aus bma 11/03

von Frank Valentin

Enfield Bullet Als begeisterter Enfield Bullet-Fahrer überkam mich eines Tages das dringende Bedürfnis nach einer zweiten Maschine. Warum eine zweite, wenn man doch schon eine hat? Ganz klar: Eine zum Schrauben und eine zum Fahren! Nicht dass eine Enfield ohne die Schrauberei nicht laufen würde, aber für mich gehört die Bastelei nun mal dazu.
Nun sind Enfields ja im Allgemeinen nicht gerade in Massen in den Kleinanzeigen zu finden, aber ab und an taucht mal eine auf. Doch meine Suche war leider meist umsonst. Entweder zu teuer, oder schon weg. Doch zum Glück gibt´s ja Ebay! Nachdem ich schon mal Kleinigkeiten dort ersteigert hatte, ging es nun daran etwas Größeres zu finden. Dass so etwas auch nicht auf Anhieb klappt ist schon klar, doch nach etlichen Wochen war es dann soweit. Ich hatte bereits seit längerer Zeit nicht mehr bei Ebay gestöbert, als ich auf „meine” Enfield stieß. Eine 350er, 1.700 DM Mindestgebot, noch keine Bieter und, oh Schreck, nur noch anderthalb Stunden bis Auktionsende! Nun gab es keine Entschuldigung mehr und ich sagte mir jetzt oder nie. Die spärliche Artikelbeschreibung ergab das Baujahr 1995 und eine abgebrochene Kickstarterwelle. Ein Foto gab es nicht. Die wenigen Informationen klangen allesamt nicht sehr verlockend aber Enfield-Fahrer kann so leicht nichts erschrecken und so griff ich zu.

 

Mit einem Anhänger am Haken ging es ins Bergische, wo die Maschine abzuholen war. Der Verkäufer, ein freundlicher Bikertyp und nach eigenem Bekunden gelernter Zweiradmechaniker, hatte die Enfield zerlegt gekauft und selbst wieder aufgebaut. Sie wäre auch einmal kurz gelaufen, hätte aber „komische” Geräusche gemacht. Beim nächsten Startversuch sei ihm dann der Kickstarter abgebrochen und nun hatte er die Nase voll. Er empfahl mir den Motor noch mal zu öffnen, vielleicht war ihm ja ein Kolbenring bei der Montage gebrochen. Da nach meiner Erfahrung alle Bullets, selbst im tadellosen Zustand, „komische” Geräusche machen und der Verkäufer als „Zweiradmechaniker” ja sicher wusste was er tat, machte ich mir keine Sorgen. Eine neue Kickerwelle montieren und ein bisschen Kosmetik, mehr würde es schon nicht werden und in ein paar Wochen würde sie wieder laufen. Dachte ich.
Enfield Bullet Zu Hause angekommen machte ich erst mal eine Bestandsaufnahme. In dem Schuppen, aus dem ich die Bullet geholt hatte, war es doch etwas dunkler als in meiner Garage und so sah ich jetzt etwas besser, was ich da ersteigert hatte. Der Lack war noch ok, etwas Rost hier und da, sehr viel Staub und das matteste Aluminium was ich je sah. Irgend ein „Künstler” hatte versucht Zylinder und Zylinderkopf mit Silberbronze zu verschönern, es mit dem Abkleben allerdings nicht so genau genommen. Dazu quoll aus sämtlichen Dichtflächen des Motors großzügig rote Silikondichtmasse. Insgesamt kein schöner Anblick! Auf der Habenseite konnten Egli-Zündung und Ölpumpe, Solosattel, Zubehör- Batteriedeckel und Reifen, die wie neu waren, verbucht werden.
Die nicht mal 4.000 km, die meine Bullet auf dem Tacho hatte, standen im krassen Gegensatz zu ihrem optischen Zustand. Kunststück, war ich doch schon ihr fünfter Besitzer! Im Laufe der Zeit ersetzte ich die gebrochene Kickstarterwelle, polierte sämtliche Aludeckel, ließ Blechteile lackieren und ersetzte fehlende oder kaputte Teile, wobei mein Fundus an ausrangierten Enfield-Teilen oft sehr hilfreich war. Wie empfohlen, nahm ich auch Zylinder und Zylinderkopf noch einmal ab und sah nach den Kolbenringen. Der Zylinder wurde glasgestrahlt und mit glänzendem Oldtimer-Zylinderlack gespritzt welcher im heimischen Backofen eingebrannt wurde. Der Kolben, die Kolbenringe und der Zylinderkopf sahen gut aus (die Silberbronze fiel auf dem Alu nicht so auf) und so baute ich alles wieder zusammen. Ganz nebenbei ruinierte ich beim Ausbau der Gabel noch das Lenkkopflager und da die Gabel jetzt schon mal draußen war, konnte ich auch das Gabelöl wechseln. Das war auch gut so, denn im linken Standrohr befand sich mehr Wasser als Gabelöl!
Cockpit Kurz vor dem Endspurt verließ mich beim Instandsetzen der Elektrik die Lust, die auch ein halbes Jahr später noch nicht wiederkehrte. Mein anfänglich so bequemes Zeitpolster schmolz dahin und der Baurat saß mir jetzt im Nacken. Also wieder ran! Als harte Nuss stellten sich noch der vordere Bremslichtschalter und ein Wackelkontakt in der Scheinwerferbirne dar, aber bald war der Kupferwurm vertrieben. Dann der große Tag! Alles noch mal durchgecheckt, Benzin draufgekippt und gekickt. Nichts! 50 Tritte auf den Kicker und anderthalb Liter vergossenen Schweiß später, hatte der Motor außer halbherzigem Blubbern keinerlei Lebensäußerung von sich gegeben. Ich prüfte wiederum alles durch, fand aber keinen Fehler. Nach reichlich verschwenderischem Umgang mit Startpilot konnte ich den Motor endlich überreden anzuspringen. Er machte allerdings ganz andere komische Geräusche, als die komischen Geräusche, die ich gewohnt war. Der Motor hing schlecht am Gas, klapperte metallisch und starb dann ab. Es gelang mir noch einmal den Motor zu starten und ich fuhr sogar ungefähr 50 Meter, bis mich der Mut verließ. Ich war ratlos. Die Kompression war eher gering und das Einlassventilspiel ließ sich nicht einstellen, hatte ich vielleicht die Stößelstangen, die verschieden lang sind, vertauscht? Es half nichts, der Motor musste wieder auseinander!
Nun, die Stößelstangen waren es nicht, aber als ich den Zylinderkopf wieder abnahm, traute ich meinen Augen kaum! Da hatte mein „Zweiradmechaniker“ doch die Ventile miteinander vertauscht! Das Auslassventil war in den Einlasskanal hineingerutscht und das Einlassventil saß auf dem Sitz des Auslasses. Mir war das vorher nicht aufgefallen, da das Auslassventil so eben gerade noch am Sitzring hing. Der Kopf war frisch entkokst worden und so hatte ich ihn nicht näher untersucht. Dazu kam, dass eine der Ventilführungen nicht auf Maß gerieben war. Ich ließ dies vom Motoreninstandsetzer meines Vertrauens erledigen und bei der Gelegenheit den Zylinderkopf gleich Glasstrahlen.
Nachdem alles zum zweiten Mal zusammengebaut und das Ventilspiel eingestellt war, sah der Motor nicht nur wie neu aus, er sprang auch nach ein paar Tritten an und lief sauber. Eine Woche später konnte auch der Onkel im grauen Kittel nichts bemängeln und gab mir seinen zweijährigen Segen.
Fazit: Für jemand, der gern schraubt, ist die Enfield-Bullet genau das richtige Motorrad und mit Hilfe der wirklich guten Ersatzteilversorgung ist auch eine stiefmütterlich behandelte Maschine, wie die meine, schnell wieder fit. Auch finanziell ist mein Projekt nicht aus dem Ruder gelaufen, nachdem der „Teuro” auch Ebay erreicht hat, habe ich dort keine so günstige Enfield mehr gesehen. Für mich bleibt´s also dabei: Made like a gun – rides like a bullet!