Von Autofahrern wird man als Zweiradfahrer doch häufiger mal übersehen. In manchen Fällen zweifelt man ernsthaft an der Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer, speziell wenn diese recht angegraut sind. Sollte man diese Anzeigen um sich und andere zu schützen? Oder gibt es andere Möglichkeiten? Was denkt ihr darüber…
Vorwort der bma-Ausgabe 9/12 von Marcus Lacroix
Hallo Leute!
Blindfische anzeigen oder nicht?!
Neulich in einem Motorradforum: ein User erzählte von einem älteren Motorradfahrer, der ihm beim Händler auffiel, weil er beim Hinausgehen an diverse Maschinen anstieß. Er sprach ihn an, ob alles OK wäre, und es stellte sich heraus, dass der Mann halb blind war. Der Alte meinte aber, dass er mit Auto und Motorrad noch ganz gut klar kommen würde. Die Frage war nun, ob man ihn zu seinem eigenen und anderer Schutz besser bei der Polizei meldet bevor etwas Schlimmes passiert.
Für mich war die Sache ganz einfach, natürlich sollte der User den Alten melden und die sollten ihn sich bezüglich der Fahrtauglichkeit zumindest mal ansehen, ihm am Besten aber gleich den Schein abnehmen. Ist doch unverantwortlich so was…
Schnitt – etwa zwei Wochen später: Ich war mit meiner kleinen Kawa recht gemütlich unterwegs. Landstraße von Bremen Richtung Berne, 70er Zone, ich nicht zu schnell. Im Gegenverkehr drei PKW zu sehen, links in einer Hofausfahrt steht ein silberner Golf, will scheinbar in meine Richtung. Da ist man als routinierter Motorradfahrer ja schon alarmiert und in der Tat, der Golf zog noch raus! Stark bremsen, leicht nach rechts ausweichen (überholen ging ja wegen Gegenverkehr nicht), hupen und unhöflich gestikulieren waren fast eins. Keine Reaktion. Ich setze mich wutentbrannt mit der Maschine neben die Fahrerscheibe um… (ok, lassen wir das). Am Steuer ein alter Mann, Hörgerät, absolut kein Anzeichen, dass er mich bemerkt! „Nanü” denke ich so bei mir, „was ist das denn nun”. Ist der Alte so stumpf oder hat er evtl. Schiss, dass ich ihm in die Seite trete (was ich natürlich nicht täte…)? Oder sieht er mich womöglich nicht?!
Ich setze mich mit der Maschine wieder hinter seinen Golf und folge ihm. Ein paar Kilometer weiter bog er auf einen Hof, ich hinterher, schon weit weniger zornig. Motorrad abgestellt, er steigt aus und wirkt etwas zittrig – aber nicht vor Schreck oder Angst. Ich grüße und frage ihn, ob er denn gar nicht gemerkt hat, dass er mich vor wenigen Kilometern beinahe abgeräumt hätte? Wäre ich in dem Bereich etwas „sportlicher” unterwegs gewesen (ja, ja, ich weiß, dass man das auch nicht darf…), hätte es geknallt oder ich wäre aufgrund des Gegenverkehrs in Richtung Seitenstreifen abgeschmiert. Das habe ich ihm natürlich nicht gesagt.
Der alte Mann entschuldigte sich freundlich unschuldig und ich konnte ihm gar nicht mehr böse sein. Es tat ihm wirklich Leid und war sicher keine böse Absicht. Auffällig war neben dem Hörgerät sein linkes Auge, das ganz trübe war. Ich denke er ist links blind oder nahezu blind und es würde erklären, warum er mich nicht wahrnahm als ich neben ihm fuhr. Die Linsentrübung könnte grauer Star sein – nicht wirklich ein Problem, denn da kann man heute schon ambulant neue Linsen einsetzen. Habe ich gerade erst bei meinen Eltern erlebt, die jetzt beide wieder gut gucken können. Ich riet ihm dringendst, mal seinen Augenarzt zu konsultieren, denn so stellt er eine Gefahr im Straßenverkehr dar. Er versicherte mir, er sei erst letzte Woche dort gewesen und es wäre alles so weit ok. Tja, und jetzt kommt ihr – was soll man da machen, was denkt ihr?
Nachdem ich mich in dem Motorrad-Forum noch herrlich dafür ereifern konnte, in so einem Fall Meldung bei der Rennleitung zu machen, habe ich den Alten bei Berne nicht angezeigt. Evtl. war er ja wirklich nur einen Moment unachtsam und ein Motorrad ist bekanntlich schnell übersehen. Aber was ist, wenn er doch körperlich so eingeschränkt ist, dass er aus dem Verkehr gezogen gehört? Immerhin wirkte er ja schon etwas tatterig. Aber steht mir da ein Urteil zu? Da grüble ich jetzt schon die ganze Zeit drüber rum. Und wie sieht es wohl in seinem Umfeld aus? Haben seine Angehörigen das im Blick oder scheuen sie evtl. die Konfrontation? Überlässt man es der Familie, fahruntaugliche (evtl. uneinsichtige) Alte aus dem Verkehr zu ziehen oder ist die Polizei der bessere Ansprechpartner.
Wie immer würden wir uns sehr über eure Meinung und eure Erfahrungen freuen. Kommentiert diesen Artikel online bei Facebook, hier auf der Website oder schreibt uns eine e-mail an info@bma-magazin.de – klassische Post geht natürlich auch…
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Kommentare
7 Kommentare zu “Editorial 9/12 – Blindfische anzeigen oder nicht?”
Ich bin jetzt 74 und darf lustig weiter fahren. In jungen Jahren bin ich geflogen und wurde jährlich überprüft, beim Bund mehr, privat weniger. Ich fand es normal. Ich würde mich ohne Probleme checken lassen und besuche jetzt schon freiwillig HNO und Augenarzt ein Mal jährlich. Wo ist das Problem? EITELKEIT + Werbung
Hallo,
warum sollte man jemanden anzeigen?
Es scheint mir eine grundsätzliche Frage, jemanden den Behörden zu übergeben oder nicht.
Gegenfrage: möchtest Du, daß Dich jemand anzeigt? Es gibt immer Argumente, warum das Verhalten eines anderen jemanden gefährden könnte. Wo ist dann die Grenze, wo man zur Polizei läuft oder nicht?
Dann kommt die Frage, ob die Behörden angemessen reagieren. Ich zweifle daran, nachdem ich für eine Ordnungswidrigkeit als Fußgänger 350 EUR nebenst 4 Punkten in Flensburg bezahlen mußte (vom Polizisten dem Ordnungsamt gemeldet).
Zudem löst die Anzeige eines einzelnen ‚Blindfisches‘ bei weitem das Problem altersuntauglicher Fahrer nicht. Hier wäre in der Tat ein regelmäßiger Eignungstest ab einem gewissen Alter erforderlich. Das will die Politik aber nicht, um sich die entsprechende Wählergruppe nicht zu vergraulen.
Warum hast Du den Fahrer nicht offen auf das Problem angesprochen?
Ganz nüchtern die Frage stellen, ob er denn noch gut sehen könne und nach dem Kennzeichen des nächsten Fahrzeuges fragen. Und wenn man merkt, daß da etwas im Argen liegt, kann man einen deutlichen Hinweis geben und an seineVernunft apellieren.
Gruß,
Christian
Ich denke das Schwert hat 2 Seiten….
Ich hole einfach mal ein bisschen aus:
Mein Opa ist mit 84 noch Auto gefahren. Beim fahren war alles noch super, Reaktion, Abstand alles gut. Nur beim Parken und einschätzen gab es Probleme. Innerhalb kurzer Zeit hat er einen Zaun angefahren, einen Pfahl gerammt, sein Auto auf dem eigenem Hof am Container angestoßen weil er R und D in der Automatik verwechselt hat und leider einem BMW den Spiegel geklaut beim einparken. Auf Grund dieser Situation hat mein Vater gesagt er solle seinen Lappen Ihm geben oder er sorge dafür das die Polizei ihn prüft. Er hat sich für ersteres entschieden, das Auto seinem Enkel geschenkt und der fährt ihn jetzt überall hin. Ich kann es verstehen wenn man nicht auf seine Mobilität verzichten kann aber um jeden Preis?… Happy End ? Im Gegenteil! Ich bin beim Bestatter tätig und hatte vor kurzem einen tragischen Fall. Ein Fahrer eines Behinderten Busses wollte Links abbiegen. Gerade Strecke gutes Wetter beste Sicht. Ein Biker kam ihm entgegen. 70 sind dort erlaubt. Nach Gutachten hat er diese auch eingehalten obwohl Zeugen behaupten er hatte Schwierigkeiten seine Maschine unter Kontrolle zubringen. Das zittern der Maschine kam vom Bremsen. Der Fahrer des Busses ist 78 und bessert sich seine Rente auf. Der Biker lebt nicht mehr weil er schlicht und einfach abgeschossen wurde. Er hatte keine Chance trotz Protektoren und ABS. Egal wie es mit der Rente ist, aber muss man mit 78 wirklich noch Bus fahren und Verantwortung so leicht auf Spiel setzen? Ich denke NICHT! Ich selbst wurde schon 3x beinahe Opfer des übersehen´s. Einmal sogar von der Polizei. Bis jetzt ging alles gut. Biker sind einfach gefährdeter als Rehe! Ich habe einen Passus im Führerschein das ich mit 50 zur Kontrolle muss. Wenn man dann sagt ich darf nicht mehr fahren dann ist das so. Schmerzlich ab ich werden dann noch leben. Vielleicht darf ich nicht mehr fahren aber schrauben werde ich dann immer noch. Die Enkel werden es danken.
Für mich ist das relativ einfach: Womit habe ich am Ende des Tages mehr Probleme?
Damit das ich ggf. dafür gesorgt habe das jemand seine Mobilität verliert (was mit Sicherheit ein großer Einschnitt in das Leben sein kann!) – oder damit das ich nichts tue und morgen höre das die Person jemand anders Verletzt oder Getötet hat?
Dies gilt allerdings nicht nur für „blinde“ Fahrzeugführer – auch für Fahren ohne Führerschein, Alk oder ähnliches… Wobei es in letzteren Fällen noch leichter fällt – da es dann die eigene Schuld ist…
Wir haben in der Familie schon ähnliche Diskussionen geführt und sind leider auch zu keinem , für die Familie tragbarem Ergebnis gekommen.
Individuelle Mobilität stellt gerade im Alter ein hohes Gut dar. Daher würde es als Familienmitglied besonders schwer fallen, ein Familienmitglied zu denunzieren. Denn, dass ist es was man machen müsste, wenn dieser sich als uneinsichtig erweisen würde.
Aber egal, ob in- oder außerhalb der Familie, wenn so ein Blindfisch einen Unfall baut, trage ich moralisch immer mit daran. Hören und vor allem Sehen braucht es nun mal auf der Straße.
Seien wir doch mal ehrlich, wer kenn nicht jemanden der laut Führerschein eigentlich eine „Sehhilfe“ tragen müsste und dieses aus purer Eitelkeit / Faulheit nicht tut. Solche Leute können auch schlechter sehen. Und was ist mit denen ab 40? Da hört man mit zusammen gekniffenen Augen gerne, dass es noch ohne gehen würde. Diese haben es mit dem Sehen auch nicht mehr so drauf und müssten mal dringend zum Arzt oder Optiker. Und dann – ich weiß nicht ob ich mir selber eingestehen würde das es nicht mehr geht. I
Ich, selbst über 40, Träger einer Brille, wäre dafür „alle“ Führerscheinbesitzer zu turnusmäßigen auf physische Fahrtauglichkeit zu prüfen. Das ist für Berufsfahrer und in anderen Bereichen (See- / Luftfahrt) auch ganz normal.
Natürlich möchte niemand ein „Denunziantenschwein“ sein und man sollte sich es natürlich auch zweimal überlegen ob man zur Polizei geht und vorher, wenn möglich, mit dem Betroffenen reden, aber wenn dieser Beratungsresitent ist und man sicher ist, dass er/sie dauerhaft nicht mehr in der Lage ist sicher zu fahren, darf man sich gerne eine Mitschuld auf die Fahne schreiben wenn dann wirklich etwas passiert, falls man aus falscher Rücksicht die Behörden nicht informiert hat.
Moin, Moin
aus eigener Erfahrung muss ich sagen, egal was man tut, Hauptsache man tut etwas. In meinem Fall hat eine ältere Dame aus dem Bekanntenkreis ihr Auto beim Starten vor einen Baum gesetzt (Gang drinn, starten-bumm). Aus Verzweiflung rief sie mich an, um nach dem Auto zu sehen (ich bin Kfz-Mechaniker). Am „Unfallort“ habe ich beschlossen das die Dame die 800 Meter vorsichtig nach Hause fahren kann. Diese 800 Meter haben mir die Augen geöffnet: mit 80 km/h fuhr sie unter Missachtung aller Vorfahrtsregeln durch die Ortschaft und rumpelte mehrmals über den Bordstein (mit angrenzendem Fußweg). Bei ihr zuhause angekommen habe ich den Schlüssel an mich genommen und die Nutzung des Autos wegen des Schadens untersagt. Bei einem Gespräch mit den Angehörigen wurde mir erzählt, das dieser Zustand bekannt wäre und man den Schlüssel auch schon einmal einbehalten habe. Aufgrund des Terrors der dann herrschte wurde der Schlüssel aber wieder abgegeben. Ich habe mit den Angehörigen beschlossen das Fahrzeug als Totalschaden zu deklarieren und vom Hof abzuschleppen.
Aufgrund der Demenz der alten Dame musste ich nun mindestens einmal in der Woche ihr gegenüber Stellung beziehen, was denn nun mit ihrem Auto wäre. Oft war sie den Tränen nahe, da ihr doch die Mobilität genommen wurde. Das war eine harte Zeit, doch ich denke zum Wohl aller und ihr selbst das Beste, was man machen konnte.
Es muss nicht gleich die Polizei sein, sprecht Verwandte und Bekannte an bevor etwas passiert, denn dann zusagen: ich hab’s kommen sehen, ist zu spät!