aus bma 2/04

von Frank Sachau

Reusenanlage bei KappelnDie Schlei, eine 46 Kilometer lange Förde, die sich von der OstseekĂŒste bis nach Schleswig erstreckt – das ideale Terrain fĂŒr erlebnisreiches Motorradwandern im nördlichsten Bundesland. Vor gut 1000 Jahren fuhren die Wikinger in ihren imposanten Drachenbooten um die halbe Welt. Der bedeutendste Handelsplatz war Haithabu am Haddebyer Noor, in der unmittelbaren NĂ€he Schleswigs. Hinterlassenschaften aus ihrer Glanzzeit geben Auskunft ĂŒber die Handelswege, die Christianisierung und die sprachliche Entwicklung. Da wĂ€re der Runenstein bei Bustorf, der die Inschrift trĂ€gt: „König Sven setzte diesen Stein fĂŒr seinen Gefolgsmann Skarde, der nach Westen gezogen war, aber nun fiel bei Haithabu”. Eindrucksvolle Funde mit Gruseleffekt sind die mumifizierten Moorleichen oder das Nydam-Boot in der Nydam-Halle im Schloss Gottorf. Biker, die mehr ĂŒber die „wilden NordmĂ€nner” erfahren wollen, sollten sich unbedingt Zeit fĂŒr einen Rundgang durch das Wikinger Museum Haithabu nehmen.
Auf der gut ausgebauten B 76 geht es dann Richtung Eckernförde bis zur Abfahrt Kosel, Ziel ist die FĂ€hre Missunde. Das andere Ufer ist in Steinwurfweite, die FĂ€hre pendelt fleißig hin und her. Eine Überfahrt kostet schlappe DM 2,50 fĂŒrs Bike inklusive Fahrer. Etwas mehr ist fĂŒr Kaffee und Kuchen nebenan im CafĂ© Missunde zu zahlen, aber es lohnt sich – der Blick auf die Schlei und die vorĂŒberziehenden Boote ist einfach herrlich. Die kleinen Landstraßen hier oben haben einiges zu bieten, beschauliche Dörfer, leuchtende Rapsfelder, kleine WĂ€lder und immer wieder einen Blick auf die Schlei.

 

Wir nehmen Kurs auf die KlappbrĂŒcke bei Lindaunis, die als echter „Verkehrsknotenpunkt” gilt. Eisenbahn, Autos und MotorrĂ€der mĂŒssen sich die einspurige BrĂŒcke teilen. Sie wird jede Stunde einmal geöffnet, damit die Segler mit ihren hohen Masten passieren können.
Zwischen Thumby und Winnemark zweigt eine wunderschöne Allee hinunter zur Schlei ab. Knapp zwei Kilometer lang flackert das Sonnenlicht durch die Baumkronen, als sich plötzlich ein kleiner Sandstrand vor unsere VorderrĂ€der wirft. Pause! Das Schilf raschelt leise im Wind und ich denke darĂŒber nach, wie es hier wohl vor tausend Jahren ausgesehen haben mag. Die Ein-Mast-Boote der Wikinger, aus Eichenholz gebaut, konnten Waren oder 80 Passagiere transportieren, Schilde schĂŒtzten bis zu 30 Ruderer. Von Haithabu aus wurden die Schiffe auf dem Landweg bis an die Treene gebracht, dann ging es flussabwĂ€rts in die Eider, die bei Tönning in die Nordsee mĂŒndet. So wurde die riskante Umrundung des Skageraks vermieden.
FĂ€hre bei Missunde Wieder im Sattel, zieht es uns zur nĂ€chsten FĂ€hre. Kurz vor Sundsacker schwingt sich die Straße ĂŒber einen kleinen HĂŒgel, von hier aus hat der Motorradreisende einen tollen Ausblick auf das Seglerparadies Schlei, bevor er mit der FĂ€hre nach Arnis, einem winzigen Ort mit Stadtrecht, ĂŒbersetzen kann. Wir wollen aber weiter nach Kappeln, dem Dreh- und Angelpunkt unserer heutigen Tour. Über die DrehbrĂŒcke wechseln wir aus der Landschaft Angeln hinĂŒber nach Schwansen. Auch diese BrĂŒcke wird stĂŒndlich fĂŒr die KapitĂ€ne geöffnet. Nicht zu ĂŒbersehen ist die noch intakte Reusenanlage aus dem Mittelalter. Der Fischfang gehört wohl zum Ă€ltesten Gewerbe des Ortes, die kleine Stadt steht Jahr fĂŒr Jahr Kopf, wenn die „Heringstage” gefeiert werden.
Wir stellen die Bikes an der Kaimauer ab und erkunden die Umgebung. Eisenbahnfreunde kommen voll auf ihre Kosten beim Besuch der nördlichsten Museumseisenbahn Deutschlands. Ein wenig Mississippi-feeling entsteht bei einer Fahrt mit dem Raddampfer „Schlei-Princess”. Fernsehnarren suchen in den Altstadtgassen nach den DrehplĂ€tzen der ZDF-Serie „Der Landarzt“. Von weitem sichtbar ist die 30 m hohe HollĂ€ndermĂŒhle, die schon lange außer Betrieb ist. Jetzt finden wir hier den Fremdenverkehrsverein und das Standesamt – auch fĂŒr AuswĂ€rtige! Ebenfalls zum Stadtbild gehören drei Schornsteine mit den Buchstaben A-A-L, sie weisen auf Kappelns RĂ€ucherei hin. Zwei Dumme – ein Gedanke, Hanno und ich haben Hunger, auf was wohl? Und wo bekommt man frischen Fisch mit dem passenden Ambiente? Richtung Gelting, dann ab nach Maasholm!
Auf einer schmalen Landzunge liegt der kleine, idyllische Fischerort in der Schlei. Frech mogeln wir uns an einer Schranke vorbei, unsere MotorrĂ€der parken direkt am Hafenbecken. Nach Lust und Laune, manchmal auch nach dem Geldbeutel, sucht sich der Zweiradfahrer sein „Lokal”. Wir entscheiden uns heute fĂŒr den Typ „rustikal”: Fischbrötchen in die Hand. An lĂ€ngst vergangene Zeiten erinnert die Skulptur „Aal-Peter”, damals wurde der Aal mit einer riesigen Gabel „gestochen”, diese Fangart ist heutzutage verboten. Beim Blick zum Horizont entdecken wir den Leuchtturm SchleimĂŒnde auf der Lotseninsel. Den gab’s natĂŒrlich noch nicht zu Zeiten der Wikinger!
Kappelner MĂŒhle Unser Weg fĂŒhrt zurĂŒck nach Kappeln, durch Grödersby nach Arnis. Die Endung „-by” stammt ĂŒbrigens aus der Epoche der DĂ€nenherrschaft und bedeutet Ort oder Dorf. Mitte des 19. Jahrhunderts standen sich DĂ€nen und Deutsche in einer Schlacht gegenĂŒber. Die DĂ€nen unterlagen und mussten sich auf das heutige Staatsgebiet zurĂŒckziehen. Die Stadt Arnis besteht aus einer einzigen, lang gestreckten Straße, gesĂ€umt von uralten, niedrigen HĂ€usern. Das Kopfsteinpflaster schĂŒttelt uns mĂ€chtig durch, aber man muss diese „Puppenstube” einfach gesehen haben.
Die folgenden zehn Kilometer bis Lindaunis sind doppelt schön, zum einen kann man flott durch die leicht hĂŒgelige Gegend dĂŒsen, zum anderen liegt die Schlei in Griffweite am linken Außenspiegel. Auch die Straße spielt mit – die Kurven sind gut einsehbar und der Belag einwandfrei.
Auf der folgenden Etappe, Lindau bis Brodersby, macht sich die Schlei etwas rar. Anschließend schleichen wir uns durch die HintertĂŒr nach Schleswig hinein, wir achten dabei auf die Ausschilderung „Holm” und „Hafen”. Leben und Arbeiten direkt am Wasser fĂŒhrte zur GrĂŒndung dieser alten Fischersiedlung. Ein Spaziergang durch die historischen Gassen mit den kleinen, schmucken HĂ€usern gehört zum Pflichtprogramm, auch wenn hier nicht mehr viele Fischer wohnen. Ein paar Gehminuten entfernt und ebenfalls einen Besuch wert ist der Schleswiger Dom, um 1100 erbaut. Selbst Nicht-KirchgĂ€nger werden von dem Aussehen und der Geschichte des kunstvoll geschnitzten Altars beeindruckt sein. Der 112 m hohe Kirchturm wurde erst 700 Jahre spĂ€ter als Geschenk des preußischen Königs erbaut und prĂ€gt heute die Skyline Schleswigs. Wenige Kilometer spĂ€ter treffen wir wieder auf das Wikinger Museum Haithabu – der Kreis schließt sich.
Wer Lust auf das wilde Treiben der Wikinger hat, sollte die jĂ€hrlich wiederkehrenden „Wikingertage” nicht verpassen.

 

 

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