aus Kradblatt 5/18

Text Jogi / penta-media.de
Fotos: Jörg van Senden Bettina Franck, Peter Aansorgh

Drôme • Vaucluse & Alpes-de-Haute-Provence

Endurowandern in Südfrankreich

Der Herbst verwandelte die südlichen Regionen Frankreichs in farbenfrohe Landschaften. Während der Wein bereits geerntet ist und der junge, frische Jahrgang bereits hier und da zur Degustation angeboten wird, stehen die Olivenbäume noch in voller Frucht. Die französische Sonne scheint dazu mit ausreichender Kraft, sodass auch wenn es bei uns bereits ungemütlich zu werden beginnt, tagsüber Temperaturen um die 20 Grad Celsius im Schatten erreicht werden. Dazu azurblauer Himmel, klare Bergluft und kurvige Streckenverläufe onroad sowie offroad. Schöner kann Motorradfahren kaum sein. Danach am Abend mit Freunden gesellig bei einem Glas Wein zusammenzusitzen, die Touren und Eindrücke Revue passieren zu lassen und dabei die französische Küche zu genießen, vollendete unsere Tage in der Drôme perfekt.   

Bequemer: Anreise mit PKW und Trailer Rund 15 Fahrstunden für 1.500 km müssen laut Navi von Norddeutschland aus kalkuliert werden, um das Zielgebiet zu erreichen. Wegen Zeitmangel, sperriger Fotoausrüstung, sowie umfassender Werkzeug- und Ersatzteilsammlung für die Enduros, haben wir die Anreise wieder einmal mit Wagen und Motor­rad­anhänger angetreten. Mit dabei, Tines Honda NC750 S und meine liebgewonnene CRF250 Rallye. Wegen zahlreicher Baustellen, Tempolimits und Ruhepausen brauchten wir für den Hinweg, sowie auch den Rückweg, in summa 26 Stunden. Von den Kilometern und auch der Fahrzeit her ist es dabei fast egal, ob man die französischen Maut-Autobahnen nutzt oder ob man die Landstraßen befährt. Abgesehen davon, dass man neben der Autobahn rund 45 Euro an Mautgebühren pro Weg sparen kann, sind die landschaftlichen Eindrücke kein Vergleich. Den Hinweg haben wir trotzdem über die mautpflichtige Autoroute-du-Soleil gewählt, da die stundenlange Fahrt bei Dunkelheit über die kurvigen, unbeleuchteten Landstraßen und durch die Dörfer sehr anstrengend ist und viel Konzentration vom Fahrer fordert. Auf dem Rückweg sind wir bei Tageslicht den französischen Abschnitt der Strecke über die Dörfer gefahren und wurden dafür mit grandiosen Ausblicken belohnt. Auf zwei Rädern bräuchte man für die Route in etwa die gleiche Zeit. Zwar kann man etwas schneller fahren, aber dafür entfällt die Option des Fahrerwechsels und die notwendigen Ruhezeiten werden länger. Es empfiehlt sich eine Übernachtung auf der Höhe von Freiburg, denn so kann man in Frankreich gut ausgeschlafen am nächsten Tag über die Landstraßen fahren. So macht schon die Anreise Freude, denn der Weg ist bekanntlich das Ziel. 

Unterkunft - Endurowandern in SüdfrankreichUnser Ziel war zunächst die Olivenplantage von Elodie und Xavier Aumage in Buis-les-Baronnies, am Fuße des Bergmassivs Saint Julien gelegen. Der kleine Familienbetrieb bietet gut bezahlbare Appartements an, die zwischen den Oliven- und Quittenbäumen des Hofes liegen. Während Xavier die Plantage bewirtschaftet, kümmert sich Elodie mit viel Liebe und Engagement um die Wünsche ihrer Gäste. Motorradfahrer sind herzlich willkommen. Frühstück und Abendessen können zusätzlich gebucht werden. Wer das nicht möchte, kann sich in der Küche des Gemeinschaftsraumes selber verpflegen oder unten im Ort eines der Restaurants besuchen. Direkt von der Terrasse unseres Appartements aus hatten wir einen tollen Blick auf das Bergmassiv, das insbesondere an den Wochenenden gerne von Kletterern besucht wird. Wir hatten uns für eine Woche eingebucht und uns verpflegen lassen. Elodies Küche, mit vielen frischen Zutaten aus eigenem Anbau oder direkt aus der Region, hat uns sehr gut gefallen. Einiges davon kann man zu angemessenen Preisen in ihrem kleinen Hofladen erwerben. 

Als wir ankamen war unser Freund Jochen Ehlers (Endurofuntours) bereits vor Ort und auch die anderen Tour-Teilnehmer trudelten alle in den darauffolgenden Stunden ein. Alles liebgewonne Bekannte von vorherigen Reisen mit Endurofuntours und somit ein prima eingespieltes Team. 

Bereits wenige Stunden nach der Ankunft erkundeten wir bereits gemeinsam die nähere Umgebung und fuhren mit den Enduros zur kleinen Bergkapelle von Saint Trophine hinauf, um in der Abendsonne den Ausblick über Buis-les-Baronnies zu genießen. 

Regionale Produkte - Endurowandern in Südfrankreich Jochen kennt sich in der Region sehr gut aus und hatte für uns bereits Tages­touren mit optionalen Offroadstrecken vorbereitet. Optionale Offroadstrecken deshalb, weil Tines Maschine nicht wirklich offroad-tauglich ist. Schotterwege sind jedoch durchaus mit der NC750 S befahrbar. Wir haben uns darüber gefreut, denn so verschwendeten wir keine unnötige Zeit mit Suchen und Orientieren. Natürlich sind die Dörfer und Städte in der Region um die Drôme alle mit Asphaltstraßen verbunden. Es gibt aber auch zahlreiche alte und reizvoll zu befahrene Wege abseits der ausgebauten Straßen, die die Orte miteinander verbinden. Einheimische befahren sie gelegentlich mit Geländewagen zur Jagd oder für die Landwirtschaft. 

Endurowandern in Südfrankreich Wer in die Berge hinauffährt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gänsegeier (Gyps fulvus) zu sehen bekommen, die seit 1968 durch Auswilderung von 148 Vögeln in den Voralpen wieder ansässig sind, nachdem sie in den 1940er Jahren fast ausgerottet wurden. Sie nutzen die vorhandene Thermik und gleiten mit ihren Flügeln, die bis zu 2,80 m Spannweite erreichen können, ohne Flügelschläge majestätisch durch die Lüfte. Der Bestand in Frankreich liegt heute in etwa bei 110 Brutpaaren.

Die Landschaft ist abwechslungsreich. Einerseits ist sie durch die Gebiete der Naturparks nahezu unberührt, mal felsig, mal bewaldet und anderseits durch den Anbau von Wein, Oliven, Lavendel und Obst geprägt. Die daraus gewonnenen Produkte werden überall direkt vertrieben. Die der größeren Hersteller bekommt man auch in den Supermärkten. Zu den regionalen Spezialitäten gehören auch Kräuter und Honig. Lavendel-Honig und Thymian-Honig haben hier ein unvergleichliches Aroma. Unterwegs haben wir vereinzelt die Bienenkästen der Imker entdecken können. 

Die kleineren Dörfer und Städte mit ihren schiefen Natursteinhäusern und verwinkelten Gassen strahlen Ruhe und Gelassenheit aus. Man könnte meinen, dass hier die Zeit zumindest ein wenig stehengeblieben ist. Besonders gut gefallen haben uns Pierrelongue und seine Kapelle Notre Dame de la Consolation, Mollans-sur-Ouvèze mit seinen bunten Fensterläden und liebevoll bepflanzten Balkonen, sowie Brantes mit seinen serpentinenreichen Straßen.

Kleine Degustation - Endurowandern in SüdfrankreichZu den größeren Städten des Departements Drôme mit knapp 6.700 Einwohnern gehört Nyons. Wegen des hohen Bekanntheitsgrades werden viele Produkte deshalb mit dieser Stadt namentlich in Verbindung gebracht, insbesondere Lavendel (Lavande de Nyons) und Olivenöl (Huile de Nyons), dessen Herkunft mit der Bezeichnung AOC garantiert wird. Die Weine tragen die Bezeichnungen Appellation Drôme, Méditerranée, Côtes du Rhône oder Côtes du Rhône Villages. Sie sind leicht trinkbar und passen hervorragend zur französischen Küche. Man sollte für Nyons mindestens einen Tag einplanen, denn es gibt viel zu sehen. Neben den historischen Gebäuden und Museen, kann man eine Lavendel-Destillerie besuchen. Nein, hier wird kein Schnaps hergestellt. Durch Dampfdestillation werden dem Lavendel die Aromastoffe entzogen, die später Seifen, Cremes, Parfums, Ölen und anderen Kosmetikprodukten ihren Duft verleihen. Auch in kalorienreichen Leckereien findet sich das Lavendelöl wieder.  

Endurowandern in SüdfrankreichDie Franzosen begegnen den Touristen überall sehr freundlich und aufgeschlossen. Auch mit den deutschen Gästen haben sie in der Regel keine Probleme mehr. Die Generation, die im Krieg unter der deutschen Besetzung 1940 und danach stark gelitten hat, ist nahezu ausgestorben. Inzwischen lebt man hier Europa und die jüngeren Generationen kommunizieren entgegenkommend auf Englisch oder Deutsch, wenn sie merken, dass es an Französischkenntnissen hapert. Wir hatten viele nette Gespräche mit Einheimischen, die sich häufig für unsere Motorräder interessierten und nicht selten selber Motorradfahrer waren.

Wer sich für Burgen und Schlösser begeistern kann, wird in der Drôme schnell fündig. In Grignan befindet sich ein wunderschöner Renaissancepalast und in Suze-la-Rousse und Adhémar/ Montélimar gibt es trutzige, mediterrane Châteaus zwischen den Weinbergen zu besichtigen.

Nicht weit entfernt von unserer Unterkunft im südlich gelegenen Departement Valcluse, liegt der der 1909 m hohe Mont Ventoux. Natürlich haben auch wir es uns nicht entgehen lassen, uns über unendliche Serpentinen bis zum Gipfel hinaufzuwinden und den Ausblick zu genießen. Während es im unteren Bereich noch angenehm warm ist und die Laubbäume in bunten Herbstfarben leuchten, ist die Vegetation weiter oben recht karg und es wird empfindlich kalt. Ein Pullover extra kann nicht schaden. Nur die aufgeheizten Rennradfahrer merken das nicht. Von denen gibt es auf den Strecken zum Gipfel sehr viele. Vorsicht ist geboten, denn zumindest abwärts fahren sie mit enormer Geschwindigkeit, manchmal sogar schneller als die Motorradfahrer. Die permanente Anwesenheit der Rettungsdienste ist kein Zufall. Wir haben die Anfahrt über die westliche Route über Malaucène zum Mont Ventoux genommen, da man dort sehr schön eine Kaffeepause einlegen und beobachten kann, wie sich die Rennrad- und Motorradfahrer für die Erstürmung des Gipfels sammeln und rüsten. 

Endurowandern in SüdfrankreichKeine 30 km Luftlinie von Malaucène entfernt befindet sich die Weinanbau-Domaine Châteauneuf-du-Pape. Für Wein-Liebhaber ist der Besuch sicherlich ein Erlebnis, wenn auch ein relativ teures. Wer keinen Wert auf große Namen legt, braucht hingegen nicht lange zu suchen um in der Region einen Winzer zu finden, der hervorragende Weine auch zu günstigeren Preisen anbietet. Degustationen werden gerne angeboten. Wir haben nicht lange gesucht und im Nachbarort von Buis les Baronnies, in Sainte Jalle, der Domaine-du-Rieu-Frais einen spontanen Besuch abgestattet, um uns ein wenig über die Weine und ihre Herstellung und Lagerung erzählen zu lassen. Dumm nur, dass sich Motorradfahren und Alkohol schlecht vertragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man nicht die eine oder andere Flasche als Souvenir mitnehmen darf, um sie später gemütlich daheim vor dem Kamin zu genießen und an die schönen Tage in der Drôme zurückzudenken. 

Die Region ist natürlich nicht nur im Herbst ein Reisetipp, auch im Frühjahr und Sommer hat man als Motorradfahrer dort viel Spaß – On- und Offroad!

Info-Links zu Reise & Region:
www.endurofuntours.com
www.ladrometourisme.com