir aber auf Landstraßen zurück, um einen Stopp in Andorra einzulegen. Der Zwergenstaat zwischen Spanien und Frankreich ist zollfreie Zone, und wir versorgten uns billig mit Zigaretten, Spirituosen und Benzin.
Wir hatten noch fünf Tage Zeit und waren 1.100 Kilometer von zu Hause entfernt. Wir konnten es also locker angehen lassen. Dennoch beschlossen wir, schnellstmöglich wieder auf die Autobahn zurückzukehren. Wir steuerten Perpignan an und hielten uns dann immer Richtung Norden. Wir erreichten über Lyon, Dijon, Nancy und Metz die luxemburgische Grenze.
Es stellte sich als schwierig heraus, abseits der Autobahnen einen Campingplatz zu finden, um nachts dem Lärm der Fahrzeuge zu entgehen. Mittlerweile hatte auch das Interesse etwas nachgelassen, nach dem Zeltaufbau noch die nähere Umgebung zu erkunden. Es blieb an den letzten Tagen der To(rt)ur meist beim geselligen Beisammensitzen auf dem Campingplatz.
In Luxemburg entkamen wir in einem Tunnel nur knapp einem kollektiven Auffahrunfall, als mitten drin ein Pkw ohne Warnblinker stand, den wir nur haarscharf umfahren konnten.
In Deutschland angekommen legten wir eine letzte Rast auf dem Campingplatz in Trier an der Mosel ein. Wir unternahmen noch einen Trip durch die Altstadt. Über den Nürburgring ging es dann tags darauf nach Hause.
Manch einer brauchte erst einmal ein paar Tage Erholung von den Strapazen, andere aus unserer Gruppe wurden aber am nächsten Tag auch schon wieder auf dem Bock gesichtet.

Die nüchterne Bilanz reiner Zahlen sah nach 7.000 Kilometern wie folgt aus:
– Zwei Umfaller
– Ein Platten
– Zwei geschwollene Fußgelenke
– Eine fast aufgeschlagene Ölwanne
– 4.500 Liter Benzin
– 17 Campingplätze
– Sieben Länder gesehen
– Eine verschlissene Kupplung
– Eine fertige Kette
– Drei neue Reifen fällig
– Siebenmal Geld getauscht (den Euro gab es noch nicht)
– 180 DM Straßenmaut
– Ein Gedanke: sich beim nächsten Mal nicht drei, sondern mindestens fünf Wochen Zeit zu nehmen.