Reise-Enduro auf Speed

aus Kradblatt 2/25 von Carmen & Uwe Langhans

Tolle Fotos Dank der Drohne "Stasi"
Tolle Fotos Dank der Drohne „Stasi“

Seit vielen, vielen Jahren will ich ans Nordkap. Und als Uwe mich gefragt hat, wohin ich fahren möchte, wenn ich 35 Tage am Stück Urlaub hätte, war der Satz „Ich will ans Nordkap“ schneller draußen, als ich denken konnte.

Und ich dachte, ich hör’ nicht richtig und fragte daher nach: „Nordkap? Mit dem Motorrad?“ Carmen sah mich an, als wenn ich nicht alle Latten am Zaun hätte.

„Natürlich mit dem Motorrad, wie denn sonst?“, war die Antwort.
„Aber weißt du eigentlich, wie weit das ist?“
„Nö, aber wir haben dann ja Zeit genug.“

Und Zeit war tatsächlich nicht das größte Problem. Sie hatte ein halbes Sabbatjahr und ich bin Internetnomade und benötige zum Arbeiten nur einen guten Internet-Anschluss – und den gibt es (außer in Deutschland) überall in Europa. 

Wir waren bisher jedes Jahr mit unseren Motos unterwegs. Carmen mit ihrem „Tiejscher“, einer Triumph Tiger 800 und ich mit meiner BMW F 650 GS namens „Elisabeth Eintopf“. Italien, Österreich und die Schweiz hatten mit den Jahren etwas an Reiz und Anziehungskraft verloren. So bot die endlose Weite Norwegens eine gute Alternative und ich machte mich an die Planung.

Nordkap - Das Ziel fest im Blick
Nordkap – Das Ziel fest im Blick

Schon lange bevor ich mit 50 meinen Motorradführerschein gemacht habe, war das Nordkap ein großer Traum von mir. In den darauffolgenden Monaten habe ich Berichte und Reportagen von anderen Reisenden gesehen und gelesen. Überall war Nordkap. In der Zeitung, im Internet oder im Fernsehen. Aber das kennt man ja, wenn man selbst schwanger ist, sieht man überall andere Schwangere. Und dann war es endlich soweit. Es ging ins Land meiner Träume. Einmal den Globus am Nordkap anfassen.

Faszinierende Landschaften
Faszinierende Landschaften

Um mehr Zeit in Norwegen zu verbringen, fahren wir untypischerweise nicht übers Land, sondern über die Autobahn bis zur Fähre in Hirtshals. Mit einer angenehmen Reisegeschwindigkeit von 120 km/h steuern wir unserem Ziel entgegen. Leichter Niesel und strahlender Sonnenschein wechseln sich genauso ab, wie wir an der Führungsposition. 

Kurz nach der dänischen Grenze beklage ich mich bei Uwe, dass meine neue Panamericana von Modeka doch nicht so wasserdicht ist, wie angenommen. Ich bin bis zur Unterbüx durchnässt. Später stellt sich heraus, dass ich mein Regen­inlay tatsächlich verkehrt herum eingesetzt habe. Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe, aber ich scheine aufgeregter als sonst zu sein. Ein Moccachino – die dänische Kombi aus heißer Schokolade und Espresso tröstet mich über meine nasse Büx hinweg und wir tuckern der Fähre entgegen. 

Schauten wir sonst in Österreich/Italien ein wenig neidisch auf die kurzen Anfahrtszeiten der Bayern, haben diesmal die Nordlichter den besseren Abfahrtspunkt. Wer in Bremen um 8 Uhr startet, hat 12 Stunden später mit der Fähre in Kristiansand übergesetzt und schläft die Nacht schon in Norwegen. 

Am nächsten Tag fahren wir gut ausgeruht über Skien in Richtung Oslo. Es nieselt mal mehr, mal weniger. Carmen hat das Inlay ihrer Jacke nun richtig eingehängt und bleibt ab jetzt trockener.

Obwohl wir quasi Autobahn fahren, ähnelt die E6 in Norwegen mehr den je einer schönen deutschen Bundesstraße. Links und rechts säumen Wälder oder Seen unseren Weg. Flüsse mit riesigen Felsen im Flussbett begleiten uns oft kilometerweit. Es regnet mittlerweile meist mehr als weniger und so freuen uns, als wir auf eine Tunnelanlage in Oslo zufahren – um dann keine 30 Meter weiter im Tunnel im Stau zu stehen. Stau mit dem Motorrad ist ja so schon blöd, kann aber gesteigert werden, wenn er in einem Tunnel stattfindet. 

Mit Elchen ist zu rechnen
Mit Elchen ist zu rechnen

Allerdings gibt es in Norwegen mittlerweile viele E-Autos und so fällt das Atmen viel leichter als befürchtet. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit verlassen wir die Tunnelanlage und fahren Richtung Dombås. Die Wetterlage zeigt uns für die nächsten Tage kein Zeltwetter und so beschließen wir in eine Art Jugendheim in Dombås zu nächtigen. 

Während das Jugendhaus in Dombås den Charme der 70er versprühte, waren die Preise dafür definitiv aus dem 21. Jahrhundert. Doch an die norwegischen Preise würden wir uns noch gewöhnen müssen.

Die leichten Abstufungen: Dichter Nebel, Niesel oder leichter Regen wurden heute auf der Fahrt in Richtung Grong einfach übersprungen. Es regnet, aber richtig. 

In der Nähe von Trondheim müssen wir die E6 verlassen, da auf der Strecke ein Tunnel mit Wasser vollgelaufen war und nun gesperrt wurde. 

Gegen Nachmittag hört es endlich auf zu schütten. Und während wir uns darüber freuen, steht plötzlich mitten auf einer Wiese am Straßenrand ein Elch. Uwe wendet und es gelingen ihm, einige Aufnahmen vom flüchtenden Elch zu machen. Elche dürfen leider in Norwegen gejagt werden und so sind die großen Tiere sehr scheu geworden und kaum noch zu sehen.

Wir fahren weiter und es fängt natürlich wieder an zu regnen. Tief gebeugt über unsere Motorräder kommen wir nach 400 km bei durchschnittlichen 8 Grad in Grong an. Wir haben immer noch keine Lust bei dem Wetter zu zelten und fragen in dem einzigen Hotel nach einem Zimmer. Unsere nassen Klamotten waren keine gute Verhandlungsposition beim Zimmerpreis. Doch da ahnten wir noch nicht, dass ein Bier für neun Euro nicht das Ende der Preispolitik in Norwegen ist. Die Pizza am Straßen-Imbiss kann auch mal locker über 24 € kosten, der Burger ebenfalls.

Lehrgeld: 16 km/h drüber kosten mal eben 580 €
Lehrgeld: 16 km/h drüber kosten mal eben 580 €

 Am nächsten Tag ging es weiter nach Rognan. Damit wir uns nicht umgewöhnen mussten, regnete es. Also frühstücken wir erst einmal gemütlich und werden belohnt. Es regnet nicht mehr. 

Norwegen ist sooooo schön
Norwegen ist sooooo schön

Bei 8–10 Grad tuckern wir übers Land. Die E6 ist mittlerweile eine kleine asphaltierte Straße geworden, die durch eine wunderschöne Landschaft führt. 

Und dann hört es endlich auf zu regnen und die Sonne kommt hervor. Norwegen zeigt sich von seiner schönsten Seite. Das entschädigt für die letzten Regentage. Die Sonne wärmt uns und wir betrachten während der Fahrt argwöhnisch die Schafe, die sich rechts und links auf dem Asphalt der Straße ebenfalls sonnen. Doch sie bleiben selbst dann noch liegen, wenn große LKW oder Wohnmobile mit 70 km/h an ihnen vorbeirauschen. Erst wenn man anhalten will, um ein Foto zu machen, stehen sie genervt auf und verlassen blökend die Fahrbahn.

 Gegen Mittag nähern wir uns am fünften Tag dem Polarkreis. Am Arctic Circle Center machen wir halt und kaufen gefühlt den Souvenirshop auf. Nach einer ausgiebigen Pause fahren wir weiter. „Gleich sind wir am Nordkap“, denk ich. Doch das ist ein Irrtum. Es sind noch weitere fünf Tage bis dahin. Norwegen ist doch ein sehr großes und sehr langes Land.

Natürlich bleibt das wechselhafte Wetter. Es wechselt zwischen Niesel und Regen. Und Handschuhe und Schuhe fangen an, aufzugeben. Uwe steigt morgens mit seinen Socken erst in eine Plastiktüte und dann erst in seine Daytonas. Die Erfahrung zeigt: Irgendwann gibt das meiste Material auf. Alle Handschuhe und Schuhe bekommen bei tagelangem Dauerregen Probleme. 

Die Strecke wird landschaftlich immer schöner. Nun verstehe ich die Schwärmerei der Menschen, die vor mir schon in Norwegen waren. Die eindrucksvollsten Bilder, macht unsere Drohne „Stasi“. Sie zeigt die große Weite und Schönheit Norwegens. Doch heute haben wir auch den ersten „Tunneltag“. Nicht, dass wir bis dahin keine Tunnel durchfahren haben, aber nun häufen sie sich extrem. Dabei sind 5–7 km Tunnellänge in Norwegen eher normal. Oft befinden sich mitten in den Tunnelanlagen kleine Dome, die blau angestrahlt werden. So wird in den längeren Tunneldurchfahrten für ein wenig Abwechslung geboten. Den längsten Tunnel mit 14,4 km durchquerten wir bei Stavanger. 

Am Polarkreis
Am Polarkreis

Neben Tunneln gehören auch Fähren zum normalen Straßennetz Norwegens. Jede dieser Mini-Kreuzfahrten entschleunigt uns weiter. Zeit wird relativ. Und dann entdecken wir ein Relikt aus der Anfangszeit der Tankstellen. Man hat das Gefühl, in den 1950ern zu sein. Natürlich machen wir ein Postkartenfoto. 

Wildcamping auf der Rückreise
Wildcamping auf der Rückreise

Wir fahren am nächsten Tag weiter Richtung Nordkap. Die Dimensionen in Norwegen sind einfach anders. Egal ob Berge, Fjorde, Wasserfälle, Brücken oder Tunnel. Alles ist unglaublich groß und gewaltig. Und dann befinden sich mitten auf den Parkplätzen Verkaufsbuden von den Samen. Hier wird allerlei nützliches oder unnützes angeboten. Carmen findet, dass warme Socken nie schaden können und die bereichern ab jetzt einen meiner Seitenkoffer. 

Die Landschaft übertrifft sich jeden Moment. Es ist unglaublich, was wir auf der Strecke links und rechts zu sehen bekommen. Je weiter wir Richtung Norden fahren, je öfter sehen wir am Straßenrand Rentiere statt Schafe.

Und dann ist es endlich soweit. Heute werden wir das Nordkap erreichen. Das Ziel meiner Träume.

Rund 100 km vor dem Nordkap wird das Wetter wieder schlechter. Na toll. Die letzten 40 km werden noch mal eine Herausforderung. Bei gefühlten 2 Grad erreichen wir unser Ziel, den letzten Campingplatz 19 km vor dem Nordkap. Das Wetter ist wirklich nicht auf Weiterfahrt eingestellt. Doch die beste Ehefrau von allen drängelt und bettelt so lange, bis wir nach einer halben Stunde doch wieder auf unsere mittlerweile abgepackten Motos steigen und losfahren. 

Happy wife - happy life
Happy wife – happy life

 Nur noch 19 km trennen mich vom Globus. Es regnet immer mehr und Nebel kommt auf – oder sind es tief hängende Wolken? Wir sehen fast nichts. Uwe fährt irgendwo kurz vor mir. Die Sicht liegt auf der Anhöhe zwischen fünf bis zehn Meter und wir tasten uns langsam voran.

 Am Parkplatz angekommen, parken wir die Motos. Wir können fast nichts erkennen. Aus dem Wind ist Sturm geworden. Der Wind heult und der Regen peitscht uns ins Gesicht. Fotos gehen nicht. Aber dafür kommen wir dann morgen wieder. Und dann stehe ich endlich am Globus. Der Sturm, der Regen, der Nebel, alles – wirklich alles ist mir in diesem Moment egal. Ich bin da und ich bin einfach nur glücklich. 

Carmen & Uwe Langhans haben ihre Nordkap Tour auch auf ihrem YouTube-Kanal  Moinmotos“ veröffentlicht und sind zudem unter www.moinmotos.de zu erreichen.