aus Kradblatt 10/19, von Patrick Schweizer

Mai Mi Ban Ha – Winterflucht ins Ban Aloi Resort, Thailand.

Unsere Gruppe - Endurowandern in Thailand

Freunde des gepflegten Endurowanderns haben es nicht leicht in Europa. Insbesondere in Deutschland ist dies – zumindest in Verbindung mit einer gewissen Empfänglichkeit für die Einhaltung der örtlichen Wald- und Straßengesetze – nahezu unmöglich. In Thailand nicht.

Außerdem ist Deutschland nicht gerade für sein motorradfreundliches Klima im Dezember bekannt. Thailand schon.

Darüber hinaus nennt man Deutschland auch eher selten „Land des Lächelns“. Thailand schon.

Tempelstatue - Endurowandern in Thailand Drei gute Gründe also, die Strapazen einer gut zwanzigstündigen Anreise mit Bus, Bahn, Flugzeug und Auto auf sich zu nehmen und diesem asiatischen Königreich mal einen Besuch abzustatten. Es gilt die Gerüchte des „amazing Thailand“ aus Kradfahrersicht fachmännisch zu überprüfen.

Gesagt, getan. Kurz nach der Landung in Bangkok die erste Überraschung: Linksverkehr. Ja hoppla, daran hatten wir keinen Gedanken verschwendet und Erfahrung mit dem Fahren auf der falschen Straßenseite hatte auch niemand von uns. 

OK, ein paar unerschrockene einheimische Zeitgenossen, meist rauchend und mit stark geröteten Augen ein Tuktuk steuernd, hielten tapfer die Fahne des korrekten Rechtsfahrgebotes in die Höhe, aber das schien uns die ganze Angelegenheit nicht wirklich zu vereinfachen. 

Es sollte sich interessanterweise jedoch schnell herausstellen, dass sich der weitestgehend regelbefreite, wuselige thailändische Linksverkehr fast enspannter, auf jeden Fall aber viel spaßiger gestaltet, als unsere deutsche Verkehrsordnung. Es ist ein bisschen wie das Bummeln durch unsere Fußgängerzonen: Jeder läuft der Nase nach, aber solange alle die Augen offen halten und Rücksicht nehmen läuft der Verkehr weitestgehend flüssig und unkompliziert. 

Dass Thailand das Land mit den meisten Verkehrstoten ist, würde ich dabei auch eher den oft abenteuerlich reparierten Rostlauben und dem immer noch weit verbreitetem Fahren ohne Helm und Gurt zuschreiben, als der fehlenden Verkehrsordnung.

Letztlich sollte auf unserer Tour die Wahl der Fahrspur aber sowieso eher von der Topografie und Bodenbeschaffenheit bestimmt werden, als von Schildern und Lichtern. Auch wenn wir dabei manchmal den Kampf gegen die Vegetation verloren und die Moppeds hin und wieder mal über ein Hindernis getragen werden wollten. 

Besser "nicht scharf" bestellen - Endurowandern in Thailand Doch der Reihe nach: Die Provinz, in der wir hauptsächlich unterwegs waren, nennt sich Loei und liegt in der Nordostregion von Thailand (Isan) an der Grenze zu Laos. Landschaftlich besteht das Gebiet aus zwei Bergketten – die wir natürlich auch hauptsächlich ins Visier genommen hatten – und einer zentralen Tiefebene, in der auch die gleichnamige Provinzhauptstadt liegt. Auch der berühmte Mekong fließt hier ein bisschen durch die Gegend und bildet im Norden die Grenze zu Laos.

Das Klima ist in den Bergen, im Vergleich zum Süden Thailands, eher mild und sehr angenehm. Eine vergleichsweise geringe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen von im Durchschnitt 20 Grad Celsius bilden die perfekte Mischung aus Winterflucht-Sommerwetter und Endurosport-Fahrwetter. „Die kühle Landschaft Nordthailands“, wie das Gebiet übersetzt genannt wird, gilt außerdem als eine der letzten ursprünglich erhaltenen Naturgebiete des Landes, was hauptsächlich den vier großen Nationalparks zu verdanken sein dürfte, denn die Landwirtschaft ist hier durchaus sehr aktiv und die Gummibaum- und Teufelsfruchtplantagen prägen in weiten Teilen das Landschaftsbild.

Touristisch ist das Gebiet eher wenig erschlossen. Die Nationalparks sind, neben den unzähligen buddhistischen Tempeln, die einzigen nennenswerten Sehenswürdigkeiten. Diese sind dann aber oft auch umso würdiger gesehen zu werden.

Tankstelle - Endurowandern in Thailand In den Nationalparks hausen sogar noch einige recht exotische Tiere. Selbst ein paar freilebende Tiger soll es hier noch geben – womit nicht das beliebte Triumph-Modell gemeint ist, sondern die Schmusekätzchen mit den großen Zähnen. Also alles in allem die perfekte Region zum entspannten, motorisierten Bergwandern. Triumph Motorcycles eröffnete übrigens schon 2003 seine erste von bislang drei Produktionsstätten in Thailand.

Um in den knapp zwei Wochen möglichst viel zu sehen und dabei in den bestmöglichen Fahrgenuss zu kommen, schien uns – neben gut gewarteten, kleinen Enduros – auch ein ortskundiger Guide von Vorteil. Offroadkarten gibt es von der Region so gut wie keine, und wenn, dann überhaupt nur in der Spaghettischrift, die von uns Westeuropäern kaum jemand entschlüsseln kann.

GPS-Tracks sind im Netz vielleicht ein paar wenige zu finden, aber in dem Spinnennetz an Wegen will man ja auch gerne mal was ausprobieren, oder muss einen Umweg fahren, da irgendwelche großen, schweren Viecher mit Nachdruck eine Straßenblockade durchsetzen oder der Weg in der letzten Regenperiode weggespült wurde. Wenn man dann nicht Stunden, oder wenn es ganz blöd läuft in manchen Gebieten auch mal Tage, den richtigen Pfad suchen möchte, ist ein Guide dem GPS-Gerät auf jeden Fall vorzuziehen.

Im Zweifel hat ein Guide, der oft auch seine eigenen Enduros für die Touren zur Verfügung stellt, darüber hinaus auch meistens deutlich besser gewartetes Material am Start, als ein „anonymer“ Motorradverleih aus der Stadt. Von letzteren bekommt man, insbesondere als Farang, wie hier die Ausländer liebevoll genannt werden, auch schon mal eine Maschine hingestellt, deren Zustand jeden deutschen Graukittel an den Rand einer Herzattacke führen würde.

Unser überwiegend aus Kawasaki KLX 250 bestehender Fuhrpark war jedoch wie erwartet in einem ordentlichen und hochgradig offroadtauglichen Zustand, wofür sich unser Guide, Mechaniker und Gastgeber Alois „Aloi“ Ochsenreiter verantwortlich zeichnete. Auch kleinere Pannen unterwegs, wurden von Aloi schnell und fachmännisch behoben. Ein weiterer Vorteil, wenn der Guide seine Maschinen in- und auswendig kennt.

Raubtiere des Dschungels: Blutegel in Thailand

Was die Notwendigkeit eines ortskundigen Guides betrifft, konnten wir dann auch bei einer kleinen Wanderung ohne Führer durch den Dschungel schnell verifizieren: Als wir für vielleicht 20 Meter den Weg verließen und uns kurz unterhielten konnte kurz darauf keiner mehr sagen, wo wir hergekommen sind. Das lag vielleicht auch ein bisschen an unserer Nachlässigkeit, da wir uns tagelang keine Gedanken über die Orientierung machen mussten, aber ein Dschungel ist eben auch kein Schwarzwald, wo der größte Orientierungsgau einen Umweg von ein, zwei Stunden bedeutet, währenddessen man sich maximal um die Menge des mitgeführten Schnapsvorrates sorgen muss. Dschungel dagegen heißt: eine Sicht von zwei bis drei Meter, viele Spuren von oft eher unfreundlichen Tieren und unzählige Blutegel die sich trotz langer Kleidung an den unmöglichsten Körperstellen festbeißen und versuchen einen leerzunuckeln. Da kann man sich schon mal schnell ein wenig ausgelutscht fühlen. Wenn dann noch das Sonnenlicht knapp wird und man schon gedanklich das provisorische Nachtlager aus Rambo 2 nachbaut, bekommt der Begriff „Verlaufen“ eine ganz andere Bedeutung. Durch die vielen Schluchten und teils undurchdringbares Dickicht ist „immer geradeaus“ auch keine Option.

Wir hatten letztendlich Glück und bevor das Abenteuer ernstlich unangenehm wurde, hatten wir unseren Pfad in die Zivilisation wiedergefunden. Lesson learned.

Abenteuerliche Brücke - Endurowandern in Thailand Doch zurück zur motorisierten landschaftlichen Erkundung der kleinen Provinz des Königreiches. Die Zutatenliste des Straßen- und Wegenetzes in Loei bietet nicht nur für Enduristen alles was das Motorradherz begehrt. Oft warten auch überraschend gut asphaltierte Passstraßen mit feinen Kehren und unzähligen Kurven auf und der Verkehr hält sich dabei abseits der Städte sehr in Grenzen.

Die Liebhaber der Stollenbereifung erwarten darüber hinaus unzählige abenteuerliche Singletracks durch den Dschungel, staubige und zerklüftete Feldwege, Furten, abenteuerliche Brücken und ein ständiges Auf und Ab in den Bergen mit wahrlich atemberaubenden Aussichten.

Bachüberquerung mit Hindernissen - Endurowandern in ThailandUnd das Beste: Neben den gänzlich fehlenden „Durchfahrt Verboten“-Schildern sieht man tatsächlich überall nur strahlende Gesichter und freundliche Menschen. Die Bauern auf ihren leidlich dahinkriechenden Einachsern freuen sich und geben High Five während man sie überholt und dabei leider auch zwangsläufig dafür sorgt, dass sie für hunderte Meter in unseren Staubwolken tuckern müssen. Es wird immer gegrüßt – und wenn man mal einen Finger gezeigt bekommt, ist es nicht der lange Dünne, wie man es von unserem Straßenverkehr gewohnt ist, sondern einen der kleinen dicken. Und zwar immer nach oben.

„Mai Mi Ban Ha“ – alles kein Problem. Die allgemeine thailändische Gelassenheit ist ebenfalls sehr angenehm. Immer locker bleiben scheint hier königlich verordnet zu sein. Was passieren soll, passiert auch. Manchmal etwas früher, meistens etwas später als geplant, aber es wird funktionieren. Darauf ist Verlass. Und auch wenn die Restaurant-Bedienung sich nach der Bestellung erstmal wieder in die Hängematte fallen lässt, um die Augen auszuruhen, funktioniert die Versorgung auf wundersame Weise trotzdem schneller, als in so manchen sogenannten Schnellrestaurants bei uns.

Apropos Versorgung: die thailändische Küche ist durchaus auch für weniger experimentierfreudige Gaumen unkomplizierter als ich dachte. Wichtigstes Vokabular zu Tisch: „Ao maï phèt“ (bitte nicht scharf)! Dann kann eigentlich nichts schiefgehen und es schmeckt einfach immer lecker. Auch wenn der optische Anschein der Zubereitungsstätte und der Gerichte das nicht immer unbedingt erwarten lassen würde.

Radblockade durch Gras - Endurowandern in Thailand Unsere 10-Tagestour war eine Mischung aus Rundreise und Tagestrips. So kamen wir zum einen ganz gut rum und hatten zum anderen auch genügend Tage ohne Gepäck für etwas anspruchsvollere Tracks zur Verfügung. Ein perfektes Gleichgewicht von Endurosport, Sightseeing und Erholung.

Das Gelände und die Topografie bietet für jeden gewünschten Schwierigkeitsgrad mehr als genug Möglichkeiten. Wer hier über- oder unterfordert wird, hat schlicht den falschen Guide bzw. die falsche Gruppe erwischt. Nur während oder kurz nach einem Regenschauer sind die Wege, wenn überhaupt, den (sehr) erfahrenen Enduristen vorbehalten, denn dann verwandelt sich der Lehm auf den Wegen in ein dermaßen rutschiges Etwas, dass selbst Schmierseife, Ölspuren und Glatteis vor Neid erblassen würden, wenn sie denn könnten.

Tempelanlage - Endurowandern in Thailand Für ausgedehnte Straßentouren sollte man, nach meinem Dafürhalten, jedoch grundsätzlich ein gesundes Maß an Übung und Erfahrung auf dem Motorrad mitbringen. Nicht nur der Verkehr an sich ist, auch wenn wir uns darin wohl fühlten, doch etwas „spezieller“ als wir in unseren Gefilden gewohnt sind. Auch augenscheinlich perfekte Straßen können in der nächsten Kurve aus einer spontanen Laune heraus mit einem zwei Meter tiefen Schlagloch aufwarten und die unzähligen in den Straßenverkehr integrierten Hunde, Hühner, Schlangen und manchmal auch Elefanten sorgen für einen erhöhten Bedarf an Konzentration und Reaktionsvermögen. Wer hier beim Fahren noch zu sehr mit sich und seinem Mopped beschäftigt ist, wird eher wenig Spaß an den großartigen Pässen haben.

Alles für's Foto - Endurowandern in Thailand Alles in allem kann ich kaum einen negativen Punkt dieser Destination finden. OK, bei der Erfindung ihrer Schrift und Sprache hätten sie sich für unsere westlichen Ohren und Zungen vielleicht etwas mehr Mühe geben können, aber darüber hinaus hat man in Thailand ein großartiges Gebiet zum entspannten Motorrad fahren. Die Infrastruktur lässt auch in ländlichen Gebieten keine Wünsche offen. Tankstellen und Essensbuden sind auf dem Land durchaus schon mal etwas rustikaler, aber überall ausreichend vorhanden. Was die Netzabdeckung betrifft kann man als Deutscher einfach nur neidisch werden. Eine Prepaid-Karte mit 50 GB Flatrate gibt es am Flughafen für deutlich unter 10 Euro. Auf dem Land vermutlich für die Hälfte.

Ernie Trölf - Endurowandern in Thailand Reiseinfos:

  • Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind außerhalb der klassischen Touristengebiete im Süden des Landes kaum der Rede Wert und relativieren schnell die relativ hohen Ausgaben für die Anreise. Für ein üppiges Mittagessen mit Getränken haben wir im Schnitt ca. 3 Euro bezahlt.
  • Die Hotelstandards sind erwartungsgemäß nicht ganz so hoch, wie bei uns, aber nahe dran. Im Preis-Leistungsverhältnis letztlich sogar eher besser. (3-Sterne mit Frühstück ca. 20 Euro)
  • Die Währung hört auf den Namen Baht und ein Baht entspricht zur Zeit etwa 3 Eurocent. Da auf dem Geld die Königsfamilie abgebildet ist, sollte man in der Öffentlichkeit übrigens einigermaßen pfleglich damit umgehen. Ein Zerreißen, Zerknüllen, Drauftreten oder sonstiges Zweckentfremden der Banknoten kommt nämlich einer Majestätsbeleidigung gleich und damit verstehen die Thailänder keinen Spaß!
  • Die Bargeld-Versorgung vor Ort ist mit den üblichen Kreditkarten an Geldautomaten kein Problem.
  • Unser Veranstalter Aloi, ein ausgewanderter Allgäuer, bietet ein Rundum-sorglos-Komplettpaket aus Übernachtung, Verpflegung, Motorräder und Guide im Ban Aloi Resort. Touren On- und Offroad, Infos gibt es online unter: www.thailand-enduro-sightseeing-resort.com   
  • Die beste Reisezeit ist von November bis Januar.
  • Das thailändische Gesundheitssystem steht unserem in nichts nach – außer, dass das nächste Krankenhaus auf dem Land schon mal ein, zwei Fahrstunden entfernt sein kann. Impfungen werden nicht benötigt. Malaria gibt es kaum noch, schon gar nicht in der eher kühlen Region Loeis.

Für mehr Bilder zur Reise und weitere Geschichten besucht auch Patricks Blog unter www.ernie-troelf.de.