aus Kradblatt 11/14
von Jogi / penta-media.de

 

ELMO – das Azubi-Elektromotorrad der Hambuger Hochbahn

ELMO mit stolzem Azubi-Team 2014Wer denkt bei Elmo nicht zuerst an das freundliche, rote Zottelmonster aus der Sesamstraße? Umso erstaunter schauten wir aus der Wäsche als wir, nach dem Upload der Fotos vom letzten Hamburger Stadtpark-Revival auf den Server, folgenden Kommentar aus der Redaktion bekamen: „Hey, ihr habt ja Elmo geschossen“.
Nein! Nie würden wir auf unsere Freunde aus der Sesamstraße schießen! Die Sache erklärt sich jedoch einfach. Elmo ist die Abkürzung für Elektro-Motorrad. Ohne es bewusst wahrgenommen zu haben, hatten wir den Infostand der Hochbahn fotografiert, an dem das spannende Motorrad dem Publikum präsentiert wurde. Fixiert auf die Suche nach besonders schönen Oldtimern, hatten wir dieses zukunftsweisende Projekt völlig übersehen. Das haben wir nun nachgeholt und der Hochbahn und Elmo einen Besuch abgestattet.

Elmo ist ein Azubiprojekt der Hochbahn, das u.a. dazu dient, Jugendliche zu Elektronikern für Geräte und Systeme auszubilden. Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die Hochbahn in Zukunft den öffentlichen Nahverkehr mit Elektro-Motorrädern bedienen wird. Das Projekt ist jedoch sehr gut geeignet, die Azubis zu begeistern und mit der Technik vertraut zu machen, die in gar nicht ferner Zukunft in den Elektro-Bussen der Hochbahn zum Einsatz kommen soll. Die aktuellen „Sauber-Busse“ mit Brennstoffzellenhybrid-Technik sind bereits seit 2010 auf den Straßen unterwegs. Das 1911 gegründete Unternehmen hat sich vorgenommen, ab 2020 nur noch umweltfreundliche und emissionsfreie Busse anzuschaffen. Auch die bei Elmo gewonnenen Erkenntnisse sollen ihren Teil dazu beitragen, die Technik dafür zu optimieren.

ELMO gestripptAusbildungsmeister Christian Häcker stellte uns Elmo und das zur Zeit an diesem Projekt arbeitende Azubi-Team vor. Die Studie wurde bereits 2012 begonnen und soll über fünf Jahre hinweg die Azubis fördern und Erfahrungswerte für das Unternehmen liefern.

Als Basis für das Elektro-Motorrad wurde eine Cagiva Mito ausgewählt. Die italienische 2-Takt 125er wurde von 1989–2011 gebaut und stammt aus der Feder des 1943 in Rimini geborenen Desig­ners Massimo Tamburini. Die Ähnlichkeit der Mito (ital. Mythos) mit seinem Meisterstück, der legendären Ducati 916, ist unverkennbar. Die kleine 125er Maschine leistete in ihrer ungedrosselten Variante beachtliche 30 PS. Da auch die Bremsen und das Fahrwerk für diese Motorkraft in der Leistungsfähigkeit angepasst sein mussten, stellt die Cagiva eine sehr gute und nicht zu gewichtige Basis für den Aufbau eines Elektro-Motorrades, in einer außerdem noch wunderschönen Hülle dar. Massimo Tamburini verstarb am 6. April diesen Jahres in San Marino. Seine eleganten Entwürfe werden uns fehlen.

ELMO E-Motor vom GabelstaplerIm ersten Arbeitsschritt wurden der Cagiva Motor und Getriebe entnommen. Stattdessen implantierten die Hochbahn-Azubis einen 5 kW leistenden Elek­tromotor aus einem Gabelstapler, der seine Kraft über eine Kette an das Hinterrad überträgt. Der mit 48 Volt laufende Motor wurde im ersten Versuch mit Strom aus handelsüblichen Blei-Gel-Akkus gespeist. Diese wurden inzwischen gegen 8 hintereinander geschaltete Lithium-Eisenphosphat-Akkus ausgetauscht, wie sie auch in anderen Elektro-Motorrädern und Rollern derzeit üblich sind. Der Vorteil liegt in der höheren Kapazität, dem geringeren Gewicht und einer schnelleren Aufladung ohne Memory-Effekte. Die Ladezeit beträgt nur drei Stunden. Der Elektromotor deckt den gesamten Drehzahlbereich ab, so dass kein Getriebe und auch keine Kupplung notwendig sind. Zur Steuerung der Leistung wird der dem Motor zugefügte Strom getaktet. So wird nicht wie bei der elektrischen Eisenbahn langsam die Spannung erhöht, sondern sofort die vollen 48 Volt angelegt, aber eben immer nur in Impulsen. Je breiter die Impulse sind, desto mehr Leistung kann der Motor entfalten. Im Fachjargon nennt sich diese Technik Pulsweitenmodulation. Die Steuerungseinheit haben die Azubis selber gebaut und sind im Moment mit der Platinen-Herstellung zur Verfeinerung des Modulaufbaus beschäftigt.

ELMOElmo ist voll funktionstüchtig. Alle für den Straßenverkehr notwendigen Elemente sind vorhanden, aber die Straßenzulassung fehlt vorläufig noch. Um die Azubis nicht mit allen noch ausstehenden Verbesserungen zu überfordern, geht Ausbildungsmeister Häcker schrittweise an die Weiterentwicklung heran. So sollen die alten Tachoinstrumente bald gegen einen kleinen TFT-Bildschirm getauscht werden und auch an der Regenbeständigkeit muss noch gearbeitet werden. Eine Rekuperationsfunktion zur Energierückgewinnung beim Bremsen und Ausrollen, steht ebenfalls noch auf der Wunschliste.

Zur Krönung unseres Besuches bei der Hochbahn durften wir eine kleine Probefahrt auf dem betriebseigenen Gelände machen, denn wie schon erwähnt, fehlt noch die Straßenzulassung.

Nach der Betätigung einiger Schalter ist Elmo fahrbereit. Man braucht lediglich am Gasgriff zu drehen um Fahrt aufzunehmen. Die Fahrt im Schritttempo ist sehr gut dosierbar und absolut frei von irgendeinem Geruckel, besser sogar, als bei manchem konventionellen Bike. Dreht man den Griff kräftiger, zeigt Elmo was mit „St. Elmos Fire“ gemeint ist. Vehement und geräuschlos stürmt das Elektro-Motorrad mit unerwarteter Kraft voran. Das Beschleunigungsvermögen ist enorm. Elektromotoren entfalten sofort ihr Drehmoment und brauchen dafür keine Drehzahl. Natürlich konnten wir auf dem Betriebsgelände nicht annähernd ausprobieren, was in Elmo steckt. Ein Azubi berichtete jedoch von einer bereits erreichten Geschwindigkeit von 80 km/h. Bei dem Anzug glauben wir das gerne. Alles andere ist nicht weiter erwähnenswert, da es gute, erprobte Cagiva-Technik ist.

ELMO-MitoWir möchten auch zum Ende des Artikels eigentlich keine Grundsatzdiskussion aufmachen, ob die Elektromobilität der Weisheit letzter Schluss ist. Solange der Strom mit CO2 und Feinstaub verschleudernden Braunkohlekraftwerken oder unverantwortlichen Atomkraftwerken erzeugt wird, bleibt jedoch ein Zweifel. Keiner hat einen Plan davon, was mit dem Atommüll passieren soll. Die alternativen, klimaneutralen Möglichkeiten, die uns Wind, Wasser und Sonne bieten, zeigen den richtigen Weg auf. Vor zehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass deren Anteil an der Deutschen Gesamtstromerzeugung im ersten Halbjahr 2014 bei bereits erfreulichen 31 % liegen würde. Auf jeden Fall wird die Elektromobilität in der Zukunft eine immer größere Rolle als Alternative zu konventionellen Antriebskonzepten einnehmen, auch wenn das Nutzungsprofil durch die Aufladungszeiten der Akkus und die noch immer zu geringen Reichweiten reiner E-Fahrzeuge mit Einschränkungen verbunden ist.
Die Hochbahn, Christian Häcker und seine Azubis und natürlich Elmo werden ihren Teil dazu beitragen, die Elektromobilität alltagstauglich zu machen.