aus bma 10/04

von Frank Sachau

Der alte Lübecker SalzhafenReizvolle Landschaften, malerische Wege und Plätze mit einer einzigartigen Geschichte erleben. Der mittelalterliche Handelsweg „Alte Salzstraße” führt durch eine Welt, in der es viel zu entdecken gibt.
Über tausend Jahre ist es her, daß Jäger in der Nähe Lüneburgs ein weißes Wildschwein erlegten. Doch es handelte sich nicht um einen Albino, das Tier hatte sich nur in einer salzhaltigen Suhle gewälzt. Das trockene Salz blieb am Borstenvieh hängen und brachte die Waidmänner auf die Spur des „weißen Goldes”. Salz war ein kostbares Gewürz und wichtigstes Konservierungsmittel. Der Heringsmarkt, die prächtigen Giebelhäuser und der alte Salzkran zeugen noch heute vom raschen wirtschaftlichen Aufschwung der Salinenstadt Lüneburg. Das Salz wurde auf Karren über die „via regia”, den Königsweg, nach Lübeck transportiert. 20 Tage dauerte die beschwerliche Reise, bevor es von der Hanse in alle Welt verschifft wurde. So lange brauchen wir für unsere Tour nicht.
Kaum haben wir die Stadt verlassen, beschleunigen wir unsere Maschinen auf der Bundesstraße 209 nach Norden Richtung Lauenburg. Unterwegs werden überall Kartoffeln und Spargel angeboten. Mit einem mild gesalzenen Katenschinken ein echter kulinarischer Hochgenuß. Ebenfalls echt norddeutsch sind die Knicks – die typischen, auf Wällen gepflanzten Baumreihen, die die Felder vor dem ewig wehenden Wind schützen. Bei Artlenburg suchen wir die historische Übersetzstelle, wo man einst die mächtige Elbe mit Kähnen querte. Hinter uns knistern die abkühlenden Motoren, vor uns liegt der breite Strom.

 

Das Holstentor in LübeckAm anderen Ufer ist das Lokal „Alter Sandkrug” zu erkennen, dort werden wir das mittelalterliche Kopfsteinpflaster der Alten Salz- straße suchen. Wir verlassen Niedersachsen und reisen über die Elbbrücke bei Lauenburg nach Schleswig-Holstein ein. Die geschäftstüchtigen Lauenburger Stadtväter kontrollierten die Land- und Wasserwege und forderten, sehr zum Ärger Lüneburgs und Lübecks, hohe Zölle. Im kleinen Nest Schnakenbek schleichen wir uns an Scheunen und Katen vorbei ans Elbufer. Bei einer Tass’ Kaff’ beobachten wir den regen Schiffsverkehr. Anschließend treffen wir im dunklen Wald auf die alte Trasse der „trockenen” Salzstraße, die bis kurz vor Lütau Kopfsteinpflaster satt bietet. Mit modernen Federbeinen ist es ein echtes Fahrerlebnis, mit eisenbeschlagenen Rädern muß es damals eine Tortur gewesen sein. 1398 wurde die „nasse” Salzstraße geboren, es begann die Verschiffung auf dem Stecknitz-Kanal, dem heutigen Elbe-Lübeck-Kanal. Die von hohen Pappeln gesäumte Wasserstraße ist einer der ältesten schiffbaren Kanäle Nordeuropas und war damals eine technische Meisterleistung. In Siebeneichen, zwischen Büchen und Breitenfelde, können wir mit dem Motorrad bis an den Kanal fahren und den Fährmann mit Glockenschlägen zum Übersetzen anfordern. Da es sich um eine künstliche Wasserstraße handelt, braucht man nichts für die Überfahrt zu zahlen. Zahlen mußten die damaligen Salztransporteure bei jeder Gelegenheit. Die Eulenspiegelstadt Mölln gehörte auch zu den Nutznießern am Wegesrand, und der dadurch erworbene Reichtum spiegelt sich noch heute in den historischen Fachwerkfassaden rund um den Marktplatz wider.
Die Passat in TravemündeKaum liegt Mölln hinter uns, verlassen wir die Bundesstraße, um wieder in der Einsamkeit der Nebenstrecken dem Verlauf der Alten Salzstraße zu folgen. Lankau, Kühsen, Berkenthin und Krummesse – häufig queren wir den Elbe-Lübeck-Kanal, Freizeitkapitäne winken von ihren Booten zu uns herauf, lauschige Plätzchen laden zum Rasten ein. Und irgendwann, nach einer Walddurchfahrt, einem kleinen Dorf oder hinter einem Knick tauchen die mächtigen Türme der Lübecker Altstadt aus dem Dunst auf. Im Ortsteil St. Jürgen folgen wir der Ausschilderung „Zentrum” und gelangen mühelos bis an das weltbekannte Holstentor. In einer Seitenstraße ist schnell ein Parkplatz gefunden, dann noch die dicke Kette ums Vorderrad, den Helm in den Koffer und auf zum Bummel entlang der Trave, wo die Traditionssegler vor den Salzspeichern liegen. Oder auf einen Kaffee ins Niedereggerhaus, der Heimat des weltberühmten Marzipans. Oder zum Geburtshaus Thomas Manns, der in der Hansestadt seine „Buddenbrooks” spielen ließ. Dort, wo die Trave in die Lübecker Bucht fließt, liegt Lübecks schöne Tochter – Travemünde. An der Priwall-Mole klappen wir die Seitenständer aus, hier liegt die 1911 gebaute Passat, ein Ganzstahlsegler der historischen „Flying P-Liner”, und verstrahlt Seefahrerromantik. Gegen den kleinen Hunger hilft ein mild gepökelter Bismarck-Hering im Brötchen. Vor vielen hundert Jahren muß es ein beeindruckendes Bild gewesen sein, als die Hansekoggen, bis an den Rand mit Salz beladen, gemächlich Richtung Ostsee segelten. Ein Faß Salz wurde zum Einlegen von fünf Fässern Hering gebraucht. Das einstige Nobelbad mit Spielcasino und seinem riesigen Fährhafen ist heute das Tor zum Norden. Die unförmigen, mehrere Stockwerke hohen Kästen, die mit wummernden Dieselmotoren Menschen und Autos nach Skandinavien befördern, haben bestimmt keine Fässer mit „weißem Gold” an Bord, denn die Zeit der „Alten Salzstraße” ist längst vorbei.

Unterkunft:
Landhotel Klempau’s Gasthof
Das gastliche Haus zählt mit seiner Familientradition und Kruggerechtigkeit seit 1577 zu den ältesten Gasthöfen Deutschlands und liegt an der nördlichen Spitze des Naturparks Lauenburgische Seen. DZ / HP ab 110 Euro. Geführte Touren, Garage und Trockenraum.
Klempau’s Gasthof, Familie Klempau, Lübecker Straße 5-7, 23628 Krummesse, Fon 04508/264, Fax 04508/460, www.KIEKIN-Hotels.de/klempau

Anreise:
Von Süden über die A 7 bis Abfahrt Soltau-Ost und anschließend auf der B 209 quer durch die Lüneburger Heide nach Lüneburg. Von Westen auf der A 1 und von Norden auf der A 1 oder A 7 bis Maschen und von dort aus über die A 250 nach Lüneburg.

Reisezeit:
Ab Mitte Mai bikerfreundliche Temperaturen. Dann taucht die Rapsblüte das ganze Land in den Farbeimer. Angenehme Badetemperaturen ab Ende Juni. Die Sommerferien sollten gemieden werden. Der meist beständige September lockt mit reizvollen Touren entlang der abgeernteten Felder. Ständig vorherrschende Winde vertreiben rasch so manche Regenwolke.

Literatur:
Die Alte Salzstraße im Wandel der Zeit, Harms & Wohlfahrt, Wachholtz Verlag Neumünster, 125 Seiten, 50 überwiegend farbige Bilder. ISBN 3-529-06178-6. 19,90 Euro.
Traumstraßen Deutschland. Ausgesuchte Kulturstraßen zwischen Küste und Alpen. Südwest Verlag, 180 Seiten, reich bebildert, viele Karten. ISBN 3-517-01915-1. 26 Euro.

Karten:
Motorrad Powerkarten „Deutschland”, Blatt 3, Good Vibrations Verlag, 12 Blätter einschließlich Tourerguide im Schuber, Maßstab 1 : 300.000, nahezu unkaputtbar, Preis 31 Euro, ISBN 3-932157-50-8. Die Karten sind im Buchhandel oder im Motorradzubehörhandel erhältlich.

Informationen:
Tourismusverband Alte Salzstraße e.V., Am Markt 10, 23909 Ratzeburg,
Fon 04541 / 2006, Fax 04541 / 84553