aus Kradblatt 2/19, von Silke Neumann

Im Winter mit zwei Motorrädern ans Nordkap …

Eisreise - eine eiskalte Hochzeitsreise  

Das Thermometer zeigt -26 °C. Es ist Anfang Januar, ich bin in der Mongolei und muss den ganzen Tag draußen arbeiten. Und würde doch lieber den ganzen Tag draußen Motorrad fahren. Bei -26 °C, richtig gelesen. Denn vor genau 2 Jahren waren wir heute auf dem Rückweg vom Nordkap. Auf zwei Motorrädern und bei noch kälteren Temperaturen.

Eisreise - Reisevorbereitung: Spikes einschrauben Was so verrückt klingt, war unsere Hochzeitsreise. Und alles nur, weil ich noch nie am Nordkap war und gerne mal mit Spikes in den Stollen im Schnee spielen wollte. Wie schön der wirklich hohe Norden Europas im tiefsten Winter ist, konnte ich mir nicht im Geringsten vorstellen, mir ging es zunächst nur um den Fahrspaß.

Doch zuvor hatten wir ganz schön viel Schrauber-Spaß in der Garage. Unsere Motorräder, eine Suzuki DR350S mit Kickstarter von 1993 und eine Yamaha XTZ750 Super Ténéré von 1992 mussten für den heißen Ritt ins Eis umfangreich vorbereitet werden. Das Wichtigste: Zusatzscheinwerfer, denn die meiste Zeit fuhren wir im Dunkeln. So, wie im Sommer die Sonne „dort oben“ nie untergeht, so geht sie im Winter nicht auf. Auch wichtig: das richtige Öl. Aus dem Internet verglichen wir die Wetterdaten vergangener Jahre und beschlossen: bei -30 °C muss das Öl noch pumpfähig sein – und das kann nicht jedes Öl! Und dass -30 °C nicht das untere Ende unseres Reisethermometers darstellen würden, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Je besser das Öl, desto geringer das Risiko für einen Motorschaden!

Eisreise - Motorradfahren fahren auf Eis und Schnee Wir lasen viele Reiseberichte und sprachen mit vielen Motorradfahrern, die sich auch schon im Winter zum Nordkap aufgemacht hatten. Die meisten hatten allerdings ein Gespann und die Meinung, dass wir es mit Solomotorrädern niemals und wenn, nur mit vielen Stürzen schaffen würden. Wir lernten: je mehr Spikes, desto besser. Also schraubte ich in zwei langen Nachmittagen 473 Spikes in die Stollenreifen. Das und eine größere Portion Fahrkönnen hat dazu geführt, dass wir beide auf 3500 km wirklich sturzfrei blieben.

Eisreise - beheizte Bekleidung Für die Motorräder war nach vielen schönen Wochen in der Garage irgendwann alles Mögliche getan und auch unsere persönliche Ausrüstung wurde verfeinert: wer bei -30 °C plus Windchill den ganzen Tag unbeweglich auf dem Motorrad sitzt, kühlt aus. Unsere altbewährten Winteroveralls reichten da nicht aus. Wir beide können auf viele Winterkilometer und unzählige Erfahrungen in Eis und Schnee zurückblicken und jedes Motorrad hatte andere technische Voraussetzungen, sodass jeder seine eigene Variante fand, um ohne Kälteschäden durch die Eiswelt Skandinaviens zu fahren: beheizte Einlegesohlen und Heizwesten mit Akkus oder über Bordnetz, Heizvisier und warme Pfoten durch Heizhandschuhe oder Heizgriffe. Dazu Yakwollsocken aus der Mongolei und Schurwollkniewärmer von Oma und die Fahrt konnte los gehen.

Eisreise - am NordpolarkreisUnd sie ging so ganz anders los, als gedacht: als wir in Helsinki von der Fähre rollten, begrüßten uns Plusgrade. Da man die voluminösen Klamotten schlecht im Reisegepäck verstauen kann, waren die ersten beiden Fahrtage schweißtreibend. Doch weil wir wie mit dem Lineal gezogen gen Norden fuhren, fielen bald die Temperaturen angenehm unter den Gefrierpunkt und auch unsere Spikes bekamen Eis und Schnee zu greifen. Wir beschlossen, nur kleine Nebenstraßen zu fahren. In Skandinavien darf man so oder so nur 80 km/h fahren und da ist die Wahl der Straße zunächst einmal egal. Weil auf den größeren Straßen jedoch die LKWs fahren und diese viel Schnee aufwirbeln und man so vom Gegenverkehr ständig eine weiße Wand vor das Visier geklatscht bekommt, sind die kleinen Straßen einfach besser. Und viel schöner: märchenhafte Winterlandschaft inklusive!

Eisreise - Streckenplanung im Warmen In den ersten beiden Tagen auf Eis und Schnee meldete das Gehirn ständig „Achtung! Achtung!“, weil man ja jahrelang gelernt hat: weißer, glitzernder und spiegelglatter Untergrund mit dem Motorrad ist nicht gut, gar nicht gut. Doch das Gehirn lernt dazu und schon wurde aus „Gefahrenmeldung“ absoluter Fahrspaß. Denn der Untergrund wechselte ständig. Mal fuhren wir auf weichem, mal auf festem Schnee, manchmal versteckten sich fiese Spurrillen aus Eis darunter, wir lernten „black ice“ und Tiefschneefahren kennen. Und wir lernten, dass das Wetter sich nicht an Wetterstatistiken hält und dass aus -30 °C schnell auch -37 °C werden können: „Es ist wun-der-schön! Leider auch bit-ter-kalt, denn mit jedem Höhenmeter fällt die an sich schon frostige Temperatur noch tiefer. Letztendlich fällt sie auf -36,7 °C. Meine DR350 will nicht mehr so recht und Jan hat mit seiner Super Ténéré ebenfalls Mühe. Bei -37 °C scheinen wir trotz Additiven an der Grenze der Vergasermotoren angekommen zu sein, denn beide lassen sich nur mit Gewalt, viel Drehzahl und konstantem Gas am Laufen halten. Insbesondere bei der kleinen Suzuki liegen die Tankhälften, die metallenen Benzinhähne und der Vergaser recht exponiert im Fahrtwind. Bei 80 km/h Geschwindigkeit und -37 °C Außentemperatur ergibt dies durch den Windchillfaktor eine gefühlte Temperatur von -88 °C! Ich vergebe der kleinen DR, habe aber nun wirklich keine Lust, sie hier oben stehen zu lassen. 

Eisreise - Reparatur im 5 Grad "warmen" Tunnel Ich vertraue dem guten Putoline-Öl und gebe der Kleinen die Sporen, ziehe an Jan vorbei, treibe sie über das Fjäll, damit ja nicht der Motor abstirbt. Es ist urplötzlich surreal und völlig verrückt: Die Motoren stottern, die Kälte zieht in die Klamotten, unsere diversen elektrischen Helferlein laufen auf Volldampf, angespannt sitzen auch wir hochkonzentriert auf den Motorrädern, die Gedanken beschäftigen sich mit der Technik. Startet der Motor wieder, sollte er ausgehen? Lieber nicht ausprobieren, keine Fotostopps mehr, keine Pipipause, Gang runter, Hahn auf, Drehzahl ist alles! 

Eisreise - ein eiskalter Traum … Ganz alleine fahren wir über das eisige und unwirtliche Fjäll, bis zum Horizont kein Fahrzeug. Aber ist es nicht das, was wir wollten, weswegen wir hier sind? Ist es nicht das Abenteuer, was wir suchten, die körperliche Herausforderung? Der Seitenwind fährt mir in die Flanke, im Rückspiegel sehe ich die Scheinwerfer der Super Ténéré kurz schlingern. Jan holt auf! Wie lange müssen wir eigentlich über diese Hochebene? Wie lange muss ich die kleine DR so quälen, mit Gewalt ihr kleines Motörchen am Leben halten? Wie lange noch über das Fjäll preschen?“ (Auszug aus dem Buch „Eisreise“ ISBN 9 789949 819560)

Mehr Informationen, Buchbestellung & Termine:

Wer weitere Details zu Additiven, Umrüstung der Motorräder auf LED Beleuchtung, Zusatzausrüstung für Winterfahrten, Elektrik, Kettenschmierung und viele Wintertipps lesen möchte, besucht die Webseite der Reise: www.eisreise.wordpress.com Dort kann man auch nachlesen, wie sich welches Equipment auf der Extremtour bewährt hat.

Die volle Eispackung des coolen Abenteuers gibt es als Buch für nur 14,95 € bei Amazon oder von
Januar bis März 2019 bei Multivisionsshows. Karten und weitere Infos unter www.travelove.org/termine/. Auch als e-book ist die Eisreise <hier> verfügbar. 

Das abenteuerlustige Hochzeitspaar befindet sich zur Zeit auf Motorrad-Weltreise mit „open end“ und berichtet in Videos und Blogbeiträgen von ihrer „endlosen“ Reise unter www.motorradreise.blog.

Ihr findet die beiden außerdem auf Facebook, Instagram und bei YouTube.