aus bma 08/07

von Jörg van Senden

Ein Tag an der Schlei...Morgens halb zehn in Deutschland. Genau genommen in Hamburg. Das Wetter ist sonnig und der Wetterbericht im Internet verspricht eine Regen-Wahrscheinlichkeit von nur 10 %.
Nur eine Stunde später steht meine Yamaha mit allem, was man für eine Tagestour benötigt, gepackt und voll getankt vor der Garage.
Auf geht’s! Da heute Abend ohnehin Treffen beim befreundeten „Biker-Union” Stammtisch Schleswig ist, beschließe ich eine Tour um die Schlei herum zu machen.
So wusele ich mich über die Dörfer bis Kaltenkirchen, um anschließend etwas zügiger Kilometer auf der A7 Richtung Flensburg zu machen.
Das Wetter hält, was die Vorhersage versprochen hat. Sogar auf der Rendsburger Brücke, die über den Nord-Ostsee-Kanal führt, ist weiterhin klare Sicht. Das ist ein gutes Zeichen, denn dieser Punkt ist als Wettergrenze bekannt.

 

Kurz vor zwölf verlasse ich die Autobahn an der Abfahrt Schleswig-Jagel und nehme Kurs auf Schleswig. Bald kommt schon der Wiking-Turm in Sicht und dahinter Schloß Gottorf, in dem sich auch das Landesmuseum befindet. Sicherlich ist das auch einen Besuch wert, aber dazu habe ich heute keine Lust.
Ein Tag an der Schlei...Ich biege kurz vor Schleswig rechts ab und fahre in Richtung Haitabu. Dort wurde vor einigen Jahren eine Wikingersiedlung ausgegraben. Die Archäologen haben viele alte Gebrauchsgegenstände, Knochen, Schmuck, Waffen und sogar die Reste eines nordischen Langbootes gefunden. Diese sind mit vielen interessanten Informationen für vier Euro in mehreren, Schiffsrümpfen nachempfundenen Gebäuden zu besichtigen. Sicherlich eine interessante Sache, nicht nur für die Kradler, die ohnehin schon eine Sympathie für die Wikinger haben.
Es bietet sich ein erster Blick über die Schlei. Auf der anderen Seite der „Großen Breite” zeichnet sich die Silhouette von Schleswig ab.
Aufwendiges Kartenmaterial ist nicht nötig für diese Tour. Man kann fast immer in Sichtkontakt mit der Schlei den Weg finden. Ich möchte deshalb auch nur die wichtigsten Punkte erwähnen, die zur Orientierung von Bedeutung sind.
Die Landschaft gehört zum Endmuränengebiet der Eiszeit. Sanft geschwungene Hügel und Felder, unterbrochen von Waldstücken prägen das Bild. Im Herbst kann man hier wunderbar den Indian Summer mit seinen vielfältigen Farben genießen. Aufmerksamkeit fordert die Fahrbahn, ist sie doch an einigen Stellen von den landwirtschaftlichen Erntefahrzeugen stark verschmutzt. Im Sommer leuchten die Felder, und alles steht in sattem Grün. Besonders der Raps sticht mit seinem grellen Gelb ins Auge und duftet durch das Visier.
Die Straßen sind in einem ordentlichen Zustand. Langgezogene und übersichtliche Kurven lassen mich zwischendurch etwas mehr am Gasgriff meiner FJR drehen. Dann bummele ich wieder langsam durch die alten Dörfer und genieße die Landschaft. Reetgedeckte Bauernhäuser ducken sich zwischen die Hügel. An ihren Giebeln sind oft Zahlen von Anno 1700 – 1800 zu lesen.
Ich passiere Loisenlund und biege rechts in Richtung Missunde und Brodersby ab. Das hat seinen speziellen Grund, denn ich möchte die Schleifähre Missunde nutzen, um die andere Uferseite zu erreichen.
Viele kennen bestimmt diese Fähre, da sie zusammen mit der Schleifähre Arnis zu den Favoriten der Verkehrsnachrichten gehört. Das liegt daran, dass diese beiden Fähren sich an einem Kabel auf die andere Seite ziehen. Das Kabel liegt lose auf dem Grund, so dass andere Schiffe ohne Kontakt passieren können. Die Fähre hebt das Kabel während der Fahrt an. Leider ist dieses System bei ungünstigen Wasserständen und Eisgang recht betriebsanfällig. So erklärt sich die traurige Berühmtheit dieser beiden Fähren.
Ein Tag an der Schlei...Für 1,50 Euro bringt mich der Fährmann samt Mopped auf die andere Seite. Hier lege ich auch die erste kurze Rast ein und genehmige mir eine Limonade und ein kaltes Würstchen aus dem Glas. Dabei setze ich mich ans Ufer und schaue den Anglern zu.
Hätte ich mir nicht vorgenommen noch bis nach Schleimünde zu fahren, wäre ich sicherlich noch etwas geblieben. So fahre ich weiter durch Brodersby, wo eine historische Kirche mit hölzernem Glockenturm zu besichtigen ist. Wer die Strecke aufmerksam fährt, wird an vielen Stellen durch braune Hinweisschilder gekennzeichnete Sehenswürdigkeiten finden. Meist handelt es sich um besonders alte Bauwerke, Ausgrabungen oder Hünengräber.
Zufrieden summt der Vierzylinder meiner Yamaha, während ich sie von einer Kurve in die nächste lege. Ich passiere Ulsnis und kommen nach Lindaunis. Hier überquere ich die Schlei zum zweiten mal. Ich fahre vorsichtig über die Lindaunis Brücke. Vorsichtig, weil der Belag aus Stahlplatten besteht, bei denen die Besandung gegen die Rutschgefahr schon recht verschlissen ist. Meist muss man etwas warten, da die Brücke vom Straßenverkehr nur abwechselnd in einer Richtung befahrbar ist. Zusätzlich wird die Brücke ab und zu auch in beide Richtungen gesperrt, nämlich dann, wenn ein Zug die Vorfahrt beansprucht.
Und als ob das noch nicht reichen würde, kommt es auch noch zur Sperrung, wenn die Schiffe ihr Wegerecht fordern. Ja richtig, die Lindaunis Brücke ist nämlich eine einflügelige Klappbrücke. Als Gegengewicht dient ein gigantischer Betonblock. Die Elektromotoren heulen, als sich der tonnenschwere Brückenkörper erhebt, um den wartenden Seglern Durchfahrt zu gewähren.
Weiter geht die Fahrt in Richtung Kappeln. Bevor wir aber diese Stadt erreichen, biege ich noch einmal links ab zur Arnis Fähre. Wie bereits erwähnt ist auch diese eine Kabelfähre. Für weitere 1,50 Euro wechsele ich zum dritten mal die Uferseite. Arnis ist der kleinste Ort Deutschlands, der das Stadtrecht besitzt. Nur so, falls Euch Günther Jauch mal danach fragen sollte…
Die Stadt ist geprägt durch Werften, Bootsstege und Anleger für Sportboote. Direkt hinter dem Fähranleger befindet sich das „Fährhaus”, in dem man hervorragend frischen, lokalen Fisch essen kann. Ich habe allerdings noch ein kaltes Würstchen im Glas und fahre weiter nach Kappeln.
Kappeln ist bekannt durch die „Kappelner-Heringstage”. Am Ufer sind zahlreich die Stellnetze zum Heringsfang zu sehen. Und, wie sollte es anders sein, gibt es auch hier wieder eine Gelegenheit die Schlei zu überqueren. Kappeln hat eine moderne, zweiflügelige Klappbrücke, die auch in beide Richtungen zu befahren ist. Und weil ich eigentlich nicht mehr die Uferseite wechseln wollte, überquere ich sie zur Vollständigkeit der möglichen Schleiüberquerungen gleich in beide Richtungen.
Anschließend suche ich mir einen Parkplatz am Nordhafen. Von hier aus starten die Touristendampfer zu Kaffeefahrten. Biergärten und Cafés laden mit Blick über den Hafen zum Verweilen ein.
Ich mache jedoch einen kleinen Spaziergang in die Altstadt. Zwischen lauter kleinen Läden mit allerhand Touristenschnickschnack gibt es Buden mit frischen Waffeln und dänischem Eis. Schließlich stehe ich vor dem „Institut für Hektoliteratur und Bierologie”. Dieses alte Bierlokal ist bekannt für besonders deftiges Essen und urige Atmosphäre. Um die Tour hier nicht enden zu lassen, widerstehe ich und denke an mein kaltes Würstchen im Glas.
Ein Tag an der Schlei...Zurück im Hafen schwinge ich mich auf mein Moped und mache mich auf zum letzten Ort, bevor die Schlei in die Ostsee übergeht. Ich passiere Rabel und Grauhöft und erreiche Maasholm, ein kleines Fischerdorf mit Jachthafen und Campingplatz. Von hier aus kann man über das Vogelschutzgebiet bis nach Schleimünde gucken. Hinter dem Leuchtturm links und dem Marinestützpunkt Olpenitz rechts, beginnt die Ostsee.
Das Vogelschutzgebiet kann vom Naturpark-Zentrum aus unter kundiger Führung besichtigt werden. Dabei kann man sich Vorträge über die einmalige Bedeutung der seltenen Salzwiesen und der wunderlichen Vögel, die darin herumstochern, anhören. Die Schlei besitzt keine Süßwasserquelle, sondern ist als Fjord ein mit salzigem Meerwasser gefülltes Becken. Durch den geringen Wasseraustausch mit der Ostsee ist der Salzgehalt jedoch durch Zulauf von Regen- und Sickerwasser deutlich geringer als im offenen Meer. Das hat Auswirkungen auf Flora und Fauna. Und auf Gabi auch. Die hat nach dem Baden nämlich immer den Bikini voller Entenflott, was in reinem Meerwasser sonst nicht vorkommt, sondern ins Brackwasser gehört.
Ich genehmige mir bei der Gelegenheit noch ein Mineralwasser und nehme, ohne die Uferseiten zu wechseln, wieder Kurs auf Schleswig, um kurz vor der Stadt noch einen Blick auf das Danewerk zu werfen. Was für die Römer der Nimes, war für die Dänen das Danewerk. Ein gigantischer Schutzwall, errichtet gegen die Angriffe der Deutschen, bis es dem deutschen König Otto kurz nach anno 1000 doch gelang den Wall zu durchbrechen. Noch heute ist er auf Satellitenbildern zu erkennen.
Müde von soviel Natur und Kultur falle ich um 18 Uhr im Freizeitheim beim „Biker Union” Stammtisch Schleswig ein. Es wird noch ein lustiger Abend bis 22 Uhr.
Ich nutze auf dem Rückweg nach Hamburg das üppige Leistungspotential der FJR und stehe schon um 23.10 Uhr wieder vor meiner Haustür. Jetzt nur noch schnell unter die Dusche – die Fliegen werden erst morgen entfernt. War doch ein toller Tag.
Insgesamt habe ich 420 km zurückgelegt. Davon fallen ca. 200 auf die Anreise aus Hamburg. Das Umfahren der Schlei ist an einem Tag gut zu schaffen. Wer jedoch Spaß an Kultur, Museen und Besichtigungen hat, sollte ruhig mehrere Tage einplanen. Die Schlei ist umringt von Campingplätzen und Pensionen. Eine detaillierte Vorplanung ist deshalb nicht unbedingt erforderlich.