aus bma 09/03

von Hauke Berendes

An der ElbeFlüsse und Gebirgszüge stellen für mich Landschaften dar, denen ich immer gerne wie einem roten Faden folge. So unternahm ich in der letzten Augustwoche eine Urlaubsfahrt auf meiner BMW R 100 Mystic und folgte dabei immer dem Lauf der Elbe bis ins Elbsandsteingebirge. Von Husum fuhr ich zum Ausgangspunkt meiner Reise, nach Geesthacht. Dort überquerte ich die Elbe und steuerte auf Landstraßen nach Lauenburg. Kurz vor der Elbbrücke in Lauenburg bog ich von der B 209 wieder auf die Landstraße nach Bleckede. Das Wetter war recht angenehm und für norddeutsche Verhältnisse schon richtig heiß. Ich nahm mir vor, in den nächsten Tagen nur Campingplätze anzusteuern, die eine Badegelegenheit bieten. Landschaftlich besonders reizvoll war die Strecke zwischen Neu Darchau und Hitzacker. Ich hielt am Aussichturm auf dem Kniepenberg mit einer Gesamthöhe von 86 Meter über N.N.. Von der Plattform aus hatte ich einen weiten Ausblick elbauf- und elbabwärts. Sandstrände am Elbufer luden zum Baden ein. Über Dannenberg ging es auf der Elbuferstraße über Gorleben in Richtung Wittenberge.
Die Gegend wurde zunehmend flacher und lud nicht zu längerem Verweilen ein, so dass ich relativ rasch die Drahtseilfähre über die Elbe einige Kilometer vor Havelberg erreichte. Havelberg ist eine lebendige Stadt, die durch mehrere Wasserläufe unterteilt ist. Der Campingplatz lag sehr günstig fast mitten in der Stadt auf einer Havelinsel und dennoch drang der Stadtverkehr nur wenig herüber.
Von Havelberg ging es am nächsten Morgen auf der B 107 in Richtung Tangermünde. Die Strecke war zwar gut ausgebaut, aber wegen der oft geraden Streckenführung wenig interessant. Oft führten nur Stichstraßen zum Fluss oder zu den wenigen Seilfähren, die das Übersetzen ermöglichen. Wegen einiger Baustellen und damit verbundenen Umleitungen lernte ich dann doch noch einige Nebenstraßen aus DDR-Zeiten kennen. Die waren so wellig, dass das Motorrad bockte wie ein störrisches Pferd.

 

ElbfähreIn den Dörfern, durch die ich dabei fuhr, hatte sich noch nicht viel getan. Die Straßen hatten noch immer das gleiche Kopfsteinpflaster, das im Westen schon antik ist und für teures Geld zur Restaurierung von historischen Plätzen gekauft werden muss. Viele Häuser besaßen immer noch den alten verwitterten und farblosen Außenputz.
Magdeburg wollte ich eigentlich rechts liegen lassen, aber als ich von weitem die vielen Türme der Stadt sah, bog ich doch kurz entschlossen zum Zentrum ab. Schließlich hatte ich Urlaub und wollte etwas von Deutschland sehen. Immer den Doppelturm des Domes im Blickfeld (einen Stadtplan hatte ich natürlich nicht) gelangte ich schnell in dessen Nähe und bekam auch leicht einen Parkplatz. Nach der Besichtigung zog es mich weiter.
In Wittenberg, die Stadt in der Martin Luther, Philip Melanchthon und Lukas Cranach gelebt haben, fand ich keinen Campingplatz, aber etwa zehn Kilometer südlich der Stadt am Bergwitzsee gab es einen sehr schön gelegenen Platz. Der Campingplatz liegt außerhalb des Ortes an der ehemaligen Braunkohlengrube, die mit klarem, sauberem Wasser aufgestaut wurde. Dass es sich bei dem Bergwitzsee um ein ehemaliges Braunkohlenrevier handelt, ist nicht zu erkennen. Zelte können direkt am See aufgebaut werden, so dass ich nur ein paar Schritte zum Wasser gehen musste, um schwimmen zu können. Ein kleines Lokal auf dem Platz stillte dann den Hunger. Gegen Abend kam noch ein Einzelreisender auf dem Fahrrad an. Er ist auf dem Weg nach Berlin und wir saßen abends noch lange auf der Bank am See und ich erfuhr viele Einzelheiten über das Leben in der ehemaligen DDR.
Am nächsten Morgen fuhr ich ohne Gepäck auf der sehr gut ausgebauten B 100 nach Wittenberg. Die Innenstadt ist weiträumig für den Verkehr gesperrt, aber an den Ringstraßen um den Stadtkern und in der Nähe der Schlosskirche bzw. des Schlosses gibt es viele Parkplätze. Wittenberg erwies sich als angenehme Stadt für Fußgänger, wenn man erst einmal die weiträumige Fußgängerzone um den Marktplatz erreicht hat. Auf dem Marktplatz, der von Geschäften, Lokalen und Eisdielen gesäumt wird, stehen vor dem Rathaus die Standbilder Martin Luthers und seines Freundes Philip Melanchthons. Überall in der Stadt begegnet man den Spuren dieser beiden berühmten Männer, denn immerhin hat Luther von hier aus 36 Jahre seine für damalige Verhältnisse revolutionären Glaubensreformen vorangetrieben, die dann im Protestantismus mündeten. Aber auch der berühmte Maler Lucas Cranach wirkte lange Zeit in Wittenberg. Im Cranach-Haus am Markt befindet sich ein Museum. Dort gibt es auch eine „Historische Druckerstube”.
Ein Besuch der Schlosskirche, in der Luther begraben sein soll und die Thesentür lohnte sich ebenso wie der Gang zur Stadtkirche, in der Luther über seine Thesen gepredigt hat. Als ich am späten Nachmittag wieder auf dem Campingplatz ankam, empfand ich das Bad im See als wunderbare Erfrischung. Auch für die nächsten Tage konnte ich laut Wetterbericht mit einer Fortdauer des hochsommerlichen Wetters rechnen.
So fuhr ich am nächsten Morgen auf der B 182, der Deutschen Alleenstraße, nach Torgau, einer hübschen kleinen Stadt mit etwa 22.000 Einwohnern. Mich interessierte in erster Linie die Stelle, an der sich am 25. April 1945 amerikanische und russische Truppen trafen. Diese „Stätte der Begegnung” erreicht man, wenn man die Elbe über die neue Brücke nach Norden überquert. Gleich am anderen Ufer liegt links ein anscheinend auch noch aus dem Krieg stammendes Kasernengebäude, das nach den Informationstafeln als Straflager genutzt wurde.
Wegen der häufigen Umleitungen an der B 182 mit teilweise sehr schlechten Straßenabschnitten näherte ich mich dem Ort Riesa nur langsam. Die Landschaft war wieder hügeliger und das Fahren interessanter. In Riesa wechselte ich an das andere Elbufer und bog in Röderau rechts ab in die Sächsische Weinstraße. Bald tauchten die ersten Weinberge auf und bildeten mit den Biegungen der Elbe hübsche Ansichten und ein wenig erinnerte mich das Panorama an die Mosel.Elbe
In Meißen erwartete mich viel Verkehr und aus dem Schilderwald der Hinweistafeln wurde ich nicht immer klug, aber alle Leute, die ich nach der Porzellanmanufaktur fragte, waren sehr freundlich und halfen mir immer weiter. Bei dieser Fabrik handelt es sich um die älteste ihrer Art (sicher auch die teuerste) in Europa. Für den Besucher sind die Verkaufs- bzw. Ausstellungsräume, die Schauwerkstatt und das Porzellanmuseum interessant. Wenn man sich alles in Ruhe ansehen will, sollte man sich schon einige Stunden Zeit nehmen. Nachdem ich das relativ kühle Klima im Gebäude verlassen hatte, schlug mir draußen wieder die Hitze entgegen. Da ich meine Maschine samt Gepäck, Lederzeug und Stiefel auf einem öffentlichen Parkplatz vor der Fabrik abgestellt hatte, war ich doch froh, dass bei meiner Rückkehr alles unversehrt an seinem Platz war.
Die Stadt Meißen bot noch einige andere Besichtigungsstätten, aber ich brauchte dringend eine Abkühlung und fuhr über Radebeul in die Nähe des Ortes Moritzburg, wo ich auf einem Campingplatz mit Nachtwache (!) wieder direkt am See mein Zelt aufschlug. Später erfuhr ich, dass der nächtliche Wachdienst und eine Videoüberwachung auf vielen Plätzen dieser Gegend wegen einiger Überfälle eingeführt wurde.
Nach dem Frühstück besuchte ich das Karl-May-Museum in Radebeul. Das ehemalige Wohnhaus des berühmten Autors, die „Villa Shatterhand”, liegt in einer ruhigen Nebenstraße an der B 6. Da es im Baustil den Nachbarhäusern gleicht, und auch kein größeres Schild angebracht ist, fuhr ich beim ersten Mal glatt daran vorbei. Das Wohnhaus enthält viele persönliche Gegenstände Karl Mays, darunter auch eine Silberbüchse und ein Henrystutzen, die von einem Büchsenmacher nach den Wünschen Mays hergestellt wurden. Im großen Garten steht die „Villa Bärenfett”, die hauptsächlich indianische Sammlungen enthält. Nächstes Ziel war die Dresdener Altstadt, die unmittelbar an Radebeul angrenzt. Ich orientierte mich an den Türmen des Schlosses und Schlosskirche, die am Elbufer aufragen. Nachdem ich die Marienbrücke überquert hatte, hielt ich mich links und fand in der Nähe des Zwingers relativ leicht eine Parkmöglichkeit. Tausende von Menschen aller Nationen wanderten hier auf den Brühlschen Terrassen zwischen der Semperoper und der Kunsthochschule Albertinum auf und ab. Diese historische Meile sollte man sich auf jeden Fall ansehen. Da bei dem Bombenangriff im Februar 1945 fast die gesamte historische Innenstadt zerstört wurde, kann man nur erahnen, wieviel finanzielle Mittel und Handwerkskünste aufgewendet werden mussten, um die Gebäude originalgetreu wieder aufzubauen. Es würde einige Tage dauern, wollte man sich alle historischen Gebäude auch von innen ansehen. So entschied ich mich für eine der vielen Stadtrundfahrten, von denen jede neben der üblichen Rundfahrt ein spezielles Ziel beinhaltet, wie z.B. Rundfahrt mit Semperoper usw.. Meine Fahrt enthielt neben der allgemeinen Rundfahrt die Fahrt mit der Standseilbahn zum Aussichtspunkt „Luisenhof”. Von dort oben hat man bei klarem Wetter einen weiten Blick über die ganze Stadt. Danach sah ich mir den Zwinger, ein Meisterwerk des Barock, etwas aus der Nähe an. Da ich dieses Bauwerk nur von Ansichtskarten kannte, war ich erstaunt über dessen Größe. Auf Bildern ist oft nur der mittlere reichverzierte Pavillon abgebildet, ohne die großen Seitengebäude, in denen sich mehrere Museen, Porzellan- und Waffensammlungen befinden. An der Mauer des Schlosses sind alle sächsischen Könige des letzten Jahrtausend in Galauniform und hoch zu Ross auf 40000 Meißner Kacheln abgebildet. Müde vom Laufen und von der vielen Kultur setzte ich mich auf die große Freitreppe gegenüber der Hofkirche. Sie ist mit ihrem 85 Meter hohen Turm und den 78 Statuen auf dem Kirchenschiff und in den Mauernischen ein weiteres großes Kunstwerk.Allee
Am nächsten Morgen durchquerte ich auf meinem Weg nach Königstein im Elbsandsteingebirge Dresden noch einmal von Ost nach West Wieder herrschte dichter Verkehr und ich kam nur langsam voran. Auch auf der B 172 nach Pirna war Hochbetrieb, denn es ist die wichtigste Ausfallstraße nach Südosten.
Ab Pirna wurde es dann wieder richtig schön: das Elbsandsteingebirge beginnt und bildet eine herrliche Kulisse für die Windungen der Elbe. Am Fuße der Festung Königstein befindet sich ein Parkplatz, von dem man etwa einen Kilometer zur Burg hinaufsteigt. Es fahren aber auch Pferdewagen und eine Art Kleinbus hinauf. Die Festung befindet sich auf einem etwa 400 Meter hohen Felsen, der überall steil abfällt. Sie ist mit neun Hektar sehr groß und erinnert etwas an die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Direkt an den Mauern führt ein Rundwanderweg um die Festung herum. Von dort hat man herrliche Ausblicke auf die Elbe und die anderen horstartigen Berge des Elbsandsteingebirges.
Es ist kein Wunder, dass die Festung bei Bikern beliebt ist, denn sie liegt in einer kurvenreichen Gegend und die Straßen sind durchweg besser als z.B. im Bereich der Mittelelbe. Auch im Elbsandsteingebirge hätte ich als Motorradfahrer einige Tage meine Freude haben können, aber langsam musste ich mich doch wieder auf den Heimweg machen. So bog ich im Ort Königstein rechts ab Richtung Altenberg im Erzgebirge. Die Straße war eng und anfangs kurvenreich, aber auch sehr waldreich und einsam. Altenberg ist ein bekannter Ski-Ort und liegt 750 Meter über N.N.. Nachdem ich dort Mittag gegessen hatte, ging es weiter Richtung Obernhau und Marienberg. Da es immer noch sehr warm war, suchte ich auf der Karte nach einem Campingplatz mit Badesee und entdeckte südlich von Chemnitz den Campingplatz an den Greifensteinen. Da ich am übernächsten Tag zu Hause sein wollte, fuhr ich am nächsten Morgen in Chemnitz erstmalig auf der Reise auf die gut ausgebaute Autobahn. In Eisenach übernachtete ich dann bei Freunden. Von dort fuhr ich auf der B7 nach Eschwege und dann auf der B27 an der Werra entlang bis Hannoversch-Münden. Nicht nur das hohe Verkehrsaufkommen auf der gut ausgebauten Strecke trübte den Fahrgenuss, sondern auch das Wetter. Langsam bezog sich der Himmel mit tief hängenden Wolken.
Erst im Wesertal wurde der Verkehr erträglicher, aber leider begann es bald zu regnen. Zuerst hatte ich noch Hoffnung auf eine Wetterbesserung und blieb auf der Bundesstraße, denn ich fahre die Wesertalstrecke immer wieder gern. Doch es kam keine Wetterbesserung in Sicht . So nahm ich in Springe die Autobahn – und ab nach Hause.